Die computergestützte Simulation von Gieß- und Erstarrungsprozessen zur Herstellung von metallischen Werkstoffen gewinnt in der industriellen Fertigung zunehmend an Bedeutung. Die Effizienz solcher Simulationen setzt ein detailliertes Verständnis der physikalischen Prozesse bei der Erstarrung von Metallschmelzen voraus. Der Erstarrungsprozess wird vor allem durch Wärme- und Stoffaustausch zwischen fester und flüssiger Phase kontrolliert. Dabei spielen auch Verformungsprozesse eine Rolle, die von dem Dichteunterschied zwischen dem festen und flüssigen Zustand her rühren. Durch die höhere Dichte des Festkörpers kommt es während der Erstarrung zu Schrumpfungsprozessen, wodurch Schmelze an der Fest-Flüssig-Grenze nachfließen muss. Diese schrumpfungsbedingten Flüssigkeitsströmungen beeinflussen wiederum den Wärme- und Stofftransport und damit den gesamten Erstarrungsvorgang.
Als ein Benchmark-Experiment soll beim Parabelflug die Verformung eines erstarrenden Schmelztropfens unter den idealen Bedingungen der Schwerelosigkeit untersucht werden. Wegen der fehlenden Schwerkraft hat die flüssige Probe anfänglich eine ideale Kugelgestalt, so dass die Deformation ausschließlich durch den Erstarrungsprozess bedingt ist. Außerdem sind schwerkraftbedingte Konvektionen in der Schmelze unterdrückt, die sonst die durch den Erstarrungs- und Schrumpfungsprozess angetriebenen Strömungen überlagern würden. In der Anlage TEMPUS wird eine flüssige Probe frei schwebend positioniert und mit Hilfe einer Kühlplatte gekühlt und erstarrt. Die Verformung des Tropfens wird dabei mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgezeichnet und die experimentellen Ergebnisse mit den Resultaten aus Computersimulationen verglichen. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen zur Überprüfung und Verbesserung von physikalischen Modellen von Erstarrungsvorgängen, die thermomechanische Verformungen und dadurch bedingte Flüssigkeitsströmungen einbeziehen. Letztendlich sollen mit Hilfe solcher Simulationen Gießverfahren in der Stahlindustrie optimiert werden. Um möglichst anwendungsnahe Ergebnisse zu erhalten, werden die Parabelflugexperimente an kommerziellen Stahllegierungen durchgeführt, die von unserem Industriepartner ArcelorMittal, Maizières lès Metz, Frankreich, zur Verfügung gestellt wurden.