Bei der Wahrnehmung von Eigenbewegungen verarbeitet der Mensch unterschiedliche Reize, wobei den visuellen und vestibulären Reizen eine besondere Rolle innerhalb dieses multisensorischen Interaktionsprozesses zugeschrieben wird. Unser gesamtes Wahrnehmungssystem ist an das Leben auf der Erde angepasst bzw. an eine konstante Erdanziehungskraft von 1G. Doch mit Erforschung des Weltalls und anderer Monde / Planeten sind Astronauten bei bisherigen und zukünftigen Missionen veränderten Gravitationsbedingungen ausgesetzt (zum Beispiel Schwerelosigkeit oder reduzierter / erhöhter Gravitation). Daraus resultiert eine Störung des multisensorischen Interaktionsprozesses, so dass mithilfe von Anpassungsmechanismen schwerwiegende Probleme (zum Beispiel Orientierungsverlust oder Bewegungskrankheit) vermieden werden müssen. Im Hinblick auf die Erforschung und Entwicklung von geeigneten Gegenmaßnahmen bzgl. der angesprochenen Problematiken stellt sich die Frage „Können wir durch Modifizierung der visuellen Umgebung den Auswirkungen veränderter Gravitation entgegenwirken?“. Der Fokus des SMUG-Projekts liegt daher auf der Erforschung des Einflusses von visuellen Informationen auf die Wahrnehmung der Eigenbewegung während verschiedener transienter Gravitationsbedingungen.
Zur Durchführung der Experimente wird eine virtuelle Umgebung (VR) geschaffen, die mittels eines VR-Brille bzw. „head-mounted displays“ (HMD) dargestellt wird. In dieser VR-Umgebung werden gezielt Bewegungsreize (optischer Fluss) erzeugt, die dem Betrachter die Wahrnehmung von Eigenbewegung suggeriert. HMDs sind jedoch für den Gebrauch auf der Erde konzipiert und verfügen über Sensoren (ähnlich denen eines Mobiltelefons), die zur Orientierung des Bildschirms die Gravitation verwenden. Daher werden wir in der 34. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zunächst untersuchen, welche technischen Lösungen für die Hardware und Software erforderlich sind, um eine erfolgreiche Durchführung der Experimente sicherstellen zu können.
Die späteren Ergebnisse des Projekts werden es uns ermöglichen, ein Modell hinsichtlich des Einflusses von Gravitation auf die Verarbeitung visueller Informationen zu erstellen – ein Modell, anhand dessen auch die Wahrnehmung der Eigenbewegung von Astronauten in Schwerelosigkeit vorausgesagt werden kann. Zudem kann ein Vergleich unserer Daten mit denen anderer Projekte aus dem Konsortium Aufschluss über den Unterschied von kurzzeitiger Schwerelosigkeit (zum Beispiel Parabelflüge) und langfristiger Missionen (zum Beispiel auf der ISS) geben. Dies könnte ebenfalls als Grundlage für eine Bewertung des Nutzens von Parabelflügen als Vorbereitung bzw. Gegenmaßnahme für potentiell auftretende Probleme während langfristiger Missionen dienen.