Seit vielen Jahrzehnten ist gut bekannt, dass Zellen des Immunsystems besonders sensitiv gegenüber verminderter Schwerkraft reagieren, was sie zu einem ausgezeichneten Modellsystem zur Untersuchung schwerkraftabhängiger zellulärer und molekulare Mechanismen macht.
Neben den Veränderungen des Muskel- und Knochensystems gehören Störungen im Immunsystem zu den limitierenden Faktoren für die menschliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit in der Schwerelosigkeit. Somit kann das Verständnis, auf welche Art und Weise veränderte Schwerkraftbedingungen die menschliche Physiologie und zelluläre Funktionen beeinflusst, nicht nur zu einer besseren Einschätzung der Risiken und der Entwicklung von Präventiv- und Gegenmassnahmen für Langzeitraumflüge führen, sondern nicht mehr und nicht weniger einen Beitrag zu einer der fundamentalsten Fragen der Raumfahrt leisten: Kann der Mensch für längere Zeit oder gar auf Dauer den Planeten Erde überhaupt verlassen ? Durch die Kombination verschiedener Zelltypen und Zeitwerte auf verschiedenen Forschungsplattformen soll das Ziel einer integrativen Untersuchung des Immunproblems in Schwerelosigkeit auf zellulärer und molekularer Ebene erreicht werden.
In unseren Vor-Projekten wurden umfangreiche Experimente auf Parabelflügen, Forschungsraketen und der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt. In Zellen des Immunsystems konnten schwerkraftsensitive Mechanismen innerhalb der Zellzykluskontrolle, der Expressionsregulation von Molekülen der Zell-Adhäsion und - Kommunikation, des Oxidative Burst, des Zytoskeletts und in Stoffwechselprozessen gefunden werden. Zudem gelang erstmalig eine gesamtgenomische Genexpressionsanalyse in T-Lymphozyten und in Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems, die zur Identifikation schwerkraftsensitiver Gene und zu Hinweisen auf deren Regulation führte (das „Gravitom“ der menschlichen Zelle). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Erdschwerkraft eine wichtige Rolle in der Homöostase der Genregulation spielt, sowie Prozesse der Zell-Zell-Interaktion und -Kommunikation ermöglicht, also Wesensmerkmale komplexen Lebens.
In dem Parabelflugexperiment suchen wir nunmehr erstmals nach der Ursache der veränderten Genexpression, indem wir die Steuerung der Gene und schwerkraft-abhängige Veränderungen des genetischen Apparates analysieren.
Die Identifikation schwerkraftsensitiver Prozesse ist eng verbunden mit dem Verständnis der grundlegenden molekularen Mechanismen der Immunzellaktivierung und –funktion. Somit trägt sie zum Erkennen neuer molekularer Zielstrukturen für therapeutische Interventionen bei, gerade auch auf der Erde. Die Ergebnisse ermöglichen auch eine bessere Risikoabschätzung von Langzeitaufenthalten im Weltraum, die Identifikation kritischer Parameter und möglicherweise ein besseres medizinischen Monitoring und eine bessere Vorbeugung und Behandlung Immunsystem-assoziierter Störungen.