Da Pflanzen festsitzende Lebewesen sind und sich daher schnell an Veränderungen in ihrer Umwelt anpassen müssen, verfügen sie über zahlreiche Sensoren, die ihnen eine schnelle Reaktion auf Reize von außen ermöglichen. Pflanzen orientieren sich zum Beispiel in ihrem Wachstum an der Schwerkraft. Das trifft besonders für das Wachstum an der Spross- und der Wurzelspitze zu. Pflanzen sind aber auch dauernd Beschleunigungen durch Wind ausgesetzt, was zu veränderten Schwerkrafteinwirkungen führt.
Es konnte gezeigt werden, dass solche Wahrnehmungen im Prinzip durch jede Zelle und damit auch durch pflanzliche Zellkulturen erfolgen können (das sind Zellhäufen, die sich ständig teilen und noch keine speziellen Aufgaben übernommen haben). Aufgrund ihrer Homogenität haben solche Zellen weitgehend gleiche Eigenschaften und stellen daher ein ideales Testsystem für biochemische und molekularbiologische Untersuchungen dar. Die 24. DLR-Parabelflugkampagne bietet den Tübinger Wissenschaftlern eine einzigartige Möglichkeit, den Einfluss der Schwerkraft und deren Wegfall auf Vorgänge der Regulation in solchen Pflanzenzellen zu untersuchen. Denn in einem Parabelflug wird die Schwerkraft sowohl erhöht (Anfang und Ende der Parabel) als auch tatsächlich kompensiert (Mitte der Parabel).
Da ein Parabelflugmanöver nur wenig mehr als eine Minute dauert und die einzelnen Schwerkraftphasen sogar nur wenige Sekunden, haben sich die Forscher auf zwei verschiedene Vorgänge konzentriert, die innerhalb von Sekunden ablaufen und daher perfekt für Untersuchungen während eines Parabelfluges geeignet sind. Zum einen soll bestimmt werden, in welchem Umfang pflanzliche Proteine (vor allem Enzyme) während des Fluges aktiviert bzw. deaktiviert werden. Zum zweiten soll geklärt werden, ob Wasserstoffperoxid (ein Molekül zur Abwehr von Schadorganismen, aber auch ein wichtiger sogenannter sekundärer Botenstoff) an schwerkraftabhängigen Regulations-Prozessen in der Pflanze beteiligt ist. Erste Untersuchungen zeigten, dass dies der Fall ist; nun soll herausgefunden werden welche Proteine (Enzyme) durch die Veränderung der Schwerkraft so in ihren Eigenschaften verändert werden, dass dadurch die Gehalte an Wasserstoffperoxid beeinflusst werden.