Dienstag, 16. Dezember 2014
Dr. Friedemann Call, Jan Felinks und Dr. Matthias Lange haben eine gemeinsame Vision: Sie wollen Ammoniak, Grundstoff von 90% aller Düngemittel, aus Solarenergie, Luft und Wasser herstellen. In ihrem Verfahren soll Solarenergie das bisher in der industriellen Produktion eingesetzte Erdgas ersetzen.
Die Vision: Düngerproduktion mittels Solarenergie
In den kommenden Jahrzehnten wird die Produktion von Düngemitteln weiter zunehmen, da der Bedarf an Nahrungsmitteln als Folge der zunehmenden Weltbevölkerung wächst.
Gleichzeitig wird eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion immer schwieriger, zum Beispiel durch limitierte Anbaufläche, woraus sich zwangsläufig ein weiterer Anstieg des Düngemitteleinsatzes ergibt.
Im Jahr 2013 wurden weltweit rund 1,6% aller verbrauchten fossilen Energieträger für die Produktion von Düngemitteln eingesetzt – ein Energieverbrauch in Höhe von ca. 2 Billionen kWh. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die bevorstehende Verknappung der fossilen Energieträger, wird deutlich, vor welchen Herausforderungen die globale Nahrungsmittelversorgung steht.
Die Vision der Solarforscher ist den Dünger zukünftig CO2-frei mittels Solarenergie herzustellen. Dieses Verfahren würde einen erheblichen Beitrag zur weltweiten CO2-Reduktion leisten und ermöglichen, die Düngerproduktion auch bei knapper werdenden fossilen Energieträgern zu steigern.
Kernprozess der Vision ist die solarthermische Produktion von Stickstoff
Grundstoff von 90% aller Düngemittel ist Ammoniak. Dieser wird mit Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens aus Wasserstoff und Stickstoff hergestellt. In der industriellen Produktion dieser beiden Stoffe werden große Mengen von Erdgas eingesetzt.
Die Solarforscher wollen Wasserstoff und Stickstoff mittels thermochemischer Kreisprozesse herstellen, in denen Solarstrahlung die benötigte Energie bereitstellt. Während Wissenschaftler auch im DLR bereits an Verfahren zur solaren Herstellung von Wasserstoff arbeiten, ist die solare Stickstoff-Produktion noch Neuland.
Gelingt es Call, Felinks und Lange, diesen Prozess zu entwickeln und darüber hinaus mit dem Haber-Bosch-Verfahren zu verknüpfen, ist eine regenerative und CO2-freie Produktion von Dünger möglich.
Wie funktioniert der hier angewandte thermochemische Kreisprozess?
Grundprinzip ist die Nutzung eines Hilfsmaterials, das Sauerstoff aufnehmen und wieder abgeben kann. Dieses sogenannte Redoxmaterial ist hier ein Metalloxid (MO). Zur Stickstoffgewinnung bringen die Forscher das Metalloxid im inneren eines Reaktors in Kontakt mit Umgebungsluft. Das Metalloxid nimmt den Sauerstoff aus der Luft auf – übrig bleibt der in der Luft im Reaktor enthaltene Stickstoff.
Das Metalloxid wird im nächsten Schritt in einem zweiten Reaktor erhitzt, wodurch es den zuvor gebunden Sauerstoff wieder abgibt. Der Kreislauf ist damit vollständig.
Die solare Wasserstoffproduktion funktioniert nach dem gleichen Prinzip, mit dem Unterschied, dass hier Wasser anstatt Luft den Sauerstoff an das Metalloxid abgibt, übrig bleibt hier der Wasserstoff.
Konzentrierte Solarstrahlung liefert in beiden Fällen die benötigte Energie für die thermische Reduktion, die dem Metalloxid den Sauerstoff wieder entzieht - und besitzt damit das Potential eine zentrale Rolle im zukünftigen globalen Energiemix zu spielen.
Zu den einsetzbaren Redoxmaterialien, der Reaktortechnologie, der Einkopplung solarer Energie und der allgemeinen Prozessführung existieren im DLR umfangreiches Know-how und konkrete Forschungsergebnisse. Die Visionäre des Instituts für Solarforschung schätzen die Chancen für eine technische Realisierbarkeit vor allem des visionären Kernschrittes, der solarthermischen Produktion von Stickstoff daher als sehr hoch ein.
Wettbewerb der Visionen
Der DLR-Wettbewerb der Visionen findet alle zwei Jahre statt. Mit dem Wettbewerb möchte der Vorstand des DLR wissenschaftliche Freiräume für die Entwicklung von kreativen und zukünftsträchtigen Ideen schaffen. Der Wettbewerb soll dazu anregen neue, innovative und disruptive Ideen auszusprechen und im DLR mit eigener finanzieller Unterstützung weiter zu entwickeln. Angesprochen sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DLR. Auswahlkriterien sind u.a. die gesellschaftliche, wissenschaftliche und wirtschaftliche Relevanz, die Realisierbarkeit der angestrebten Technologie beziehungsweise der Anwendung und der Nutzen für das DLR.
Der erste Preis wird mit einer Gesamtförderung in Höhe von 240.000 € über zwei Jahre belohnt, die Preisträger der Plätze zwei und drei erhalten jeweils 180.000 €.
Förderbeginn des Wettbewerbs 2015-2016 ist Januar 2015.