Eine dichte Wolkenschicht hüllt die Venus in einer Höhe von 45 bis 70 Kilometern ein. Diese Wolken bestehen aus feinsten, nur wenige tausendstel Millimeter großen Tröpfchen aus Schwefelsäure und anderen, noch immer unbekannten Aerosolen, die jeden Blick auf die Oberfläche des Planeten verhindern. Die Wolken bewegen sich extrem schnell und zeigen rasche regionale Veränderungen im Wettergeschehen der Venus an. Zur Beobachtung dieser Wetterwechsel in der immer noch rätselhaften Atmosphäre befindet sich auf der Sonde Venus Express die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mitentwickelte Venus Monitoring Camera (VMC). Ein Team von Planetenforschern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) analysierte nun aktuelle Bilder der Wolkenstrukturen und entdeckte neue Details in verschiedenen Zonen der Venussüdhalbkugel.
Die VMC wurde gemeinsam vom MPS, dem DLR-Institut für Planetenforschung und dem Braunschweiger Institut für Datentechnik (IDA) für die Venus Express-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) entwickelt. Die Kamera ist in der Lage, über längere Zeiträume das Wettergeschehen auf der Venus in Wellenlängen des sichtbaren Lichts, des nahen Infrarots und im UV-Licht zu beobachten. Venus Express befindet sich seit dem 11. April 2006 in einer Umlaufbahn um unseren Nachbarplaneten und beobachtet die Atmosphäre, Teile der Oberfläche und die planetare Umgebung der Venus mit sieben Experimenten. Die VMC-Bilder werden nach ihrem Empfang durch das Europäische Weltraum-Kontrollzentrum in Darmstadt zunächst am IDA und dann am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin für die wissenschaftliche Auswertung vorbereitet und dem VMC-Team zur Verfügung gestellt.
Ähnlichkeiten aber auch große Unterschiede zur Erdatmosphäre
Bilder früherer Missionen der Venus-Atmosphäre haben gezeigt, dass die Wolken zum Teil eine gewisse Ähnlichkeit mit dünnem Nebel auf der Erde haben - doch ihre große vertikale Ausdehnung über dutzende von Kilometern machen diese Nebel zu einem für gewöhnliche Kameras undurchdringlichen Wolkenschleier. Die Venus Monitoring Camera beobachtet im sichtbaren Licht und in Wellenlängen des nahen Infrarots und des UV-Lichts kontinuierlich die oberste Schicht dieses Wolkenschleiers, der bis in etwa 70 Kilometer Höhe über die heiße, steinige Oberfläche der Venus reicht. Insbesondere die Aufnahmen durch den Ultraviolett-Filter bei 365 Nanometern Wellenlänge haben eine Vielzahl von bisher unbekannten Details in den regionalen und großräumigen Strukturen enthüllt.
Die VMC konnte anhand der unterschiedlichen Konzentration von Aerosolen die verschiedenen Zonen der obersten Wolkendecke sichtbar machen. Aerosole sind feinste Staubpartikel oder Tröpfchen in einer gasförmigen Umgebung. Die Aerosole in der obersten Venusatmosphäre absorbieren das UV-Licht der Sonne unterschiedlich - dies kann die VMC in ihren Aufnahmen festhalten.
Frische Schwefelsäurewolken am Äquator und ein "Wolkenhütchen" am Südpol
Dabei verändert sich beispielsweise auf der Südhalbkugel der Anblick des Wolkenschleiers vom Äquator in Richtung des Südpols dramatisch. Nahe dem Äquator ist die Wolkendecke noch kleinräumig unterteilt und zeigt ein gesprenkeltes Antlitz. Das deutet darauf hin, dass die Dynamik der Atmosphäre hier durch vertikale Bewegungen gekennzeichnet ist: Gasmassen in tieferen Schichten werden durch die eingestrahlte Sonnenenergie und den auf der Venus sehr massiven Treibhauseffekt erwärmt, steigen auf und breiten sich dann an der Wolkenoberfläche horizontal aus. Diese so genannten Konvektionsströmungen können mit aufquellendem Wasser in einem heißen Kochtopf verglichen werden. Die hellen Sprenkel auf der dunkleren Wolkenoberfläche werden von frischen Schwefelsäuretröpfchen gebildet.
In Richtung der mittleren Breiten verändert sich das Bild. Das fleckige Muster wird immer mehr von länglichen, streifenförmigen Wolken abgelöst. Das deutet darauf hin, dass hier die Dynamik der Konvektionszellen schwächer wird. Dies hat seine Ursache vermutlich darin, dass die Menge absorbierter Sonnenenergie geringer wird. Und in der Nähe des Südpols verändert sich der Anblick der Wolkenoberseite ein weiteres Mal: Die Atmosphäre zeigt sich hier fast ohne Struktur, beinahe so, als ob die hellen Wolken eine Art "atmosphärischer Polkappe" bilden würden.
In dieser weißen, strukturlosen Wolkenkappe fällt ein dunkles, geschwungenes Wolkenband auf, das sich parallel zu einem hohen Breitengrad um den Südpol erstreckt - solche dunklen Streifen sind von früheren Aufnahmen bekannt und scheinen atmosphärische Zellen zu sein, die aus tieferen Schichten oder niedereren Breiten in die polaren Wolkendecke gelangen und dort mit den vorherrschenden Winden spiralförmig in Richtung des Südpols wandern. Bilder der VMC von der nördlichen Hemisphäre des Planeten, die wegen des elliptischen Orbits der Raumsonde allerdings eine geringere Auflösung haben, zeigen ähnliche Zonen der Atmosphäre auf der Nordhalbkugel. Die Wissenschaftler vermuten deshalb, dass die atmosphärischen Phänomene auf den beiden Hemisphären der Venus zu einem hohen Grad symmetrisch sind.
Venus Express und die Venus Monitoring Camera werden die atmosphärischen Phänomene des Schwesterplaneten der Erde zunächst noch bis zum Ende der ersten Missionsverlängerung im Mai 2009 beobachten. Auf Vorschlag der Wissenschaftler, die mit den im bisherigen Missionsverlauf erzielten Ergebnissen hochzufrieden sind, erwägt die ESA jedoch eine zweite Verlängerung der Mission.