Es ist kalt im Weltall – sehr kalt. Entfernt man sich nur weit genug von allen Himmelskörpern, dann ist die Temperatur nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt, der immerhin bei -273°C liegt.
Im Sonnensystem – und insbesondere auch in Erdnähe ist es freilich etwas wärmer, aber zumindest auf sonnenabgewandter Seite immer noch so kalt, dass man nicht vermuten würde, dass es Überhitzungsprobleme geben könnte. Aber gerade dies hat am Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen in den vergangenen Wochen starke Kopfschmerzen verursacht. Columbus, neben dem Automated Transfer Vehicle (ATV) einer der beiden Hauptbeiträge Europas zur Internationalen Raumstation, produziert kontinuierlich Wärme. Denn zum einen wird ein Grossteil der produzierten elektrischen Energie letztendlich in Wärmeenergie umgesetzt, und zum anderen sind auch die Astronauten selbst Wärmequellen. Diese Energie muss abgeführt werden, was durch einen internen Kühlwasserkreislauf realisiert ist, der sie seinerseits über Wärmetauscher an einen externen Ammoniakkreislauf überträgt, der letztendlich die Energie in das All abstrahlt.
Ohne Wärmeabführung wäre kein voller Betrieb des Columbusmoduls möglich – und nur ein vollständig aktives Forschungslabor kann seinem eigentlichen Zweck – der Forschung im Weltall – nachkommen. Wegen der zentralen Rolle des Kühlwasserkreislaufs an Bord sind alle wichtigen Aggregate hierfür zweifach vorhanden – das in der Raumfahrt übliche Konzept der Redundanz oder Fehlertoleranz: Selbst ein schwerwiegendes Problem darf nicht unmittelbar schwerwiegende Folgen haben.
Im Januar 2013 war es allerdings vorbei mit der Redundanz der Columbus-Kühlung: Auf ein vom Columbus-Kontrollzentrum geschicktes Kommando, was routinemässig die zweite, redundante Pumpe prüfen sollte, antwortete diese nicht wie erwartet. Eine erste Analyse der Experten gab dann zu großer Besorgnis Anlass: Die Signatur des Fehlers ließ befürchten, dass die Pumpe irreparabel verloren sein könnte. Dieses mögliche Szenario schränkte die Fehleruntersuchungsoptionen erheblich ein – es musste unter allen Umständen vermieden werden, durch die Tests der verdächtigen Pumpe das Risiko für einen Ausfall der Gesamtkühlung zu erhöhen. „Wir haben das Kühlwassersystem wie ein rohes Ei behandelt“, erinnert sich Sinje Steffen, eine der DLR-Expertinnen für Columbus. „Es war ein Teufelskreis: Jeder Test ist natürlich per Definition eine Abweichung vom Normalbetrieb – und jede Abweichung vom Normalbetrieb erhöhte natürlich das Risiko eines kompletten Ausfalls der Kühlung, nachdem wir über die tatsächlichen Problemursachen nur spekulieren konnten.“
Auch die NASA war durch die Situation alarmiert – werden doch in Columbus neben ESA-Experimenten nicht nur wichtige NASA-Experimente betrieben, sondern auch ein medizinisches Ultraschallgerät, was für die Gesundheit der Besatzung ein wichtiges Diagnostikwerkzeug ist, was jederzeit verfügbar sein sollte – aber natürlich auch ein funktionierendes Kühlsystem voraussetzt.
So einigte man sich auf einen aufwändigen, aber wichtigen Test: Mittels einer komplexen Prozedur wurde die Crew angeleitet, die verdächtige Wasserpumpe komplett aus dem Kühlkreislauf auszubauen, die Wasserleitungen „kurzzuschliessen“ und somit einen unabhängigen kleinen Kreislauf zu erzeugen. In diesem Kreislauf konnte jetzt versucht werden, die Pumpe zu aktivieren – was fehlschlug. Zumindest sah man jetzt klarer.
Eine weitere Hürde stellte sich den Flight Controllern in den Weg, als auch die aktive Wasserpumpe nicht mehr zuverlässig kommandiert werden konnte. Die Pumpe lief zwar weiterhin ohne Probleme, aber es konnten keine Einstellungen mehr verändert werden. Dies machte zusätzliche Tests mit der fehlerhaften Pumpe zu einem unkalkulierbaren Risiko.
„Albert Einstein“ erreichte die Raumstation schließlich Mitte Juni – etwa einen halben Monat davor war auch der italienische Astronaut Luca Parmitano auf der ISS angekommen. Somit waren alle Gegebenheiten geschaffen, um die defekte Pumpe auszutauschen. Am Freitag, den 5. Juli war es endlich soweit: In einer mehrstündigen Operation baute der Italiener unter der Anleitung des Oberpfaffenhofener Teams die defekte Wasserpumpe aus, montierte das neue Gerät und testete es zunächst genau, bevor es in den Kühlwasserkreislauf integriert wurde. Nachdem dies erfolgreich abgeschlossen werden konnte, verband Parmitano die neue Wasserpumpe endgültig mit dem Kühlwasserkreislauf. Steffen verfolgte die aufregende Schicht im Kontrollraum: „ Luca hat seinen Teil sehr gut gemacht – wir sind froh, dass wir gerade ihn für diese komplexe Aufgabe an Bord hatten.“
Das erste Umschalten von der alten auf die neu eingebaute Wasserpumpe funktionierte dann ohne Probleme – die gute Vorbereitung zahlte sich aus. Eine ganze Woche lang wurde die neue Pumpe bis ins Detail geprüft, bevor sie für voll funktional erklärt werden konnte.
Nach der erfolgreichen Aktivierung ist der Wasserkreislauf nun wieder bereit sein für die kommenden Jahre – und das ehrgeizige Forschungsprogramm kann ohne Verzögerungen fortgesetzt werden. Bis zum nächsten Fehler, meint auch Sinje Steffen: „Das ist schliesslich unsere Aufgabe als Flight Control Team – das Unerwartete zu erwarten und letztendlich zu meistern. Das ist auch einer der Aspekte, der unseren Job jeden Tag wieder interessant macht.“