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Europäische Kometen-Mission Rosetta startbereit

25. Februar 2004

Startveranstaltung am 26.02.2004 um 7.30 Uhr MEZ beim DLR in Köln - Übertragung des Rosetta-Starts über All-TV und DLR-Internet

 Die Mission Rosetta: der Orbiter und die Landeeinheit Philae
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Köln – Am Donnerstag, 26. Februar 2004, soll um 8.36 Uhr MEZ mit Rosetta eine der aufregendsten und anspruchsvollsten Weltraummissionen starten. Die Mission der ESA besteht aus einem Orbiter und der Landeeinheit Philae. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln hatte wesentliche Anteile am Bau des Landers, ihm obliegt außerdem die Projektsteuerung des Lander-Konsortiums. Die Landeeinheit mit dem Namen Philae geht zurück auf eine Initiative des DLR. Ziel der Mission ist ein Komet, ein Himmelskörper ähnlich einem schmutzigen Schneeball mit rund vier Kilometer Durchmesser, der im Jahr 2014 erreicht und auf dem schließlich auch gelandet werden soll. Mit den vielfältigen wissenschaftlichen und finanziellen Beiträgen ist Deutschland die wichtigste Nation bei dieser Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

Zum Stand der Startvorbereitungen in Kourou in Französisch-Guyana erklärt Prof. Wolfgang Koschel, Leiter des Ariane-5 Testzentrums beim DLR in Lampoldshausen: "Für die Ariane 5 G+ zeigen die Daumen der Fachleute und der Untersuchungskommission nach oben. Alle Phasen der Startvorbereitung der Rosetta-Mission funktionieren bestens und planmäßig." Die Version Ariane 5 G+ unterscheidet sich von der 16 Mal flugerprobten Grundversion Ariane 5 G nur in einigen wenigen Bereichen, so durch Änderungen in der Struktur (Gewichtsersparnis), in der EPS-Oberstufe (zusätzliches Heizsystem, erweiterte Treibstofftanks), in einer neueren Elektronik sowie in den leicht modifizierten Feststoff-Boostern.

Letzte Vorbereitungen an der Ariane 5-Rakete in Kourou

Die Ariane 5 befindet sich jetzt in der überdimensionalen Montagehalle (BAF = Bâtiment d’Assemblage Final), in der regelmäßig die letzten Montageschritte durchgeführt werden, einschließlich der Integration der Nutzlasten in die Rakete. In diesem 90 Meter hohen Gebäude, in dem auf mehreren Ebenen an Rakete und Nutzlast gleichzeitig gearbeitet wird, gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen, da die Satelliten bereits voll betankt angeliefert werden – im Fall von Rosetta sind das 1.670 Kilogramm einer Kombination aus Hydrazin und Oxidator – und auch die seitlich der Hauptstufe angebrachten Feststofftriebwerke mit ihrer brisanten Fracht befüllt sind. Wer hier arbeitet, muss ein besonderes Sicherheitstraining absolviert haben, und die Zahl derer, die gleichzeitig Zugang haben, ist streng begrenzt.

Die Rosetta-Sonde und mit ihr der Philae-Lander sind jetzt (24.02.2004) schon fast in der endgültigen Flugkonfiguration. Sie befinden sich bereits unter der Fairing, der konisch zulaufenden Raketenspitze. Vor wenigen Tagen wurden beim Lander die letzten Schutzvorrichtungen entfernt, die seit seinem Zusammenbau besonders empfindliche Teile vor unbeabsichtigten Beschädigungen bewahrt haben, so zum Beispiel die Abdeckungen über den Solarzellen, Deckel über Kameraobjektiven, die Fixierung der Stabantennen.

Scharfmachen der Lander-Harpunen ist bereits erfolgt

Gestern ist eine besonders kritische Aktivität erfolgreich absolviert worden, das "Scharfmachen" der Harpunen. Hierbei handelt es sich um Objekte, die kurz nach der Landung in die Kometenoberfläche geschossen werden, um sicherzustellen, dass der Lander fest verankert ist und der geringen Schwerkraft auf dem Kometen trotzt. Das Scharfmachen erfolgt erst kurz vor dem Start, weil die Projektile mit ihrer Pulverladung eine potenzielle Gefahr darstellen, insbesondere in direkter Nähe eines voll betankten Satelliten und der Feststoffraketen.

