Das Leben unter extremen Bedingungen ist begleitet von einer Vielzahl an Stressoren. Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen physiologischen Stressoren (zum Beispiel Schwerelosigkeit, fehlendes Sonnenlicht) und psychischen Stressoren (zum Beispiel Isolation). Aus einer Vielzahl von Studien der vergangenen Jahre sind die negativen Effekte von Stress auf die mentale Gesundheit und die kognitive Leistungsfähigkeit, beides Faktoren die für den Erfolg und die Sicherheit einer Langzeitmission von Bedeutung sind, bekannt. Nichtsdestotrotz bleiben viele Fragen bezüglich der Ursachen neurokognitiver Leistungsfähigkeit unbeantwortet, was sicherlich zum Großteil, zumindest aus neurophysiologischer Sicht, auf die Schwierigkeit der Nutzung bildgebender Verfahren unter solch extremen Bedingungen zurückzuführen ist. Darüberhinaus muss die Reliabilität und Validität bisheriger Testverfahren zur Erfassung (neuro-)kognitiver Prozesse im Zuge von Langzeitmissionen neu überdacht werden. Gegenwärtig tendiert man zur Entwicklung sogenannter eingebundener (embedded) und spielerischer Testverfahren, also Testverfahren, die in den Rahmen operationaler Anwendungen integriert werden und damit vor allem eine Zustimmung der untersuchten Crewmitglieder erhöhen.
Die Teilnahme an der Parabelflugkampagne des DLR ermöglicht die Erweiterung von Experimenten, die sich im Rahmen der experimentellen Möglichkeiten auf der ISS an den o.g. Vorgaben orientieren. In bisherigen Experimenten konnten wir zeigen, dass sowohl die kognitive Leistungsfähigkeit als auch die zugrundeliegende Neurophysiologie durch die Schwerelosigkeit positiv beeinflusst wird. In unseren Experimenten zeigten die Probanden sowohl eine verkürzte Reaktionszeit auf komplexe Aufgaben als auch eine geringere elektrokortikale Aktivität, die nötig ist um die entsprechenden Reaktionen auszulösen.
Ob dies an einer erhöhten Blutversorgung des Gehirns unter Schwerelosigkeit liegt oder gegebenenfalls, so lassen es zumindest Untersuchungen von Kollegen der Uni Hoffenheim an isolierten Nervenzellen vermuten, die Erregbarkeit der Zelle in Schwerelosigkeit geringer ist, soll dieses Experiment aufzeigen. Erneut werden Probanden unter 1.8 G, unter 1G als auch 0G Bedingungen eine komplexe Doppelaufgabe zu lösen haben. Parallel dazu wird die Hirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) und die Hirndurchblutung mittels Ultraschall gemessen. Die Verwendung und Weiterentwicklung aktueller Technologien, die es ermöglichen selbst unter extremen Umweltbedingungen neurokognitive Prozesse, als auch deren Abhängigkeit von Stress und adäquaten Gegenmaßnahmen abzubilden, werden es nicht nur ermöglichen die Auswirkungen von Stress auf die mentale Gesundheit besser zu verstehen und im Kontext der gegenwärtigen, gesamtgesellschaftlich hochrelevanten (pathologischen) neurokognitiven Forschung zu verorten, sondern auch adäquate Gegenmaßnahmen zu entwickeln, die zu einer Verbesserung der Sicherheit und des Erfolgs einer Langzeitmission beitragen können.