Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die EADS Astrium GmbH haben sich auf ein neuartiges Kooperationsmodell zur Realisierung des Erderkundungssatelliten geeinigt. Damit wurde erstmals in Deutschland ein Raumfahrtprojekt der Erdbeobachtung in öffentlich-privater Partnerschaft unter erheblicher finanzieller Beteiligung der Industrie realisiert.
Das Funktionsprinzip der SAR-Technologie
Dieses Projekt ist der vorläufige Höhepunkt einer langen und erfolgreichen wissenschaftlich-technologischen Entwicklung in Deutschland, die bereits Ende der 70er Jahre begann. In dieser Zeit wurden die ersten Überlegungen für einen Radarsensor angestellt, der auf dem Prinzip der synthetischen Apertur beruht: Bei einem Synthetik Apertur Radar (SAR) wird die Erdoberfläche mit kurzen, von einer Radarantenne abgestrahlten Pulsen, "beleuchtet". Der Radarpuls wird von der Erdoberfläche reflektiert und das sog. Radarecho, wiederum von der Antenne empfangen und aufgezeichnet.
Da die Radarimpulse nicht senkrecht nach unten, sondern schräg zur Erdoberfläche abgestrahlt werden, können weiter vom Radar entfernt liegende Punkte durch Laufzeitmessungen von nahen Punkten unterschieden werden, denn das Radarsignal benötigt auf seinem Weg von der Antenne zum Zielpunkt und zurück für die größere Entfernung mehr Zeit. Um eine hohe räumliche Auflösung zu erzielen, wird ein technischer Trick angewendet: Der Satellit mit dem SAR-Instrument bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit über die Erdoberfläche. Während des Überfluges werden die Echos vieler abgestrahlter Radarpulse aufsummiert. Dieses kommt fiktiv einer sehr großen Radarantenne gleich (synthetische Apertur), in Abhängigkeit von der in dieser Zeit zurückgelegten Entfernung. Mit diesem Verfahren wird die räumliche Auflösung in Flugrichtung erhöht, da diese von der Antennegröße abhängt.
Dieses in Kooperation mit Italien und den USA für zwei Shuttle Radar Lab Missionen in 1994 entwickelte X-SAR (X-Band Synthetic Apertur Radar) Instrument absolvierte im April und September 1994 zwei äußerst erfolgreiche, zehntägige Missionen auf dem Space Shuttle und diente, zusammen mit dem SIR-C Radarinstrument der NASA, insbesondere der Gewinnung mehrfrequenter, also gleichsam "farbiger" Radaraufnahmen. Die X-SAR/SIR-C Missionen waren für das DLR der Einstieg in die Untersuchung der vielfältigen Möglichkeiten der Informationsgewinnung aus Radardaten und legten den Grundstein für die technologische Kompetenz Deutschlands in den Bereichen SAR-Instrumententwicklung sowie Radardatenprozessierung und -auswertung.
Nach der erfolgreichen Beendigung der X-SAR Missionen wurde das Radarinstrument zu einem Interferometer umgebaut und im Februar 2000 nochmals in Zusammenarbeit mit der NASA bei der Shuttle Radar Topographie Mission (SRTM) eingesetzt. Während dieser Aufsehen erregenden Mission wurden gleichsam mittels eines "Stereoblicks", realisiert mit Hilfe eines 60 Meter langen ausfahrbaren Mastes mit einer zweiten Radarantenne, topographische Daten nahezu der gesamten Erdoberfläche aufgenommen.
TerraSAR-X: Die neue Technologie
Noch während die X-SAR und SRTM Missionen durchgeführt wurden, hat das DLR mit erheblichem finanziellen Aufwand Radartechnologien der nächsten Generation voran getrieben. Dazu gehörte insbesondere auch ein moderner Antennendemonstrator neuester Technologie, der nun die Verwirklichung des TerraSAR-X Sensors ermöglicht. Mit Hilfe dieser Technologie ist es nun möglich, einen fortschrittlichen Radarsensor zu konstruieren, der die Einstellung verschiedener Aufnahmemoden erlaubt und daher flexibel einsetzbar ist. Dazu gehört die Erfassung von Daten mit hoher geometrischer Auflösung, das heißt weniger als einem Meter, bis zur Aufnahme großer Gebiete mit etwa 100 Kilometer Streifenbreite bei geringerer Auflösung. Und all dies - ein prinzipieller Vorteil der Radartechnik - unabhängig von Tageszeit und Wetterlage. Die Sensoreigenschaften von TerraSAR-X lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Wissenschaftliche, hoheitliche und kommerzielle Nutzung
Handelte es sich bei den X-SAR- und SRTM-Missionen noch um kurze, zehntägige Missionen mit Experimentcharakter, so wurde mit TerraSAR-X nun ein operationeller Satellit gebaut, der mindestens fünf Jahre lang Informationen über die Erdoberfläche liefern wird. Derartige Daten und daraus abgeleitete Produkte lassen sich für eine Fülle wissenschaftlicher wie auch kommerzieller Anwendungen nutzen. Das TerraSAR-X-Projekt wird von einer breiten wissenschaftlichen Gemeinde in Deutschland unterstützt.
Der Satellit stellt der Wissenschaft einmalige Datensätze zur Entwicklung von neuen Anwendungsfeldern und Verfahren zur Verfügung, so für die geowissenschaftliche Forschung, wie etwa für die Physik der festen Erde bei der Beobachtung kleinster Verschiebungen an der Erdoberfläche (Plattentektonik, Vulkanismus, Erdbeben), für die Hydrologie bei der Modellierung von Niederschlags-Abflussgebieten, für die Klimaforschung durch die Erfassung der globalen Biomasse sowie Änderungen der Mächtigkeit der polaren Eiskappen und für die Ozeanographie.
