Der russische Wiedereintrittssatellit
Mit den unbemannten FOTON- und BION-Kapseln erforschen Wissenschaftler die Auswirkungen von Weltraumbedingungen auf lebende Zellen und Organismen. Außerdem führen sie physikalische, materialwissenschaftliche und technische Untersuchungen durch. Die Bedingungen im All sind extrem: So sind die Experimente Schwerelosigkeit, Weltraum- und UV-Strahlung, Vakuum, Sonnenhitze und eisiger Kälte ausgesetzt. Etwa zwei Wochen dauert der Flug durchs All, bevor die Kapsel wieder in die Atmosphäre eintritt und am Fallschirm langsam zur Erde schwebt.
Entwickelt wurden die FOTON- Kapseln auf der Basis des Wostok-Raumschiffes, mit dem Jury Gagarin im Jahr 1961 in den Weltraum flog. Seit dem Erstflug 1985 sind 13 FOTON-Satelliten in den Orbit gestartet. BION- oder Biocosmos-Kapseln wurden auf Basis des Zenit Aufklärungssatelliten gebaut und ab 1973 zunächst zur Erforschung von Strahlungseffekten auf Tiere und Menschen, später auch für andere biologische Forschungsbereiche eingesetzt. Bisher sind 11 BION-Satelliten geflogen. Organisiert durch das deutsche Raumfahrtmanagement befinden sich seit FOTON-5 im Jahr 1989 kontinuierlich auch deutsche Experimente an Bord. Die europäische Raumfahrtmanagement ESA begann zwei Jahre später, sich an den Flügen zu beteiligen. Sie steuert inzwischen den größten Teil der wissenschaftlichen Nutzlast bei, ergänzt durch kleinere Geräte aus ihren Mitgliedsländern.
Foton- und Bion-Satelliten bestehen jeweils aus drei Teilen. Zwischen dem konisch auslaufenden Behälter mit den Kontroll- und Steuerungssystemen und dem zylindrischen Batteriebehälter befindet sich die kugelförmige Landekapsel. Nur sie kommt aus dem Weltraum zurück, der Rest des Satelliten verglüht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Der Durchmesser der Kapsel beträgt etwa. 2,4 Meter, das Volumen rund 4,5 Kubikmeter. Abhängig von Größe und Anforderungen bietet dies Raum für über 50 verschiedene Experimente.
Hinter einer ihrer zwei großen Luken ist der Landefallschirm montiert, durch die andere werden die wissenschaftlichen Geräte auf Rahmenstrukturen eingebaut. Im Inneren der Kapsel sind die Experimente Schwerelosigkeit und Weltraumstrahlung ausgesetzt. Ansonsten herrschen ähnliche Bedingungen wie auf der Erde: So beträgt der Luftdruck etwa ein Bar und die Temperatur liegt zwischen zehn und 30 Grad Celsius.
Experimente, die direkt der feindlichen Weltraumumgebung ausgesetzt werden sollen, werden außen auf der Kapsel angebracht, kleinere Proben, etwa für Tests von Materialien, auch in ihrem Hitzeschutzmantel. Auch auf dem Batteriebehälter können kleine Geräte befestigt werden, um sie während des Flugs auszusetzen.
Die Gesamtmasse der wissenschaftlichen Geräte darf bis zu 1.200 Kilogramm betragen. Maximal 800 Watt elektrischer Leistung stehen für die Nutzlast kontinuierlich zur Verfügung.
FOTON/BION-Kapseln und deren Sojus-Trägerrakete werden bei ZSKB Progress in Samara im Auftrag der russischen Raumfahrtagentur gefertigt. Dort wird auch die gesamte Nutzlast eingebaut. Ein Zug transportiert Rakete und Kapsel anschließend zum Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Wenige Stunden vor dem Start setzen Wissenschaftler dort noch die empfindlichen wissenschaftlichen Proben ein.
Der Satellit überträgt Experiment- und Systemkontroll-Daten beim Überflug der russischen Bodenstationen. Sogar ein interaktiver Experimentbetrieb ist für wenige Minuten pro Tag mit einer speziell dafür an Bord befindlichen Einrichtung der ESA während der Überflüge des Raumfahrtzentrums Esrange bei Kiruna in Schweden möglich.
Die Inklination der Flugbahn beträgt 63 Grad, die Flughöhe liegt zwischen 260 und 370 Kilometern. Während des Fluges herrscht weniger als ein Hunderttausendstel der Erdschwerkraft. Daher sind die Bedingungen für Experimente in Schwerelosigkeit besonders gut.
Das Landegebiet der Kapseln liegt im unbewohnten russisch-kasachischen Grenzgebiet. Nachdem sie am Fallschirm mit einer Geschwindigkeit von bis zu fünf Metern pro Sekunde aufgeschlagen ist, können biologische Experimente direkt am Landeplatz entnommen und versorgt werden.
Die Kapseln werden von einem Hubschrauber geborgen und nach Samara gebracht, wo auch die restlichen Versuchsapparaturen ausgebaut werden. Innerhalb von ein bis zwei Monaten erhalten alle Wissenschaftler ihre Experimente und Daten zur Auswertung zurück.