Von Manuela Braun
Im Kontrollraum 2 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist für zwei Tage lang bereits Oktober 2010 - die Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X überfliegen die Erde im Formationsflug und zeichnen kontinuierlich Daten auf. Die simulierten Orbits, die die beiden Satelliten in Realität erst im Herbst fliegen werden, sollen die Mitarbeiter in Oberpfaffenhofen auf den Routinebetrieb vorbereiten. Neonorange leuchten die kleinen Tafeln mit Buchstabenkombinationen über den Konsolen im abgedunkelten Raum 2. Unter dem Schild "CMD CTRL1" blickt B.T. Yugar konzentriert auf die drei Bildschirme mit Zahlenkolonnen und Abkürzungen. B.T. heißt eigentlich Bernhard, aber so nennt den Amerikaner hier niemand.
Strikte Hierarchie bei allen Arbeiten im Kontrollraum
Yugar ist der "CMD CTRL", der Command Control der Mission, und somit die Schnittstelle zwischen dem Command Operator, der die Befehle an den Satelliten schickt, und dem Flight Operations Manager, der alle Kommandos genehmigen muss. Die Hierarchie im Kontrollraum ist strikt. "Kannst Du bitte noch diesen Befehl abzeichnen?" B.T. blickt zu Projektleiter Harald Hofmann. Der öffnet am Bildschirm ein Fenster, liest und fügt dann seinen Namen ein. Erst jetzt darf der "CMD" auf den OK-Knopf drücken und dem Satelliten diesen Befehl ins Weltall senden. "Früher lief ein 'Runner' mit Papier von Platz zu Platz und übermittelte die Befehle", sagt Hofmann grinsend. Heute funktioniert fast alles vom Terminal aus. Englische Fragen, Kommentare auf Bayerisch und ab und an eine Mischung von beidem tönt dabei durch den Kontrollraum. Die Steuerung von Satelliten ist Teamarbeit - jeder ist Experte in seinem Bereich. "Man entwickelt untereinander ein großes Vertrauen", sagt B.T.
Auf den riesigen Leinwänden und auf den Bildschirmen des Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrums steht Zahlenkolonne neben Zahlenkolonne. 25.000 Parameter von der Batterietemperatur bis zum Rauschverhältnis der Antenne senden die Satelliten bei jedem Kontakt zur Erde. Über je 1400 festgelegte Kommandoabfolgen gibt es, die den Flug von TanDEM-X und TerraSAR-X steuern. Wenn Zwillingssatellit TanDEM-X am 21. Juni startet, wird der Kontrollraum vollgepackt mit Team-Mitgliedern sein. "An fast jeder der 22 Konsolen sitzen dann zwei Mitarbeiter", sagt Hofmann. Fünf Tage in Folge wird während der "Launch and early orbit phase" in Zwölf-Stunden-Schichten gearbeitet. Harald Hofmann und Michael Steinhoff schieben dann abwechselnd als Mission Operation Director Dienst, als Flight Operations Manager sind Edith Maurer und Steffen Zimmermann im Einsatz. Wie man zu so einem Job kommt? "Na ja", Harald Hofmann zuckt mit den Schultern. "Wenn man schon immer Science Fiction mochte und dann Physik studiert…"
Spannung vor dem Kontakt zum Satellitenpaar
Im Kontrollraum steigt die Spannung wieder an: Gleich werden die Satelliten wieder Kontakt zu einer der Bodenstationen haben. Nur insgesamt 30 bis 60 Minuten am Tag überfliegt das Satellitenpaar eine der Stationen, unter anderem in Neustrelitz, Weilheim, Spitzbergen, der Antarktis oder in Kanada. "Das ist die einzige Zeit, in der wir Statusdaten erhalten und Kommandos nach oben schicken können", sagt Projektleiter Hofmann. Auf einer der großen Leinwände im Raum wandert ein roter Strich auf einem Diagramm kontinuierlich voran. Erreicht er einen der eingezeichneten roten Balken, bedeutet dies den virtuellen Kontakt - und für das Team vor allem eines: Die Satelliten müssen in der kurzen Kontaktzeit von jeweils wenigen Minuten alle Befehle erhalten, die für die Zeit ohne Kontakt notwendig sind. "Alles muss gut vorbereitet sein", sagt B.T. Die Verbindung zu den Satelliten, das sei die intensive Zeit. "Der Moment des Kontakts ist etwas komplett anderes als die Phasen, in denen wir planen."
Auch wenn der Radarsatellit TerraSAR-X schon seit 2007 erfolgreich im All betrieben wird - der gemeinsame Betrieb von TerraSAR-X und TanDEM-X ist für die Wissenschaftler etwas ganz Besonderes: Keine Satellitenformation wurde bisher so dicht aneinander herangeführt. In einem Abstand von teilweise nur 200 Metern werden die Radarsatelliten durch das Weltall fliegen und aus etwa 500 Kilometern Höhe Daten für ein dreidimensionales Abbild der Erde aufzeichnen. Selbst wenn das Team bereits Erfahrung mit dem Radar-Satelliten TerraSAR-X sammeln konnte: "Wir müssen trotzdem trainieren, um mit der Kontrolle von zwei Satelliten gleichzeitig zurechtzukommen", betont Hofmann. Später im Routinebetrieb wird dann nur noch eine kleine Besetzung rund um die Uhr die Satelliten vom Kontrollraum aus im Blick behalten.
"It’s actually very fun"
B.T. setzt sich wieder die Kopfhörer auf. Der Kontakt zu den Satelliten steht kurz bevor. Die Kaffeetasse wird zur Seite geschoben. Ab jetzt hat der Amerikaner nur noch Augen und Ohren für zwei Radarsatelliten im Weltall. Wenn der Erdbeobachtungssatellit TanDEM-X ganz real ins Weltall startet, wird er morgens um 4 Uhr wieder an seiner Konsole sitzen. Zwölf Stunden überwacht er dann mit dem Team die beiden Satelliten. "Es wird eine sehr aufregende Zeit." Dann zögert er, überlegt einen Moment, grinst und sagt: "It’s actually very fun."