Europäische Mission Venus Express soll am 11. April 2006 in die Venus-Umlaufbahn einschwenken
Köln/Lampoldshausen - Seit 153 Tagen rast die europäische Sonde Venus Express mit einer Geschwindigkeit von rund 29.000 Kilometer pro Stunde auf unseren Nachbarplaneten Venus zu. Am 9. November 2005 um 04:33 Uhr MEZ vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan an Bord einer Sojus-Trägerrakete gestartet, hat sie rund 400 Millionen Kilometer zurückgelegt, bevor sie am 11. April um 9.19 Uhr MESZ eins der wichtigsten Manöver absolvieren wird: Dann muss sie ihre Geschwindigkeit um 1.310 Meter pro Sekunde (= 4.716 Kilometer pro Stunde) reduzieren, um in die anvisierte Venus-Umlaufbahn einzuschwenken. Dieses Bremsmanöver ist für die Mission von entscheidender Bedeutung: das Einschwenkmanöver in die Umlaufbahn erfolgt mit dem einzigen Haupttriebwerk der Raumsonde, das kaum größer als ein Schuhkarton ist. Das Triebwerk, das bereits Mitte 2003 beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen bei Heilbronn erfolgreich getestet wurde, entwickelt bei diesem Manöver einen Schub von bis zu 400 Newton (N), was umgerechnet etwa einer Leistung von 850 PS entspricht. Das Triebwerk wird am 11. April 2006 für insgesamt 51 Minuten gezündet, um in die Venus-Umlaufbahn einzuschwenken.
DLR in Lampoldshausen testete bereits 2003 das Haupttriebwerk der Venus-Sonde
Alle Triebwerke von Raumfahrzeugen und Sonden, die im Vakuum des Weltraums gezündet werden und nach einer solch langen Flugzeit reibungslos funktionieren müssen, werden vorher intensiv getestet. Lange bevor sich das Haupttriebwerk der Sonde Venus Express der wichtigen Bewährungsprobe im Weltraum bei Ankunft an der Venus stellen muss, kam es auf einen der Triebwerks-Prüfstände des DLR. Bereits im Juni 2003 haben Mitarbeiter des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen in einem Abnahmetest die Funktionsfähigkeit unter Vakuumbedingungen sowie die Wiederzündbarkeit des Triebwerks mit einer Betriebsdauer von rund 20 Minuten erfolgreich erprobt. Dieser Test am Prüfstand P1.0 des DLR-Standortes Lampoldshausen erfolgte im Auftrag von EADS Space Transportation, die die Triebwerke für Venus Express gebaut hat.
DLR-Höhensimulationsanlage für realistische Triebwerkstests im Vakuum
Eine wichtige Voraussetzung für einen realistischen Triebwerkstest ist die exakte Simulation der im Weltraum existierenden Bedingungen wie Kälte und insbesondere Vakuum, denn Triebwerke von Weltraum-Sonden werden bei sehr geringem Umgebungsdruck gezündet. Diese im Weltraum vorherrschenden, extrem geringen Druckverhältnisse werden am Prüfstand P1.0 in Lampoldshausen nachgebildet.
Die Höhensimulationsanlage muss dafür während der gesamten Versuchsdauer von maximal zwei Stunden kontinuierlich einen Druck von wenigen Millibar aufrecht erhalten. Der hochenergetische Dampf, der im so genannten Raketendampferzeuger produziert wird, wird dabei über die Ejektordüsen so in das Leitrohrsystem eingebracht, dass die Gase wie Strahlpumpen wirken und in der Höhenkammer für Vakuumbedingungen sorgen. Das System wird hierbei mit 10 Kilogramm Dampf pro Sekunde versorgt. Das Triebwerk wird mit Distickstofftetroxid (N2O4) und Monomethylhydrazin (MMH) betrieben. Es handelt sich hierbei um lagerfähige Stoffe, die hypergol reagieren, d.h. sie entzünden sich beim Zusammentreffen selbstständig. Das Triebwerk, kaum größer als ein Schuhkarton, entwickelt dabei einen Schub von bis zu 400 Newton und zerrt mit umgerechnet etwa 850 PS an seinen Verankerungen - Kräfte, die beim Versuch am Prüfstand unter Kontrolle gehalten werden müssen.
Darüber hinaus führt das DLR in Lampoldshausen im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA an Großprüfständen ausgiebige Triebwerkserprobungen der Trägerrakete Ariane 5 durch. Im Betrieb und in der Errichtung von Höhensimulationsanlagen besitzt das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe in Europa eine einmalige Kompetenz.
Erste erfolgreiche Test-Abbremsung bereits am 17. Februar 2006 erfolgt
Genau 100 Tage nach dem Start der ESA-Sonde Venus Express fand bereits am 17. Februar 2006 - während der so genannten "Cruise Phase" - eine Testzündung von drei Sekunden des Haupttriebwerks statt. Diese Zündung verlief erfolgreich, und sie reduzierte die Geschwindigkeit der Sonde schon damals um drei Meter pro Sekunde. Anfang März 2006 passierte Venus Express erstmals die Bahn der Venus. Im Augenblick nähert sie sich dem Planeten innerhalb seiner Umlaufbahn.
Langsame Annäherung an den heißen Planeten Venus
Nach der erfolgten Zündung des Haupttriebwerks am 11. April 2006 wird der so genannte Initialorbit von Venus Express hochelliptisch sein - mit der größten Annäherung (Perizentrum) in circa 250 Kilometer Höhe und der weitesten Entfernung (Apozentrum) in rund 220.000 Kilometer über der Venus. Nach fünf Tagen wird am 16. April 2006 das Haupttriebwerk im Perizentrum noch einmal gezündet, um das Apozentrum auf 66.000 Kilometer abzusenken. Nach weiteren Zündungen wird schließlich ein 24-stündiger polarer Orbit um die Venus erreicht. Die Dauer des Orbits wurde so gewählt, um die Bedienung der Sonde und der Experimente von der Erde aus zu erleichtern. Wenn Venus Express den festen Orbit um die Venus erreicht hat, sind nur noch acht kleine Lageregelungs-Triebwerke von jeweils 10 Newton Schub für die Feinsteuerung der Sonde verantwortlich.