Der klassische Leidenfrosteffekt, 1756 entdeckt von Johann Gottlob Leidenfrost, beschreibt die verlangsamte Verdampfung einer Flüssigkeit aufgrund der thermisch isolierenden Wirkung der Gasphase. Der Leidenfrosteffekt bewirkt zum Beispiel, dass ein Wassertropfen sehr lange über einer sehr heißen Metallplatte schweben kann, bevor er letztendlich verdampft. Der dazu phänomenologisch verwandte granulare Leidenfrosteffekt beschreibt das Verhalten eines Granulats in einem Behälter, der (unter Schwerkraftbedingungen) in vertikale Vibration versetzt wird. Bei schwacher Anregung bleibt das Granulat am Boden des Behälters liegen und folgt der Vibrationsbewegung. Bei sehr starker Anregung geht das Granulat in einen gasartigen Zustand über, bei der die Dichte des granularen Gases nach oben hin abnimmt. In einem bestimmten Bereich von Amplitude und Frequenz bildet sich eine Dichteinversion heraus, bei der ein nahezu dicht gepackter Granulatcluster auf einem Kissen aus granularem Gas schwebt. Der granulare Leidenfrosteffekt ist insofern mit dem klassischen Leidenfrosteffekt verwandt, als dass die Vibration des Bodens als Heizung des granularen Gases verstanden werden kann und der schwebende Cluster die Rolle des Tropfens einnimmt. Es gibt jedoch wichtige Unterschiede zwischen den Phänomenen, vor allem aufgrund der Tatsache, dass granulare Stoffe rein repulsiver Teilchen keine Oberflächenspannung besitzen und beim Übergang eines festen Granulats (Cluster) in den Gaszustand keine Verdampfungswärme beteiligt ist. Ein wichtiger physikalischer Unterschied besteht darin, dass sich granulares Gas niemals im thermodynamischen Gleichgewicht befinden kann. Wir haben es also stets mit Nichtgleichgewichtssituationen zu tun.
Die theoretische Erklärung des granularen Leidenfrosteffekts beruht auf einem Wechselspiel zwischen dem Energieeintrags durch die Vibration, dissipativen Teilchenstößen, bei denen mechanische Energie in Wärme umgewandelt wird und der Schwerkraft. Numerische Simulationen legen jedoch die Vermutung nahe, dass der Effekt auch ohne die Wirkung der Schwerkraft auftreten kann. Das Ziel des Parabelflugexperiments besteht darin, diese Vermutung experimentell zu bestätigen und die Bedingungen zu untersuchen, unter denen der granulare Leidenfrosteffekt beobachtet wird. Auf Grundlage der erwarteten Resultate soll, unter Zuhilfenahme numerischer Simulationen und analytischer Rechnungen, tieferes theoretisches Verständnis des Effekts gewonnen werden. Praktische Relevanz hat der granulare Leidenfrosteffekt für die Effizienz granularer Schwingungsdämpfer.
Experimentelle Untersuchungen unter Schwerkraft und in Schwerelosigkeit, sowie numerische Simulationen haben gezeigt, dass das Auftreten des granularen Leidenfrosteffekts mit einem starken Abfall der Effizienz dieser Dämpfer einhergeht. Diese Dämpfer sollten also so ausgelegt werden, dass dieser Effekt im relevanten Bereich von Amplitude und Frequenz möglichst vermieden wird.
Für das beschriebene Experiment soll erstmalig ein neuentwickelter Radiograph/Röntgen- Tomograph zum Einsatz kommen, der in der Lage ist, radiographische Hochgeschwindigkeitsfilme unter Bedingungen der Schwerelosigkeit aufzunehmen.