Die schmale Mondsichel steht noch über dem Horizont. Zahllose Fledermäuse fangen die Insekten, die von den wenigen Lichtquellen der Aussichtsplattform angelockt werden. Ein sternenklarer Nachthimmel über Kourou (Französisch-Guyana) bietet die beste Sicht - alle Vorzeichen für einen perfekten Start. Aus der dunklen Dschungelnacht erhebt sich die in fünf Kilometern Entfernung startbereite Trägerrakete, die im Kegel mehrerer Flutlichtstrahler steht. An Bord der Ariane 5 VA 219 befindet sich das letzte Automated Transfer Vehicle (ATV-5). Der vollautomatische Europäische Raumtransporter "Georges Lemaître" ist am 30. Juli 2014 um 1.47 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) zu seiner letzten Mission aufgebrochen und hat am 12. August 2014 um 15.30 Uhr punktgenau automatisch an der Internationalen Raumstation ISS angedockt. Wenn beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre das letzte ATV irgendwo über dem Pazifik verglüht, geht mit dieser Mission eines der erfolgreichsten Kapitel der europäischen Raumfahrt zu Ende. Gleichzeitig wird ein neues Kooperationsprojekt eingeläutet.
Die ATV-Technologie wird in das europäische Servicemodul für die Orion-Kapsel der NASA übergehen. Als sogenanntes Barterelement, das den Europäern die Nutzung der ISS von 2017 bis 2020 sichert, wird dieses Modul derzeit federführend von Airbus Defence & Space in Bremen entwickelt. Die NASA nimmt Europa erstmals auf den kritischen Pfad, das heißt sie macht sich beim Multi Purpose Crew Vehicle (MPCV) von einem europäischen Element, dem European Service Module (ESM), abhängig. Der erste Testflug für das Gespann aus Orion-Kapsel und ESM soll 2018 unbemannt um den Mond herum erfolgen. Der Jungfernflug für eine bemannte Version ist dann für 2020/2021 geplant. Für den Fall, dass Europa die Lieferung eines zweiten Fahrzeugs beschließt, wäre sogar ein Flug um den Mond für einen europäischen Astronauten möglich, da das MPCV über vier bis sechs Plätze verfügen soll.
Außerdem in Ausgabe 26: Ein Einblick in die Luxemburger Raumfahrtagentur, ein Interview mit dem damaligen ESA-Direktor für Bemannte Raumfahrt und Mikrogravitationsforschung, Jörg Feustel-Büechl, zu den Anfängen des ATV-Programms, ein Artikel über das ISS-Schülerprojekt "Columbus Eye", ein Bericht über Blue Dot: die astrobiologische Forschung unter Alexander Gerst auf der ISS, ein Artikel zu den deutsch-japanischen Beziehungen in der Raumfahrt und ein Bericht über die Forschung zu Kaltem Atmosphärischem Plasma auf der ISS.
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