Donnerstag, 12. März 2009
Die Zeichen für den heutigen Start von REXUS 6 stehen nicht schlecht, denn der Wetterballon, der um 7.34 Uhr aufgestiegen ist, bringt gute Kunde: Der Wind weht nur schwach und würde den Flug nicht gefährden. Bei einem Treffen des Start-Teams gegen 8.20 Uhr bestätigen alle Beteiligten, dass Raketentechnik, Experimente und Telemetrie bereit sind. So kann der Countdown planmäßig beginnen. Im Science Room haben sich die Studenten und einige der Projektleiter mit ihren Laptops niedergelassen. Er liegt im ersten Stock des Hauptgebäudes und bietet eine gute Sicht auf den Startkomplex.
8.34 Uhr: Der Countdown beginnt. Im Bereich um die Startrampe herrscht nun absolute Funkstille. Die Techniker überprüfen mit ihren Geräten, ob alle Sender ausgeschaltet sind. Außerdem testen sie, ob die Start-Systeme funktionieren. Die Schranke auf der Straße zur Launch Area wird geschlossen. Nun darf nur noch autorisiertes Personal hindurch. Um 9.04 Uhr erhält der Bergungshubschrauber die Weisung, nach Esrange zu fliegen. Eine halbe Stunde später erlischt das Funkverbot, Nutzlast und Sender von REXUS werden zu Testzwecken eingeschaltet. Die Überprüfung des GPS-Geräts ergibt: Keine Rückmeldung. Obwohl der Empfang gestern noch einwandfrei funktioniert hatte, kommen von der Rakete keine Positionsdaten.
Laute Sirenen hallen über das Gelände
Genau eine Stunde vor dem geplanten Start, um 10.04 Uhr ertönt fahrplangemäß eine laute Sirene. Das wiederholte dumpfe Hupen hallt wie ein Nebelhorn über das Gelände. Der Nutzlast-Check ist nun abgeschlossen und die Sender werden wieder abgeschaltet. Im Science Room herrscht gespannte Konzentration. Das Nisse-Team überprüft, ob seine Verbindung zu den EISCAT-Radaren funktioniert, die ihre künstliche Wolke beobachten sollen. Leider gibt es ein Problem mit der norwegischen Station. Sie sendet nicht, muss erst herunter- und wieder hochgefahren werden. Dann kommt der Kontakt zustande. Die Studentengruppe des AGADE-Experiments arbeitet derweil an der grafischen Darstellung seiner Experiment-Ergebnisse. 10.19 Uhr: wieder erschallt die Sirene.
20 Minuten vor dem Start wird die Startrampe mit der Rakete aufgerichtet. Es folgt der finale Test von Nutzlast und Sendern. Drei Minuten später: Das GPS-System meldet sich noch immer nicht. Sein Ausfall würde bedeuten, dass die Rakete nur via Telemetrie geortet werden kann. Das ist jedoch weniger genau. Wieder und wieder versuchen die Techniker, dem Gerät Daten zu entlocken. Doch der einzige Erfolg ist, dass sich der Countdown um vier Minuten verlängert. Die Sirenen verkünden den Anbruch der letzten Viertelstunde vor dem Start.
Jetzt kommen die Sonderausweise ins Spiel, die zum Aufenthalt im Bereich des Startkomplexes berechtigen. Die Sicherheitsverantwortlichen prüfen, ob alle da sind. Würde auch nur einer fehlen, müsste der Countdown jetzt abgebrochen werden. Schließlich könnte sich jemand in der Sicherheitszone aufhalten und wäre beim Start in akuter Gefahr. Doch es ist alles in Ordnung. Auch auf dem restlichen Gelände darf sich niemand mehr außerhalb der Gebäude aufhalten. Einzige Ausnahme ist der Radar Hill. Von hier aus wird das Geschehen auch mit Fernsehkameras dokumentiert.
