Die Entwicklung von leistungsstarken und kompakten Mikrofokus-Röntgenröhren sowie Fortschritte in der Detektortechnologie ermöglichen die Abbildung bzw. Untersuchung von materialphysikalischen Prozessen in-situ, also während des Experiments. Was bisher nur durch die viel leistungsstärkere Synchrotron-Strahlung möglich war, kann mittlerweile auch im Labor oder sogar unter reduzierter Schwerkraft, also auf Höhenforschungsraketen und auf Parabelflügen untersucht werden.
Für Parabelflüge wurde eine kompakte multifunktionale Röntgenanlage mit dem Namen X-RISE entwickelt. Diese Anlage ist modular aufgebaut, und besitzt einen universell nutzbaren Experimenteinschub. Zwei Detektoren mit unterschiedlichen Spezifikationen stehen für die bisher geplanten Anwendungen zur Verfügung. Für die erste Parabelflugkampagne sind die folgenden drei materialwissenschaftlichen Experimente ausgewählt, die dieses Malradiographische untersucht werden. Die grundsätzlich ebenfalls möglichen Tomographieuntersuchungen (also die dreidimensionale Aufnahme Proben) sind an den ausgewählten Proben dieses Mal nicht sinnvoll.
Die Experimente:
i) Erstarrungs-Phänomene in Metallen: Mit Hilfe eines Gradienten-Ofens wird die Erstarrungsgeschwindigkeit in einer quasi zweidimensionalen metallischen Legierung (Dicke ~150µm) kontrolliert. Der Erstarrungsvorgang wird mittels Röntgenstrahlung vergrößert abgebildet. Das Erstarrungsverhalten soll in Abhängigkeit unterschiedlicher Wachstumsgeschwindigkeiten sowie in Abhängigkeit der Gravitationsbedingungen während eines Parabelflugs untersucht werden. Solche Untersuchungen waren bisher oft nur an transparenten Modelsystemen möglich. Die gewonnenen Daten und Parameter werden zur Erstarrungssimulation bzw. zur Verbesserung industrieller Gießprozesse benötigt.
ii) Diffusion: Eine am Institut entwickelte kompakte linear-operierende Scherzelle ermöglicht das gleichzeitige Beobachten von Diffusionsprozessen mittels Röntgenradiographie an sechs unterschiedlichen Proben. Hier soll der Einfluss der der periodisch wechselnden Gravitationsbedingungen, die während eines Parabelfluges auftreten, untersucht werden. Die experimentell bestimmten Diffusionskoeffizienten werden ebenfalls für Computersimulationen benötigt.
iii) Granulare Materie: Das Verhalten von granularer Materie bezüglich Segregation und Scherdynamik soll mittels Radiographie untersucht werden. Die Methodik ermöglicht, die Prozesse im „Vollmaterial“ - also nicht nur an der Oberfläche - zu untersuchen. Die Ergebnisse tragen zum fundamentalen Verständnis des Verhaltens, der Handhabung und Bearbeitung von Granulaten bei.