Das Scharfmachen der durch Treibstoffladungen angetriebenen Harpunen geschah durch den Austausch von Steckern. Der bis gestern gesteckte "Safe-Plug", der verhindert hat, dass eine Spannung an die Zündvorrichtung gelangen kann, wurde gegen den "Arm-Plug" ausgetauscht, der die elektrische Verbindung prinzipiell herstellt. Aber erst in 10 Jahren, bei der Landung auf dem Kometen, kann durch ein beim Aufsetzen automatisch generiertes Kommando eine Spannung an den Glühdrähten angelegt werden, die eine Zündung der Treibladungen bewirkt und die Geschosse in die Kometenoberfläche treibt. Vor dem Start sind diese Kommandos zur Sicherheit aber noch nicht in den Bordcomputer geladen.

Der Austausch der Stecker wurde vorgenommen von Ulrike Ragnit, die den Lander beim DLR in Köln, in Braunschweig sowie bei der Max-Planck-Gesellschaft in Katlenburg-Lindau (Harz) montiert hat und bestens mit den mechanischen Gegebenheiten vertraut ist. In luftiger Höhe, hoch oben in der Spitze der Rakete, festgeschnallt auf einem Brett, das einem Surfboard ähnelt, musste sie auf dem Rücken liegend die brisante Operation vornehmen. Besondere Vorkehrungen wurden getroffen, damit kein Werkzeug oder andere Gegenstände herunterfallen und möglicherweise zu Beschädigungen an der Sonde oder der Rakete führen konnten. Maximal drei weitere Personen durften während dieser kritischen Operation anwesend sein: der Testleiter, einer der Harpunenentwickler zur Unterstützung und ein Produktsicherer zur Überwachung der Arbeiten.

Start der Rosetta-Mission am Donnerstag, 26.02.2004, 08.36 Uhr MEZ

Ariane-Start in Kourou
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Der Start soll am 26. Februar 2004 um 4.36 Ortszeit in Kourou, Französisch-Guyana, dem europäischen Weltraumbahnhof, erfolgen. Rosetta ist während der Brenndauer der Triebwerke außerordentlichen mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt, starken Vibrationen, einem Höllenlärm und später dem Vakuum und den teilweise extremen Temperaturen des Weltraums. Aber für solch unangenehme "Umwelteinflüsse" sind Satelliten ausgelegt, und in ausgiebigen Tests wird vorher nachgewiesen, dass sie diese Belastungen überstehen werden.

Der Ariane 5-Start beginnt mit der Zündung des Haupttriebwerkes Vulcain der Unterstufe und der nach 7 Sekunden anschließenden Zündung der Booster, nach 2 Minuten und 19 Sekunden erfolgt deren Abtrennung, nach 3 Minuten und 11 Sekunden die Abtrennung der Nutzlastverkleidung. Nach 9 Minuten und 50 Sekunden ist die Unterstufe ausgebrannt und wird abgesprengt. Ab 9 Minuten 56 Sekunden fliegt die Oberstufe mit der Rosetta-Sonde für 105 Minuten antriebslos, aber gesteuert, um die Erde. Nach 1 Stunde, 56 Minuten und 37 Sekunden erfolgt die Zündung der Oberstufe, nach 2 Stunden, 14 Minuten und 55 Sekunden wird die Rosetta-Sonde abgetrennt – damit beginnt ihre zehneinhalbjährige Reise durch unser Sonnensystem.

Sollte der Start nicht zu dem ersten möglichen Termin am 26. Februar um 8.36 Uhr MEZ erfolgen, so bleibt das Startfenster noch bis zum 24. März 2004 offen. In dieser Zeit gibt es mehrere mögliche Starttermine - teilweise bis zu vier täglich - an denen der Zielkomet erreicht werden kann.

Direkt nach dem Start: Lander-Kontrollteam des DLR muss Transportsicherungen der Landeeinheit durchschmelzen

Die ersten Tage nach dem Start sind kritisch für die gesamte Mission. Rosetta muss präzise auf die richtige interplanetare Bahn gebracht werden, und die wichtigsten Systeme der Sonde sind in Betrieb zu nehmen. Die Bodenmannschaft beim European Space Operations Centre (ESOC), dem Betriebszentrum der ESA in Darmstadt, hat folglich alle Hände voll zu tun.

