Viele Werkstoffeigenschaften werden durch die Mikrostruktur des Materials bestimmt, welche beim Erstarrungsvorgang während eines Gießprozesses entsteht. Genaue Kenntnisse über solche Erstarrungsvorgänge ermöglichen die Simulation des Gießprozesses und erlauben es die Mikrostrukturen und damit die Eigenschaften von Produkten vorherzusagen und die Herstellungsprozesse zu optimieren. Eine zentrale Größe ist hierbei die Erstarrungsgeschwindigkeit, welche man anhand von Bildern der Probenoberfläche während eines Erstarrungsvorgangs ermitteln kann. Typischerweise wird diese mit einer Hochgeschwindigkeitskamera mit bis zu 100.000 Bildern pro Sekunde erfasst. Insbesondere unter reduzierter Schwerkraft in der TEMPUS Anlage auf einem Parabelflug können schwerkraftgetriebene Phänomene wie Konvektion, Sedimentation und Auftrieb in der flüssigen Probe weitestgehend ausgeschaltet werden. Dadurch werden Erstarrungsvorgänge unter definierten, diffusiven Bedingungen untersucht. Die Messung mit herkömmlichen Hochgeschwindigkeitskameras setzt jedoch voraus, dass die erstarrende Probe ausreichend Licht im sichtbaren Bereich abstrahlt. Nur dann ist die wachsende Kristallfront für die Kamera sichtbar. Aus diesem Grund ist die Messung von Erstarrungsgeschwindigkeiten mit dieser Technik auf höherschmelzende Werkstoffe beschränkt. Mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeits-Wärmbildkamera soll zunächst gezielt gezeigt werden, ob solche Erstarrungsmessungen auch am niedrigschmelzenden Werkstoff während eines Parabelfluges durchführbar sind. Die Wärmebildkamera nimmt Wärmestrahlung von Proben im Wellenlängenbereich von 1.5 bis 5 µm auf. Dadurch kann auch die Erstarrungsfront bei sehr niedrigen Temperaturen von bis zu 0°C aufgezeichnet werden. Außerdem liefert die Kamera zusätzliche Informationen über die Temperaturverteilung in den festen und flüssigen Phasen der Probe. Dies ist für die Modellierung des Erstarrungsvorgangs bedeutsam. Der in der aktuellen Kampagne untersuchte Werkstoff Zinn ist unter anderem aufgrund der Anwendung als Bestandteil von Lot auch industriell von Interesse.