Granulare Materie kann aus einer ganzen Reihe verschiedener Teilchensorten bestehen: Industrielle Rohstoffe, Sand, oder auch Medikamente in Pulver- oder Kapselform gehören dazu. Ein wichtiges Kennzeichen für granulare Teilchen ist, dass sie beim Zusammenstoß Energie verlieren - zwei Teilchen entfernen sich also nach einem Stoß langsamer voneinander als sie vorher aufeinandergetroffen sind.
Dieser Energieverlust wird als Dissipation bezeichnet und ist unter anderem dafür verantwortlich, dass jeder hochgeworfene Ball nach dem Zusammenstoß mit dem Boden weniger hoch springt als er vorher gefallen ist. Nachdem der Ball einige Male vom Boden abgeprallt ist, kommt er zur Ruhe. Lässt man eine große Anzahl an granularen Teilchen gleichzeitig fallen, dann geht die Energie sogar noch schneller verloren: Sand lässt sich von einem Behälter in einen zweiten füllen, ohne dass die Sandkörner wieder hochhüpfen. Die Teilchen verhalten sich im Kollektiv vieler Teilchen also deutlich anders als einzeln. Und es sind solche kollektiven Phänomene, die für das Verständnis von granularer Materie besonders interessant und wichtig sind.
Auf der Erde findet man granulare Materie meist nur in recht dichter Form, wobei viele Einzelteilchen aneinander oder aufeinander zu liegen kommen. Außerdem liegen diese Granulate meistens an einem Ort, der durch die Schwerkraft bestimmt ist, nämlich unten. Durch den Energieverlust wird die Bewegungsenergie der Granulatteilchen immer kleiner, und die Schwerkraft zwingt die Teilchen nach unten. Man nennt diesen Vorgang auch Sedimentation.
Durch die Schwerkraft lagern sich die Teilchen in einem kleinen Bereich an und die Dichte wird somit höher. Unter Schwerelosigkeit verhalten sich granulare Teilchen allerdings gänzlich anders: Der Unterschied zwischen oben und unten ist aufgehoben und die Sedimentation wird verhindert. Der Energieverlust beim Zusammenstoß besteht aber weiterhin und führt nun in Abwesenheit der Schwerkraft zu faszinierenden Effekten unter den Granulatteilchen, die weiterhin Energie verlieren aber nicht mehr zu Boden fallen können.
Vorhersagen aus Computersimulationen zeigen für Granulate unter Schwerelosigkeit die Entwicklung großer Schwankungen der Dichte: In einem Bereich, wo sich am Anfang zufällig mehr Teilchen befinden, finden auch mehr Zusammenstöße statt und es geht mehr Energie verloren als in einem Bereich mit geringerer Teilchendichte. Dichtere Bereiche verlieren also schneller Energie. Es fliegen mehr Teilchen in solche Bereich hinein als ihn verlassen, und so werden dichte Bereiche noch dichter. Der beschriebene Mechanismus erklärt die Ergebnisse aus der Simulation gut, allerdings fehlt dafür der experimentelle Nachweis. Denn auf der Erde gewinnt in einem langsamer werdenden Kollektiv von Teilchen am Ende immer die Schwerkraft und zerstört die vorhergesagten Dichteschwankungen.
Ziel des Experimentes MEGraMa (magnetisch erregte granulare Materie) ist es nun, die Entwicklung von Dichteschwankungen und das Langsamerwerden der Teilchen zu untersuchen. Dazu werden die Teilchen durch Magnete "aufgeschüttelt" und danach ihrer Eigendynamik überlassen. Die zeitliche Entwicklung von Teilchendichte und Teilchengeschwindigkeiten wird mit leistungsfähigen Kameras beobachtet. Da man das Experiment auf einem Parabelflug viele Male wiederholen kann, kann man verschiedene Situationen studieren, wie unterschiedliche Teilchensorten, verschieden viele Teilchen im gleichen Behälter oder unterschiedliches Schütteln.
Das Experiment MEGraMa will helfen, kollektive Phänomene in granularer Materie besser zu verstehen. Insbesondere soll verstanden werden, welche Phänomene allein durch die Schwerkraft auf der Erde verursacht werden und welche Phänomene auf der anderen Seite eigenständige Eigenschaften granularer Materie im allgemeinen sind. Dieses grundlegende Verständnis kollektiver Phänomene soll einfliessen in die Entwicklung von mathematischen Modellen und Gleichungen, mit denen das Verhalten granularer Materie vorhergesagt werden kann. Beispiele für Gebiete, in denen die mathematischen Gleichungen bekannt sind, betreffen etwa das physikalische Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen. Diese Gleichungen werden genutzt, um Flugzeuge am Computer und im Windkanal zu entwickeln oder das Wetter vorherzusagen. Zur Entwicklung ähnlich leistungsfähiger Gleichungen für granulare Materie soll das Experiment MeGraMa beitragen.