Plasmen sind elektrisch geladene Gase, die beispielsweise in Leuchtstoffröhren verwendet werden. Komplexe Plasmen enthalten zusätzlich Partikel (Staubteilchen) von wenigen Mikrometern Größe. Diese Teilchen laden sich im Plasma negativ auf und bilden aufgrund ihrer elektrostatischen Wechselwirkung Flüssigkeits- und Kristall-ähnliche Strukturen aus. Da die Abstände der Partikel zueinander sehr groß sind (bis zu einem Millimeter), können sowohl die individuellen Teilchen, als auch die von ihnen gebildeten Strukturen mit dem bloßen Auge beobachtet oder mit einer Videokamera aufgezeichnet werden. Komplexe Plasmen sind daher einzigartige Modellsysteme, bei denen das Verhalten einzelner "Atome" bei physikalischen Vorgängen, wie etwa dem Schmelzen, Erstarren oder Durchlaufen einer Welle, direkt untersucht werden kann.
Von der Erforschung komplexer Plasmen erhofft man sich umfangreiche Einblicke nicht nur in die grundlegenden Fragen der Physik von Plasmen, Festkörpern und Flüssigkeiten, sondern auch in das Potential für technologische Anwendungen mikrometer- und nanometer-großer Partikel in der Industrie. Bei Laborversuchen auf der Erde drückt jedoch die Schwerkraft die Staubteilchen nach unten, so dass die Teilchenwolken vertikal gestaucht, also regelrecht flachgedrückt werden. Um die Kristallstruktur in ungestörtem Zustand untersuchen zu können, sind daher Experimente in Schwerelosigkeit unerlässlich.
Die Arbeitsgruppe Komplexe Plasmen des Instituts für Materialphysik im Weltraum (DLR) entwickelt im Rahmen des Projektes Ekoplasma eine neue Plasmakammer (Zyflex-Kammer), welche als Labor für die Internationale Raumstation ISS angedacht war, um dort den Wissenschaftlern für 4 Jahre als Forschungsplattform zur Verfügung zu stehen. Auf der ISS wird bereits seit 2001 in Kooperation mit dem russischen Institut für Hochenergiedichten in Moskau kontinuierlich mit verschiedenen Experimentaufbauten auf dem Gebiet komplexer Plasmen geforscht ("PKE-Nefedov": 2001 bis 2005, "PK-3 Plus": 2006 bis 2013, “PK-4”: seit 2014), jedoch ergeben sich immer wieder neue Fragestellungen, die mit dem neuen Labor beantwortet werden sollen. Beim Parabelflug spielt sowohl die Erprobung von technischen Lösungen im Hinblick auf den zukünftigen Experimentaufbau für die ISS eine Rolle, als auch die Untersuchung diverser wissenschaftlicher Fragestellungen. Die Wissenschaftler werden unter anderem Experimente mit gepulsten Plasmen durchführen. Diese Technik dient zur Steuerung der Plasmaparameter und damit der Ladung der ins Plasma eingebrachten Partikel. Über die Ladung wird die Wechselwirkung zwischen den Teilchen kontrolliert bzw. variiert, und die Teilchendynamik kann in Abhängigkeit der Ladung studiert werden. Mittels spezieller Puls-Modi können ausserdem in Schwerelosigkeit auch sehr homogene Teilchenverteilungen und grosse Systeme erzielt werden, wie auf einer früheren Kampagne entdeckt wurde. Die Untersuchung dieser homogenen Systeme ist ebenfalls Gegenstand einiger Experimente. Eine weitere Experimentserie befasst sich mit dem Mechanismus der Entstehung von selbstangeregten Wellen, die bei hoher Teilchendichte entstehen. Dafür wird die Wellenbildung durch Expansion und Kompression des Teilchensystems mittels Veränderung des Kammervolumens erzwungen (dies ist möglich durch die verfahrbaren Elektroden – eine der Besonderheiten der Zyflex-Plasmakammer). Die Ergebnisse dieser Kampagne versprechen fundamentale Einblicke in die physikalischen Prinzipien des Entstehungsmechanismus der Wellen auf atomarem Level.