Intermetallische Legierungen, zum Beispiel AlTi und AlNi, sind für industrielle Anwendungen, wie der Herstellung von Turbinenschaufeln oder Turbolader, sehr interessant. Eine typische Eigenschaft einer intermetallischen Legierung ist ihre, im Gegensatz der von Reinmetallen, komplizierte kristallographische Struktur, die großen Einfluss auf die Festkörper- und Erstarrungseigenschaften der Legierung hat. Von besonderem Interesse ist die intermetallische Legierung NiZr, die als glasbildendes Metall bekannt ist, jedoch ein seltenes Erstarrungsverhalten zeigt. Im Rahmen einer DLR internen Doktorarbeit wurde die Erstarrungsdynamik von NiZr mit Hilfe elektrostatischer Levitation (ESL) in Kombination mit einer Hochgeschwindigkeitskamera untersucht. Post-experimentelle Mikrostrukturanalysen zeigten eine charakteristische Struktur im Inneren der Probe: Zehn große Körner, die in einem zentralen Punkt zusammenlaufen und sich über den gesamten Durchmesser der Probe erstrecken. Aufgespannt wird diese Struktur durch zehn makroskopische Zwillingsdendriten, die die Korngrenzen in ihrem Stamm bis hin zur Millimeterskala stabilisieren. Diese Beobachtung eröffnete die Frage nach dem Ursprung der zehn gleichmäßig wachsenden Körner. Es wurden grundlegende kristallographische Ansätze, ausgehend von der NiZr-Einheitszelle, gewählt, um die Anfänge des Erstarrungsvorgangs zu rekonstruieren. Diese Überlegungen führten zu einem atomaren Modell, das ausgehend von einem einzigen Atom im Zentrum, das Wachstum von NiZr in 3 Schritten beschreibt: (1) Zunächst bildet sich eine quasikristallähnliche Struktur mit kurzreichweitiger Ordnung, (2) an die sich die NiZr-Kristallstruktur mit langreichweitiger Ordnung nahtlos anschließt. (3) Ab einigen Nanometern Ausdehnung bilden sich schließlich die zehn Zwillingsdendriten, die die Korngrenzen stabilisieren. Dieser Erstarrungsvorgang lässt sich jedoch ausschließlich bei hohen Unterkühlungen (300 K unterhalb der Schmelztemperatur) beobachten.
Da 132 andere binäre Systeme in der gleichen Kristallstruktur wie NiZr erstarren, bietet sich die Möglichkeit, andere Systeme auf dieses Erstarrungsverhalten hin zu untersuchen. Vielversprechende binäre Legierungen sind zum Beispiel NiGd und AuGd. Jedoch bereiten diese Systeme Schwierigkeiten bei der ESL Methode. Aus diesem Grund wurden weiterführende Experimente mit der elektromagnetischen Levitationstechnik (EML) durchgeführt. Zwar lassen sich diese Systeme mit dieser Methode im festen Zustand levitieren, im Flüssigen jedoch nicht, da vermutlich der Einfluss der Schwerkraft zum Absturz der Schmelze führt. Experimente unter Schwerelosigkeit könnten hier Abhilfe schaffen.
Sollte dieses Erstarrungsverhalten für ein weiteres System nachgewiesen werden, wäre dies ein Nachweis für die allgemeine Richtigkeit unseres atomaren Modells und könnte die Grundlage für eine völlig neue Materialgruppe bilden.