Aber auch für die öffentlichen Belange sowie zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben sind die Datenprodukte des Satelliten von großem Nutzen: für die Umweltüberwachung, zum Beispiel durch wichtige Beiträge zum GMES-Programm der EU, für den Luftverkehr sowie für mobile Telekommunikationsdienste durch die Bereitstellung digitaler Geländemodelle, für die Regionalplanung durch die Bereitstellung großmaßstäblicher Topographischer Karten, für den Katastrophenschutz sowie zur Aufklärung mittels räumlich hochauflösender, von Wetter und Tageslicht unabhängiger SAR-Daten.
Heute werden neben der wissenschaftlichen Nutzung zunehmend auch Fernerkundungsdaten und daraus erzeugte Informationsprodukte für verschiedene privatwirtschaftliche Anwendungen genutzt. Die EADS Astrium GmbH hat für die qualitativ hochwertigen TerraSAR-X-Daten ein attraktives Marktpotenzial identifiziert. Im Rahmen einer von der Industrie finanzierten, detaillierten Marktuntersuchung, die unter industrieller Eigenmittelbeteiligung in einer Größenordnung von 20 Millionen Euro durchgeführt wurde, entstand ein belastbarer Geschäftsplan, der in bislang einzigartiger Tiefe eine detaillierte Analyse des Kommerzialisierungspotenzials für Geo-Informationsprodukte aus Erdbeobachtungsdaten unter Berücksichtigung der Anforderungen des Marktes, von konkreten Markt- und Produktentwicklungsstrategien, sowie von möglichen Risiken beinhaltet.
Die Infoterra GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von EADS Astrium, übernimmt als Geoinformationsdienst der nächsten Generation die kommerzielle Vermarktung von aus TerraSAR-X-Daten abgeleiteten Geoinformationsprodukten und -diensten für hoheitliche und privatwirtschaftliche Kunden weltweit in den Kernanwendungsbereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Kartografie, Exploration von Bodenschätzen, Risikomanagement, Sicherheit und Umweltüberwachung. Infoterra kann damit auch einen wesentlichen Beitrag für hoheitliche Aufgabenstellungen wie etwa der EU leisten.
Die Partnerschaft
Aufgrund dieses wissenschaftlichen wie auch kommerziellen Potentials des TerraSAR-X-Satelliten haben sich das DLR und die EADS Astrium GmbH auf eine gemeinsame Realisierung des Satelliten verständigt. Ziel ist die Kooperation gleichberechtigter Partner, in denen jeder einen ausgewogenen Beitrag leistet, um durch das gemeinsame Projekt einen eigenen Bedarf zu befriedigen. Dieser Ansatz geht in wesentlichen Elementen über die bisher genutzten Möglichkeiten der Auftragsvergabe hinaus und beruht auf partnerschaftlichem Projektmanagement. Beide Seiten bringen aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen Ressourcen ein, führen das Projekt gemeinsam durch und nutzen die Ergebnisse. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass sich durch dieses Vorgehen zugleich die Ziele der Wissenschaft erfüllen lassen und parallel die industrielle Vermarktung unterstützt wird.
Basis dieses Modells bildet ein Kooperationsvertrag, den DLR und die EADS Astrium GmbH am 25. März 2002 unterzeichnet haben. In Rahmen der vereinbarten Partnerschaft erhielt die EADS Astrium GmbH einen Auftrag des DLR für Entwicklung, Bau und Start des Satelliten. Das DLR übernahm den Aufbau eines Satellitenbetriebssystems sowie des Nutzlastbodensegmentes für den Empfang der Radardaten sowie deren Prozessierung, Archivierung und Verteilung. Das DLR ist außerdem verantwortlich für den fünfjährigen Betrieb des Satelliten. Astrium verpflichtete sich zum Aufbau eines Vertriebssystems und zur Kommerzialisierung der TerraSAR-X-Daten und Produkte durch die Infoterra GmbH. Bei Erreichung der heute vorhersehbaren Geschäftsentwicklung wird die Astrium GmbH nach Ablauf der Lebensdauer des Satelliten ein Nachfolgesystem finanzieren und so die Nachhaltigkeit des Geschäftes sichern.
Gegen Gewährung der exklusiven, kommerziellen Nutzungsrechte für die TerraSAR-X-Daten hat sich die EADS Astrium GmbH mit 27,7 Millionen Euro (von insgesamt 130 Millionen Euro) an den Entwicklungskosten des Satelliten beteiligt. Darüber hinaus beteiligt sich EADS Astrium in der Betriebsphase umsatzabhängig an den Satellitenbetriebskosten des DLR und investiert erhebliche Beträge in den Aufbau des Vertriebssystems und die Vermarktung der Satellitendaten und Produkte. Die wissenschaftlichen Nutzungsrechte an den TerraSAR-X- Daten verbleiben beim DLR.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit TerraSAR-X erstmals in Deutschland ein Raumfahrtprojekt in öffentlich-privater Partnerschaft unter erheblicher finanzieller Beteiligung der Industrie realisiert wurde. Damit wird eine Projektinvestition gesichert, die ansonsten derzeit nicht finanzierbar wäre und welche ein großes Potenzial für die wissenschaftliche Nutzung von SAR-Daten eröffnet und gleichzeitig einen Meilenstein für die nachhaltige Kommerzialisierung von Erdbeobachtungsdaten beinhaltet.