Im Science Room steigt die Nervosität, trotzdem verhalten sich alle möglichst ruhig – so wie beim Test-Countdown eingeübt. Wer nicht am Computer seine Daten überwachen muss, versucht einen der begehrten Plätze an der Fensterfront zu ergattern. Film- und Fotokameras werden in Position gebracht. 11.01 Uhr: Die Techniker nehmen die letzten Einstellungen an den Systemen vor. "Vier Minuten!" tönt es aus den Lautsprechern. Denn ab 11.04 Uhr verkündet Thomas Headquist, der für den Countdown verantwortlich ist, aus dem Kontrollraum die verbliebene Zeit bis zum Lift Off.
"Drei Minuten!" Jetzt wird die Stromversorgung der Rakete von extern auf interne Batterie umgeschaltet. Die Spannung im Science Room ist kaum auszuhalten. "Zwei!" Die Aufzeichnungsgeräte für die Telemetriedaten werden eingeschaltet. "Eins!" Die Verantwortlichen geben den Start frei. Dann beginnen die letzten zehn Sekunden des Countdowns: 10…9…8... im Science Room starrt alles gebannt zum Fenster …7…6…5… die ersten Kamera-Auslöser beginnen, hektisch zu klicken …4…3…2…1…Lift Off!
Mit lautem Zischen schießt REXUS 6 in den Himmel. Man kann kaum so schnell gucken, wie die Rakete fliegt. Hinter sich zieht sie einen Schweif aus Feuer und Rauch her. "Wow!" Das ist so ziemlich alles, was die Zuschauer noch herausbekommen. Ergriffenes Staunen statt höflichem Applaus. Dann legt sich langsam die Anspannung, und Erleichterung breitet sich aus. Nun finden die Studenten auch die Sprache wieder. Man unterhält sich angeregt über das Erlebte. Während hier nicht mehr viel zu sehen ist, verfolgen im Operations Center nebenan die verantwortlichen Ingenieure den Flug der Rakete. 88 Kilometer Höhe schafft REXUS 6 immerhin, bevor es wieder abwärts geht. Alles läuft nach Plan.
Die Studenten sitzen inzwischen wieder vor ihren Computern. Zu aller Freude sendet AGADE Daten an die Bodenstation. Strike! Hartnäckigkeit zahlt sich eben aus. Derweil wartet das Nisse-Team auf Informationen von EISCAT. Dann gibt es schlechte Nachrichten: Während des Fluges ist der Druck im Experimentmodul stark abgesunken. Ob eine Leitung geplatzt ist? Müssen die Pampers nun auch noch die Mission retten?
Jetzt heißt es erst einmal Warten auf den Bergungshubschrauber. Gegen 12.20 Uhr landet er mit der Nutzlast in seinem Bauch auf Esrange. Schnell werden die Raketenteile ins Auto umgeladen. Sie scheinen den Flug unbeschadet bestanden zu haben. Nur der Kunststoff an der Raketenspitze ist ein wenig verschmort. Dann geht es mit der wertvollen Fracht ab zur Integrationshalle, wo Projektleiter und Studenten die Experiment-Module auseinander schrauben.
Alle sind gespannt: Was ist mit Nisse passiert? Ist etwas an der Apparatur geborsten? Oder sind die Auslassdüsen in der Höhe zugefroren? Die letzten Schrauben werden entfernt, die Windeln herausgenommen – sie sind trocken. Also kein Leck. Dann stellt Olle Persson fest, dass sich das Ventil des Wasserbehälters gar nicht geöffnet hat. Woran es gelegen hat, lässt sich noch nicht sagen. Das ist wirklich Pech! Und für die Studenten, die Wochen und Monate an dem Projekt gearbeitet haben, sehr enttäuschend. Auch Olle ist nicht zufrieden. Die Bordkamera hat nach dem Start nicht funktioniert. Jetzt am Boden läuft sie wieder. Dafür hat erfreulicherweise das GPS-Gerät doch noch brav die Positionsdaten zum Boden gefunkt. Und AGADE - wer hätte das gedacht - hat sich erfolgreich geschlagen.