In diesem Jahrhundert werden sich Astronauten länger als je zuvor im Weltraum aufhalten. Es gibt jedoch nur wenige aussagekräftige medizinische Daten über die Auswirkungen von Langzeit-Raumflügen auf den menschlichen Organismus. Was sich dabei in den Zellen und Molekülen des Körpers abspielt, ist sogar noch weitestgehend unerforscht. Ein Projekt konzentriert sich auf mögliche Gefahren für das Gehirn, das andere testet eine neue Methode für schnelle und wiederholte Experimente in Schwerelosigkeit an Bord eines militärischen Kampfjets.
Schwerelosigkeit: Gefahr für das Gehirn?
Seit den ersten Apollo- und Sojus-Raumfahrtmissionen ist bekannt, dass das menschliche Immunsystem offenbar Probleme mit der Schwerelosigkeit hat. Astronauten leiden bei längeren Aufenthalten im All verstärkt unter Infektionen. Auch erwachen Viren, die zuvor gut unter Kontrolle des Immunsystems standen, im Nervensystem zu neuer Aktivität. Auf den ersten Space-Shuttle-Missionen in den 80er Jahren wurde entdeckt, dass für dieses Problem wahrscheinlich die Zellen des Immunsystems selbst die Ursache sind. Denn ein Teil von ihnen verweigert in der Schwerelosigkeit ihren Dienst, ein anderer beginnt unkontrolliert zu arbeiten.
Gerade im Gehirn ist eine sehr fein regulierte und kontrollierte körpereigene Immunüberwachung überlebenswichtig. Bei zu geringer Immunüberwachung breiten sich unerwünschte Viren im Nervensystem aus. Bei zu starker Immunüberwachung kommt es zu schädlichen Entzündungen. Daher ist das Immunsystem des Gehirns eine ganz besonders heikle Angelegenheit. Bei Langzeitflügen auf der ISS oder einer Mission zum Mond oder Mars besteht aufgrund eines möglicherweise gestörten Immunsystems auch eine Gefahr für das Gehirn.
Diese Experimente sind die ersten Untersuchungen, die das Immunsystem des Gehirns zum Ziel haben. Die Wissenschaftler untersuchen dabei, wie die zwei wichtigsten Zelltypen dieses Immunsystems in der Schwerelosigkeit arbeiten. Bei Beginn der Schwerelosigkeit werden in den Zellen bestimmte Signalwege ausgelöst und die Funktion dieser Signalwege untersucht. Die Resultate dienen der Vorbereitung von Weltraumexperimenten. Ohne dass das "Immunproblem" im Weltraum gelöst ist oder zumindest Ideen existieren, wie man Langzeitflüge durch den Einsatz von Medikamenten sicherer machen kann, sind Langzeit-Missionen im All undenkbar. Denn die Folgen für Gehirn und Körper der Astronauten sind derzeit noch nicht absehbar.
Mit dem "Tiger" forschen
Forschung in Schwerelosigkeit und unter Weltraumbedingungen ist derzeit sehr limitiert, schwer zugänglich, aufwendig und kostenintensiv. Es vergehen oftmals viele Monate, mitunter auch Jahre, bevor das eigentliche Experiment beginnen kann. Schnelle und wiederholte Versuchsabläufe, wie sie in der Biomedizin üblich und erforderlich sind, lassen sich daher mit dem bisherigen Repertoire an Forschungsmöglichkeiten in Schwerelosigkeit nicht verwirklichen.
Gemeinsam mit der Schweizer Luftwaffe hat die Universität Zürich ein weltweit einzigartiges Forschungsvorhaben gestartet. Hierbei wird die Schwerelosigkeit, die durch Flugmanöver während regulärer militärischer Übungsflüge entsteht, für Forschungen an menschlichen Zellen eingesetzt. Dafür wurde ein spezielles "fliegendes Labor" entwickelt, das in einen Kampfjet des Typs F-5E "Tiger" der Luftwaffe eingebaut wird und während des Parabelmanövers Experimente mit lebenden menschlichen Zellen vollautomatisch ausführt. Somit sind viele schnell wiederholbare Experimente mit kurzen Vorbereitungszeiten möglich - ähnlich wie in einem "normalen" Labor auf der Erde.
Auf der Parabelflugkampagne soll diese Experimentanlage mit Hilfe des Airbus 300 Zero-G erprobt werden. An einem Flugtag werden gleichzeitig identische Experimente an Bord des Airbus A300 Zero-G und der F-5E "Tiger" geflogen und die Ergebnisse miteinander verglichen.