Für den Lander steht bereits acht Stunden nach dem Start die erste Maßnahme auf dem Programm, das Lösen der "Transportsicherung". Dabei handelt es sich um vier massive Bolzen, mit denen der Philae-Lander fest an sein Rosetta-Mutterschiff geschraubt ist, um die mechanischen Belastungen während des Starts abzufangen. Zum Lösen dieser Bolzen werden Fäden durchgebrannt, die bis dahin Federn in gespanntem Zustand gehalten haben. Das Entspannen der Federn bewirkt die Freigabe der Bolzen. Danach ist es noch der Separationsmechanismus, der den Lander während der nächsten 10 Jahre bis zur Landung am Mutterschiff festhält.

Inbetriebnahme der Rosetta-Systeme im Jahr 2004

Sobald die Bahnmanöver abgeschlossen sind, wird eine genaue Überprüfung aller Systeme von Rosetta und seiner wissenschaftlichen Nutzlast durchgeführt. Diese Phase heißt "Commissioning", und sie erstreckt sich bis Ende des Jahres. Die Inbetriebnahme des Landers beginnt etwa 14 Tage nach dem Start und beschränkt sich zunächst auf die lebenserhaltenden Systeme wie Stromversorgung, Bordrechner, Temperaturregelung und Datenübertragung. Erst danach werden die wissenschaftlichen Instrumente überprüft.

Während der langen Reise zum Kometen werden regelmäßig "Gesundheits-Checks" am Lander durchgeführt. Zum Training und Know-how-Erhalt werden darüber hinaus die verschiedenen Missionsphasen an Simulatoren durchgespielt.

Ankunft am Kometen im Jahr 2014: Genaue Erkundung und Vorbereitung der Landung

 Rosetta-Orbiter fliegt über den Philae-Lander
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Bei Ankunft am Kometen Tschurjumov-Gerasimenko im Jahr 2014 wird zunächst eine detaillierte Charakterisierung seiner Eigenschaften vorgenommen. Dazu zählt die Kartographie der Oberfläche, Bestimmung seines Schwerefelds und der Staub- und Plasma-Eigenschaften. Auf dieser Basis wird der Landeplatz ausgewählt, es werden die für die Landung erforderlichen Flugmanöver von Rosetta bestimmt und der Separationsablauf wird festgelegt.

Das Auslösen der Separationssequenz setzt einen automatischen Prozess in Gang. Das ist notwendig, weil wegen des großen Abstands zur Erde die Lichtlaufzeit für die einfache Strecke etwa 25 Minuten beträgt, zu lange, um interaktiv arbeiten zu können. Philae bekommt das Kommando, sich vom Orbiter abzustoßen, dann bringt er sich in die Landekonfiguration: Die Beine klappen aus, die wissenschaftlichen Instrumente beginnen mit ihren Messungen, die Annäherung an den Kometen wird von der ROLIS-Kamera des DLR-Instituts für Planetenforschung in Berlin-Adlershof fotografiert. Unmittelbar nach dem Aufsetzen auf der Kometenoberfläche werden Harpunen in den Boden geschossen, damit der Lander der geringen Schwerkraft trotzt und nicht wieder im Weltraum verschwindet. Dann beginnt die erste wissenschaftliche Sequenz.

Nach etwa fünf Tagen ist der Energievorrat der Primärbatterien aufgebraucht. Der Lander wird dann in eine Art Winterschlaf fallen, aus dem er wieder erwacht, wenn der Komet näher zur Sonne kommt, es wärmer wird und der Solargenerator genug Energie erzeugt. Dann kann die "Langzeitmission" beginnen, die einige Monate dauern wird.

Kosten der europäischen Rosetta-Mission

Die ESA-Gesamtkosten für die Rosetta-Mission betragen rund 770 Millionen Euro. Dazu kommen die Kosten für den Lander und für nationale Beiträge zu den jeweiligen wissenschaftlichen Experimenten, so dass mit einem Gesamtvolumen von rund einer Milliarde Euro zu rechnen ist. Als wissenschaftlich und industriell wichtigste Nation der Rosetta-Mission trägt Deutschland einen Beitrag von 290 Millionen Euro.


Erstellt am: 25.02.2004 14:40:00 Uhr
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