Mit Hilfe der Elektrostatischen Levitation können Materialproben durch die Kräfte in einem elektrischen Feld in einem Schwebezustand gehalten werden. Eine solche Probe schwebt in einer Hochvakuumumgebung und ist frei von Kontakt zu Tiegelmaterialien, Halterungen und sogar zu einer umgebenden Gasatmosphäre. Die Wechselwirkung mit der Umgebung ist daher weitgehend unterdrückt. Sonst zuweilen störende Einflüsse wie chemische Reaktion mit einem Tiegelmaterial oder Kristallisationskeime durch eingebrachte Verunreinigungen existieren bei dieser Technik nicht. Diese somit völlig berührungsfrei gelagerten Materialproben sind daher fast ideale Objekte zur Untersuchung bestimmter Materialeigenschaften unter sehr reinen Bedingungen. Dadurch kann eine hohe Präzision der Messungen auch an hochreaktiven Materialien realisiert werden.
Die schwebende Probe wird dazu zunächst mit einem Laserstrahl erhitzt und geschmolzen. Die durchgeführten Messungen an den auf diese Weise levitierten Materialien erfolgen ebenfalls berührungslos durch unter anderem Hochgeschwindigkeitskamera und Infrarot-Thermometer. Möglich sind zum Beispiel Messungen von Materialeigenschaften wie thermischer Ausdehnung, Viskosität oder Emissivität in flüssigen Metallen, Legierungen, Halbleitern und Keramiken. Auch die Beobachtung von Erstarrungsvorgängen aus unterkühlten Schmelzen kann von Interesse sein. Die Kenntnis der Temperaturabhängigkeit dieser Eigenschaften im speziellen, wie auch das Verständnis der übergeordneten Zusammenhänge mit späteren Werkstoffeigenschaften im Festkörper, spielt eine wichtige Rolle bei der Optimierung von entsprechenden industriellen Fertigungsprozessen.
Die Durchführung solcher Messungen in erdgebundenen Laboren ist derzeit schon möglich und aufgrund der auch jetzt schon hohen Genauigkeit sehr beliebt. Allerdings bleibt bei diesen Experimenten der Einfluss der Schwerkraft auf einen Teil der Messverfahren eine unbekannte Größe. So entsteht als eine Folgeerscheinung von Schwerkraft z. B. thermische Konvektion in der Materialprobe. Zusätzlich erhält die untersuchte Probe auch eine leichte Tropfenform. Unter anderem diese Störeinflüsse führen derzeit noch zu Messfehlern und stehen einer noch präziseren Bestimmung im Wege. Gelänge es, einige der vielen im Labor durchgeführten Messungen schwerelos zu wiederholen, können vergleichende Studien durchgeführt werden. Das daraus folgende Wissen um die von Schwerkrafteinflüssen bereinigten Vorgänge in der Schmelze hilft, zukünftige Messungen und Prozesse bei der Herstellung von Materialien auch mit Schwerkraft zu verbessern. Ist der Einfluss von Schwerkraft auf die Verfahren besser verstanden, können die Messungen robuster durchgeführt werden.
Die technischen Herausforderungen sind dabei sehr hoch. Da es im Elektrostatischen Feld keinen stabilen Gleichgewichtspunkt geben kann, an den die Probe nach einer Störung automatisch zurückkehrt, muss die Probenposition erfasst und mehrere Hochspannungen, die das Elektrostatische Feld erzeugen, immer wieder aktiv nachgeregelt werden. Dies passiert 500 mal pro Sekunde und stellt hohe Anforderungen an die Geschwindigkeit und Präzision der Steuerungselektronik, wie auch an die Kompaktheit des gesamten Aufbaus. Dieses Entwicklungsprojekt ist der bisher weltweit einmalige Versuch die genannten Messungen auf einer Forschungsrakete in Schwerelosigkeit durchzuführen. Tests der Anlage auf Parabelflügen gehören selbstverständlich zur Vorbereitung und tragen maßgeblich zur stetigen Verbesserung bei.
Der neu entwickelte Elektrostatische Levitator für Schwerelosigkeit soll die benötigten Messungen während des Fluges auf der DLR-Forschungsrakete MAPHEUS durchführen. Die Hardware-komponenten wurden für diesen Einsatzzweck entwickelt und getestet. Während des Parabelfluges sollen wichtige Anlagentests von Hard- und Software durchgeführt werden, die unter der Einwirkung von Schwerkraft nicht möglich wären.