Mittwoch, 28. Oktober 2015
Wissenschaftler des Instituts für Solarforschung haben im Projekt DUKE (Durchlaufkonzept - Entwicklung und Erprobung) erfolgreich ein neues Verfahren zur solaren Dampferzeugung getestet. Der Dampf für die Stromerzeugung wird dabei direkt in den Receiverrohren erzeugt. Zwischenschritte über Wärmeträgermedien fallen damit weg; zudem sind höhere Betriebstemperaturen von bis zu 500 Grad Celsius möglich. Durch die neue Technologie können Parabolrinnenkraftwerke kostengünstiger Strom erzeugen.
Die Solarforscher erprobten das Konzept in einer Parabolrinnen-Testanlage der Plataforma Solar de Almería (PSA) im Besitz des spanischen Kooperationspartners CIEMAT (Centro de Investigaciones Energéticas, Medioambientales y Tecnológicas). Eine bestehende Testanlage wurde dafür mit neuen Kollektoren des Industriepartners Solarlite erweitert. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
Fast alle bislang gebauten kommerziellen Parabolrinnenkraftwerke nutzen ein synthetisches Thermoöl als Wärmeträgermaterial in den Receiverrohren der Sonnenkollektoren. Das Öl wird durch die konzentrierte Solarstrahlung erhitzt und zu einer zentralen Stelle im Solarkraftwerk geleitet. Dort erhitzt die Wärme des Öls Wasser und es entsteht Wasserdampf, der eine Turbine zur Stromerzeugung antreibt. Der große Nachteil des Öls: da es sich nur auf eine Temperatur bis 400 Grad Celsius erhitzen lässt, sind die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung begrenzt. Denn je höher die Temperatur des Wärmeträgermediums ist, desto höher kann auch der Dampf zur Stromerzeugung erhitzt werden und desto weniger Dampf wird für die gleiche Stromerzeugung mit der verfügbaren Solarstrahlung benötigt. Die Anlage kann somit kleiner dimensioniert werden, die Kosten pro Kilowattstunde erzeugten Solarstroms sinken.
Die Vorteile der Direktverdampfung: Der Wasserdampf kann auf höhere Temperaturen erhitzt werden als das Thermoöl. Wasser ist zudem überall zu geringeren Kosten als andere Wärmeträgermedien verfügbar, weder brennbar noch umweltgefährdend.
Im nun getesteten neuen Verfahren setzten die Forscher die Direktverdampfung im sogenannten Durchlaufkonzept um.
Bisher arbeiten Direktverdampfungsanlagen überwiegend nach dem Rezirkulationsprinzip (Abbildung rechts oben). Dabei durchläuft das Wasser im Solarfeld drei Bereiche: Den Verdampferbereich zur Erzeugung von Dampf; die Dampftrommel, in der die Trennung von flüssigem Wasser und Dampf erfolgt sowie einen letzten Bereich, in dem die Temperatur des Dampfs noch weiter erhöht wird. Dieses dreiphasige Konzept zeichnet sich durch seinen stabilen Betrieb aus und wurde daher in kommerziellen Solarkraftwerken bisher bevorzugt.
Bei dem vom DLR getesteten neuen Verfahren wird der Dampf für die Turbine in einem durchgehenden Strang verdampft und überhitzt (Abbildung rechts oben). Diese Art der solaren Direktverdampfung stellt besonders hohe Anforderungen an die Regelung der Anlage. Ein Ziel des Projekts DUKE war, das Verhalten des Systems genau zu analysieren und Verbesserungen zu entwickeln.
In der DISS (Direct Solar Steam) Testanlage auf der PSA bündeln Parabolspiegel auf einer Länge von 1.000 Metern die Solarstrahlung auf Receiverrohre. Die aus Spiegel, Receiverrohr, einer Antriebsmechanik und einer Stahlkonstruktion bestehenden Kollektoren sind dabei zu einem Kollektorstrang zusammengeschaltet. Im Kollektorstrang wird das Wasser zunächst verdampft und dann auf eine noch höhere Temperatur weiter erhitzt. Der so erzeugte „überhitzte“ Dampf könnte in einem Kraftwerk zum Antrieb einer Turbine verwendet werden. „Bei der Testanlage handelt es sich im Prinzip um einen der größten solaren Wasserkocher der Welt.“, so der Projektleiter Fabian Feldhoff.
