Am 29. und 30. Juni 2006 treffen sich hochrangige Experten aus dem In- und Ausland in Rottach-Egern am Tegernsee, um eines der wichtigsten Projekte der europäischen Satellitenkommunikation auf den Weg zu bringen: ARTES-11 (Advanced Research in Telecommunication Systems). Die Europäische Weltraumorganisation ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wollen mit diesem Vorhaben in Europa die Systemfähigkeit für kompakte Telekommunikationssatelliten etablieren. Damit wird die europäische Raumfahrtindustrie eine Führungsposition auf dem Weltmarkt für kleine geostationäre Kommunikationssatelliten einnehmen und der gegenwärtigen Dominanz der USA ein exzellentes europäisches Produkt entgegenstellen können. Die industrielle Projektführung wird in Deutschland liegen. Die Raumfahrt-Agentur des DLR und die ESA erwarten über 100 Fachleute aus acht europäischen Ländern zur Fachkonferenz. Satelliten- und Nutzlasthersteller, potenzielle Kunden und Nutzer, Raumfahrtagenturen sowie Markt-Analysten diskutieren vor Beginn der Entwicklungsphase ihre Ideen für das bestmögliche Satellitenkonzept.
Das Programm ARTES-11 - auch als "Little Geo" bezeichnet - schließt eine Lücke in der Angebotspalette europäischer Satellitenhersteller. Mit der Fertigstellung des Satellitenbusses und der Demonstration einer ersten Mission Ende 2009 kann Europa dann die gesamte Leistungsklasse von Kommunikationssatelliten zwischen 2 kW und 18 kW anbieten. Hauptauftragnehmer ist der deutsche Satellitenbauer OHB Technology aus Bremen. Mit diesem Schritt wird Deutschland im europäischen Kontext weiter attraktive Märkte in der Raumfahrt erschließen, wie dies bereits mit dem Navigationssystem Galileo und dem Erdbeobachtungsprogramm GMES begonnen wurde. Die deutsche Raumfahrt-Agentur wird die Fähigkeiten und das Know-how deutscher Firmen auch auf der Nutzlastseite der Satelliten stärken. Sie unterstützt daher die Entwicklung innovativer Satellitennutzlasten im Bereich Sendeverstärker, Empfänger und Antennen.
Unabhängige Marktanalysen haben den Bedarf an einem solchen Produkt nachdrücklich bestätigt. Insbesondere der Bedarf an geostationären Satelliten der Gewichtsklasse um 300 Kilogramm Nutzlast wird in den nächsten Jahren stark ansteigen. Die Analysten sehen einen Markt von 3 bis 5 dieser Satelliten pro Jahr. Mit dem von ESA und DLR durchgeführten Programm wird die europäische Industrie von dieser Entwicklung profitieren.
Auf der Konferenz in Rottach-Egern wird das Satellitenkonzept des von OHB geführten Konsortiums aus der Swedish Space Corporation, der Schweizer Firma Contraves und der Luxemburger Fa. LUXSpace beraten. Die Vertreter sowohl der Raumfahrtindustrie als auch der Anbieter von Satellitendienstleistungen werden ihre Vorstellungen zum neuen europäischen High-Tech-Produkt definieren. Das Konzept ist bereits auf großes Interesse der Satellitenbetreiber SES Astra, Hispasat, Avanti und Telenor sowie der europäischen Organisation für Satellitenkommunikation, EUTELSAT, gestoßen. Weitere Satellitenbetreiber haben ebenfalls Interesse an dem kompakten geostationären Satelliten bekundet.
Der neue, in Serie hergestellte Satellit besitzt, bezogen auf sein Gesamtgewicht von etwa 1,5 Tonnen, einen höheren Nutzlastanteil als die Angebote der Konkurrenz. Die elektrische Leistung beträgt hierbei etwa 3 kW. Satellitenbetreiber werden mit diesem Satelliten eine größere Anzahl von Diensten anbieten können. Zudem ermöglicht die kurze Produktionszeit von etwa 15 Monaten, die erhöhte Zuverlässigkeit und eine hohe Satellitenlebensdauer von bis zu 15 Jahren ein effektives Wirtschaften. Für den Endkunden wird dies in einem größeren Angebot und geringeren Kosten resultieren. Aufgrund des flexiblen Konzeptes zur Aufnahme der jeweils neuesten Technologie in den Satellitenbus, angepasst an die Kundenwünsche, wird sich "Little Geo" schnell auf dem Weltmarkt etablieren können. Ziel von ESA und DLR ist es, für den Bau ausschließlich in Europa gefertigte und wettbewerbsfähige Hardware zu benutzen, um ein Produkt mit dem Gütesiegel "Made in Europe" zu entwickeln.
Die Finanzierung der ersten Programmphase wurde auf dem ESA-Ministerrat in Berlin Ende 2005 gesichert, das innovative Satellitenkonzept kann jetzt beauftragt werden. Deutschland übernimmt für die erste Phase etwa 40 Prozent der Kosten. Hiermit unterstreicht die Bundesregierung den deutschen Führungsanspruch für Satellitenbus und Nutzlast. Die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 100 Millionen Euro.