Samstag, 7. März 2009
Die morgendliche Besprechung entfällt heute, es geht direkt an die Arbeit mit den Experimenten. Da gestern alle Tests bestanden wurden, kann die Nutzlast von REXUS 5 zusammengebaut werden. Andreas Stamminger, REXUS-Projektleiter vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen, und Olle Persson verkabeln die Elektrik. Dann schrauben sie die Experiment-Module aneinander.
Nun richtet ein Kran die wissenschaftliche Nutzlast senkrecht auf, zieht sie hoch und senkt sie vorsichtig über dem auf einem Tisch stehenden Servicemodul ab. Andreas schließt sorgfältig alle Kabel zusammen, lässt die Experimentmodule herab und verschraubt beide Teile miteinander. Anschließend wird noch die Raketenspitze über CharPa gestülpt und ebenfalls befestigt. Als letzter Akt kommt das Bergungssystem unter das Servicemodul.
Vip-Bip erforscht Gas-Luftgemische
Wie bei einem Sandwich befindet sich nun also CharPa ganz oben, Itikka in der Mitte und das Experiment Vip-Bip (VIBration effects on BIPhasic fluids) von Studenten der Technischen Hochschule Castelldefels ganz unten. Sie möchten das Verhalten eines Zwei-Phasen-Gemischs unter Schwerelosigkeit untersuchen. In ihre Apparatur sind vier Kammern integriert. Sie alle enthalten Luft und eine Flüssigkeit: zweimal Wasser, einmal Silikon und einmal Alkohol.
Unter der Schwerkrafteinwirkung auf der Erde sind die flüssige und die gasförmige Phase von einander getrennt. Die leichtere - Luft - ist immer oben. Wenn man die Behälter schüttelt, entmischt sich alles sofort, denn die Luftblasen streben direkt aufwärts. Daher möchten die spanischen Studenten ihre Untersuchungen in Schwerelosigkeit machen, wo keine Auftriebskräfte die Blasendynamik beeinträchtigen.
Unter den Behältern ist ein Vibrationsmechanismus installiert. Er soll durch sein Schütteln Gas und Flüssigkeit vermischen. Auf der einen Seite der Kammern spenden Leuchtdioden Licht für eine Hochgeschwindigkeits-Kamera, die auf der anderen Seite montiert ist.
Sobald die Rakete in ihrem Parabelflug die Phase der Schwerelosigkeit erreicht, also etwa 70 Sekunden nach dem Start, aktiviert das Servicemodul den Vibrationsmechanismus. Dieser ändert sowohl die Stärke der Schwingungen, als auch ihre Frequenz. Die Bordkamera zeichnet das Verhalten der Wasserblasen auf, und die jungen Wissenschaftler können anhand des Filmmaterials die Ergebnisse auswerten.
Jojo-Systeme ermöglichen Schwerelosigkeit
Die Schwerelosigkeit, die Experimente wie Vip-Bip benötigen, kann eine REXUS-Rakete nur erreichen, wenn ein Jojo-System integriert wird. Sobald REXUS startet, erhält die Rakete durch die schräg gestellten Finnen am Motor einen Drall. Diesen benötigt sie für den stabilen Aufstieg. Sie rotiert dann viermal pro Sekunde um die eigene Achse. "Das ist etwa die untere Stufe einer Wäscheschleuder", verdeutlicht Maria Roth, Maria Roth, Leiterin des REXUS/BEXUS-Programms der DLR Raumfahrtmanagement. Die Zentrifugalkräfte betragen an der Außenhülle sogar das Zehnfache der Erdanziehungskraft.
Die Rotation muss also ausgeschaltet werden. Hier kommt das Jojo-System zum Einsatz. Es besteht aus zwei dünnen Drahtseilen, die von außen um den Adapter zwischen Motor und Bergungssystem gewickelt sind. An ihren Enden ist jeweils ein Gewicht befestigt. Nach dem Absprengen des Motors werden die Schnüre gelöst und wickeln sich durch die Drehung der Rakete ab. Durch die Verlagerung der Gewichte nach außen verlangsamt sich die Rotation und wird schließlich fast komplett abgebremst.
Wer den Effekt einmal ausprobieren möchte, der kann sich auf einen Bürostuhl knien und sich mit Schwung drehen lassen. Sobald man die Arme ausbreitet, wird die wilde Karussellfahrt deutlich abgebremst. Einen ähnlichen Effekt nutzen Eiskunstläuferinnen beim Drehen von Pirouetten. Zurück zum REXUS-Flug: Sobald die Rakete sich nicht mehr dreht, wird das Jojo-System abgetrennt. Denn sonst würden die Gewichte eine Rotation in die entgegengesetzte Richtung auslösen.
Gute Neuigkeiten von AGADE
Für REXUS 6 stehen die Zeichen günstig. Die AGADE-Truppe hat in einer zusätzlichen Nachtschicht den Missetäter für ein kleines Hardwareproblem ausfindig gemacht. Sie hatte einen der Magnetfeldsensoren falsch herum auf die Platine gelötet. Ein ärgerlicher Fehler, aber beim Bau von Prototypen geht eben nicht immer alles so glatt wie bei der Arbeit mit fertigen Komponenten.
Ein Test im Service-Center des Hauptgebäudes, bei dem die Datenübertragung via Telemetrie-Anlage an die Bodenstation geprüft wird, verläuft positiv. Auch mit der Software-Programmierung geht es gut voran und die Gruppe ist zuversichtlich, bis morgen früh startklar zu sein für die Integration.