Wie Schwerelosigkeit auf muskel- und knochenphysiologische Systeme wirkt, gibt es bereits viele wissenschaftliche Erkenntnisse. Zum Einfluss von Schwerelosigkeit auf die Hirnphysiologie gibt es bislang lediglich Untersuchungsansätze. Es ist kaum bekannt, inwieweit Schwerelosigkeit zu zentral-physiologischen Veränderungen führt, die dann wiederum kognitive, mentale und motorische Prozesse beeinträchtigen.
In den vergangenen fünf Jahren konnte unserer Arbeitsgruppe eindrücklich zeigen, dass Schwerelosigkeit zu dominanten Veränderungen der Hirnaktivität im Präfrontalkortex führt, welcher in der neurophysiologischen Diagnostik eng verknüpft wird mit kognitiven und emotionalen Prozessen. Der Einsatz eines aktiven EEG-Systems ermöglicht eine solche Diagnostik selbst unter extremen Bedingungen wie Schwerelosigkeit, Isolation, und/oder Sport, also überall dort, wo die klassischen Methoden der Bildgebung wie fMRT oder PET Untersuchungen nicht möglich sind. Mit der Entwicklung von Trockenelektroden, die ohne jegliches Gel als elektrischer Leiter funktionieren, ist eine neure Ära an Benutzerfreundlichkeit und Umsetzbarkeit neurodiagnostischer Verfahren unter solch extremen, nichtklinischen Bedingungen gefunden. In diesem Parabelflug sollen diese neu entwickelten Trockenelektroden erstmals in Kombination mit kognitiven und emotionalen Stimuli getestet werden.
Die kognitiven Stimuli beruhen auf einem bereits mehrfach getesteten, für diesen Parabelflug jedoch modifizierten Testverfahren zu exekutiven Funktionen, welches vorsieht, dass die Probanden in mehreren Schwierigkeitsgraden mathematische Aufgaben lösen. Während in vorangegangenen Parabelflügen diese Aufgabe an einem iPod zu lösen waren, ermöglicht eine methodische Weiterentwicklung (in Kooperation mit der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, Arbeitsgruppe Prof. Herpers) nun auch die der Berechnung zugrundeliegenden neurophysiologischen Parameter über eine zeitliche Korrelation mit der EEG Hardware (Ereigniskorrelierte Potentiale) abzubilden.
In vorangegangenen Parabelflügen wurde mehrfach und an verschiedenen Parametern gezeigt, dass Testpersonen , ähnlich wie auch bei einem Langzeitaufenthalt in Schwerelosigkeit, erheblicher gestresst sind. Aufgrund anekdotischer Berichte von mehreren Parabelfliegern und aktuellen Voruntersuchungen sowohl im Labor als auch in einem vorangegangenen Parabelflug, scheint Musik, insbesondere dann, wenn deren Frequenzmuster die spezifische, tonische Grundaktivität des zentralen Nervensystem abbildet, entspannende Wirkung zu haben. Dies soll exemplarisch an individuellen Befindlichkeitswerten als auch an harten neurophysiologischen Daten (unter Zuhilfenahme oben beschriebener Trockenenelektroden) in diesem Parabelflug gezeigt werden. Zum Einsatz kommt ein von der Firma infrasonics entwickeltes Gerät (inPulser), welches es dank hochwertigster Kodierungs- und Wiedergabetechnologien (24 Bit Tiefe, 96 kHz Abtastrate) ermöglicht, sogenannte binaurale und monaurale Pulsationen („binaural and monaural beats“) wie auch isochrone Töne an das Gehör und das Gehirn zu übertragen.
Die Ergebnisse der hier beschriebenen Experimente werden nicht nur dazu beitragen, eine neue, benutzerfreundliche Technologie zur Diagnose neurokognitiver Zustände in extremen Bedingungen, wozu auch der Klinikalltag zu rechnen ist, weiterzuentwickeln, sie stellen gleichzeitig die Grundlage für ein besseres Verständnis der Ursachen und Möglichkeiten einer Behandlung von Kinetose („motion sickness“) dar.