Montag, 2. März 2009
Das Thermometer zeigt elf Grad unter Null, und der feine, trockene Schnee, den der eisige Wind vor sich hertreibt, hüllt das Gelände von Esrange in ein diesiges Licht. Die unwirtliche Szenerie wird lediglich dann und wann durch das Eintreffen von Menschen belebt. Neben Projektleitern und Technikern erreichen Studentengruppen aus Deutschland, Finnland, Norwegen und Spanien das Raketen- und Ballonforschungszentrum in Nordschweden. Sie alle verbindet dasselbe Ziel: Innerhalb der nächsten zwei Wochen sollen fünf ambitionierte Experimente auf den REXUS-Forschungsraketen durchgeführt werden.
Mit dem REXUS-Programm (Raketen-Experimente für Universitätsstudenten) ermöglicht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit dem Swedish National Space Board (SNSB) und der Europäischen Weltraumorganisation ESA den Studenten Forschung unter speziellen Atmosphärenbedingungen. Die Raketen durchfliegen die Tropo-, Meso-, und Stratosphäre bis hin zur Thermosphäre in einer Höhe von etwa 100 Kilometern. Nach diesem Abstecher an den Rand des Weltalls fallen die Raketen zur Erde zurück. Ihre wertvolle Fracht, die Experimente, schweben das letzte Stück an einem Fallschirm zu Boden.
Folgender Ablaufplan ist für die nächsten Tage vorgesehen: Von Dienstag, 3. März bis Sonntag, 8. März 2009 finden die Vorbereitungen statt. Experimente und Technik werden getestet, Flugsimulationen durchgeführt und die Nutzlast in die Rakete integriert. Am Montag, 9. März findet der Roll-Out von REXUS 6 statt. Einen Tag später soll die Rakete starten. Am 11. März wird dann auch REXUS 5 zur Startrampe gebracht und am nächsten Tag auf ihre Mission geschickt. Hoffentlich spielt der Wettergott mit, denn die Raketen sind anfällig gegen starke Winde.
Anwesenheitskontrolle sorgt für die Sicherheit
Nach der Ankunft am Weltraumzentrum heißt es für die Studenten erst einmal: Orientieren, Quartier beziehen im Hotel Aurora und vor allem die Sicherheits-Badges abholen. Von nun an muss jeder diese Karte bei sich führen und bei Verlassen und Wiederbetreten des Geländes vorzeigen. Nur so sind die Verantwortlichen über die Abwesenheit von Personen informiert. Wer das Auschecken vergisst, der kann also schon mal eine groß angelegte Suchaktion auslösen. Schließlich könnte es sein, dass ihm bei der gefährlichen Arbeit mit Raketen etwas passiert ist oder er sich während eines Startversuchs innerhalb der Sicherheitszone rund um die Startrampe befindet.
Erste Studenten beginnen, die Range zu erkunden. Das Gelände ist weitläufig. Kurz hinter der Einfahrt führt eine Straße den steilen Radarhill hinauf. Dort blicken haushohe Satellitenschüsseln über das Raumfahrtgelände und die spärlich bewaldeten Hügel, die es umrahmen. Fast ständig weht hier ein raues Lüftchen, das einem Schneekristalle in Mund und Augen treibt. Etwas angenehmer ist es auf dem Ballonstartplatz. Er liegt ein Steinwurf hinter dem Hotel - eine weite Ebene, an deren Enden sich ein paar Nutzgebäude zusammendrängen.
Folgt man der Straße hinab ins Tal, so gelangt man zur Integrationshalle für die Raketen und den Starteinrichtungen. Am gemütlichsten ist es aber im Hauptgebäude gegenüber dem Hotel. Hier befinden sich neben den Büros der Projektleiter, Besprechungsräumen und der Missionskontrolle ein Speisesaal sowie ein Billardzimmer für den abendlichen Zeitvertreib. Gegenüber der Rezeption betrachten die Studenten neugierig die Auslage in den Souvenirkästen. Hier warten verschiedene Kleidungsstücke, Spielzeugraketen und ein Teddybär mit Logo-Aufdruck auf kauflustige Kundschaft. Direkt hinter dem Eingang befindet sich der "Postlada", der Briefkasten für die Ansichtskarten an die Lieben daheim, den ein drolliges Taubenbild ziert.
Eine Ballonkampagne sorgt für zusätzliche Spannung
Besonders spannend wird es in den kommenden Tagen auf Esrange, weil zeitgleich mit der REXUS-Kampagne zwei Forschungsballone für ihren Flug vorbereitet werden. Auf ihnen fliegen die Instrumente MIPAS-B/TELIS und TWIN mit. Sie sollen Spurengase in der arktischen Stratosphäre messen, die für den Ozon-Abbau verantwortlich sind. Auch an diesem Projekt ist das DLR beteiligt.
Die ursprünglich für Januar 2009 geplanten Starts mussten wegen zu starker Winde in der Stratosphäre verschoben werden, die Wissenschaftler mussten wieder nach Hause fliegen. So wird es in dem ansonsten eher ruhigen Außenposten der Weltraumforschung am Nordpolarkreis etwas lebhafter zugehen als üblich. Vor allem die Techniker müssen Spitzenleistungen erbringen und am besten an zwei Orten gleichzeitig sein.
Beim Abendessen erörtern die Studenten nochmals die Aufgaben, die ihnen nun bevorstehen. Einige scheinen mit Blick auf die kommenden Tage ein wenig aufgekratzt. Anderen ist die Anstrengung der langen Reise anzumerken. Und so sind die Meisten denn auch auffallend früh im Bett und gönnen sich den wohlverdienten Schlaf. Den werden sie auch brauchen, denn morgen geht es richtig los!