Bei der Weiterentwicklung der Direktverdampfung lernen die Wissenschaftler von den konventionellen Technologien der Dampferzeugung, z.B. in Kohle- oder Kernkraftwerken (Abbildung rechts unten). Zur Erhöhung der Effizienz wird dort ein Anstieg von Druck und Dampftemperatur angestrebt. Moderne Kraftwerke werden daher statt im Umlaufbetrieb (Rezirkulation) auch im Zwangdurchlaufbetrieb gefahren, das ähnlich funktioniert wie das Durchlaufkonzept. Gerade bei hohen Drücken bietet das Durchlaufkonzept den Kraftwerken deutlich mehr Flexibilität beim Betrieb.
Ein weiterer Vorteil des Durchlaufkonzepts ist die leichte Skalierbarkeit des Kollektorstrangs. Die parallel geschalteten, einzelnen Kollektorstränge sind von gleichem Aufbau; ihre Einzelleistungen lassen sich zur Gesamtleistung addieren. Im Falle der Testanlage sind das bei guter direkter Sonneneinstrahlung rund drei Megawatt thermisch. „Für ein großes Kraftwerk müsste man also einfach so viele Stränge parallel bauen, bis die gewünschte Leistung erreicht ist. Gerade dieser einfache Aufbau bietet ein hohes Einsparungspotenzial“, fasst der Projektleiter zusammen.
Je höher die Temperatur ist, desto effizienter kann das Kraftwerk betrieben werden. Andererseits gibt es ein oberes Limit, um die eingebauten Komponenten, zum Beispiel die Receiverrohre, nicht zu beschädigen. Idealerweise wird die Austrittstemperatur des Kollektorstrangs konstant gehalten, um die Temperatureinwirkungen auf das Material zu begrenzen. In der Realität reicht es aus, wenn die Temperatur in einem kleinen Bereich um die gewünschte Soll-Temperatur variiert. Aber selbst dies ist bei stark schwankender Einstrahlung, also zum Beispiel bei vorbeiziehenden Wolken, gar nicht so einfach; die Energie für die Erzeugung und Überhitzung des Dampfes kann dann innerhalb von ein paar Sekunden einbrechen.
Die Temperatur darf dies aber nicht tun, da sonst die Dampfturbine aus Sicherheitsgründen automatisch abschaltet. Das Ziel ist es daher, die Menge des Wassers im Kollektorstrang stets den aktuellen Einstrahlungsbedingungen anzupassen. Die Schwierigkeit dabei: Führt man Wasser am Eintritt des Kollektorstranges zu, hat dies eine sehr verzögerte Reaktion der Temperatur am Austritt zur Folge. Senkt man die Wassermenge beispielsweise um ein Prozent ab, reagiert die Temperatur zunächst etwa fünf bis zehn Minuten gar nicht, bevor sie dann rapide um ca. acht Grad Celsius ansteigt. In der Zeit, während sich das System versucht anzupassen, ist die Wolke aber vielleicht schon wieder verschwunden, sodass sich die Situation zwischenzeitlich sogar noch verschlimmert.
Die Lösung: Innerhalb des Kollektorstrangs wird an ein oder zwei Stellen Wasser zugeführt. Dieses wird in den Dampf eingesprüht. Mit dem zugeführten Wasser kann die Temperatur deutlich schneller beeinflusst werden. Und auch hier gibt es deutliche Unterschiede. Vorherige Regelungen funktionierten an der realen Anlage meist nur bei gutem Wetter, also bei fast wolkenfreiem Himmel.
Durch die analytische Herangehensweise der DLR-Forscher konnten die wesentlichen Zusammenhänge herausgearbeitet und ein passender Regler entwickelt werden. Dieser wurde an der Testanlage umgesetzt und über die Dauer von 130 Betriebsstunden demonstriert und weiter verfeinert. So können auch stabile Temperaturen bei vorbeiziehenden Wolken gewährleistet werden. Ein entscheidender Schritt in Richtung der kommerziellen Umsetzung des Durchlaufkonzepts.
Der Kollektorstrang wurde außerdem mit Spezialsensoren ausgerüstet, welche es erlauben, die Temperatur des Wassers/Dampfes und die Temperatur an der Wand der Receiverrohre an sehr vielen Stellen zu messen. Die neue Testanlage bietet damit weltweit einzigartige Möglichkeiten zur Erforschung und Weiterentwicklung der Technik. Bestimmte Bedingungen während des Betriebs konnten so erstmals aufgezeichnet, analysiert und bewertet werden.
In Vorgängerprojekten konnte bereits gezeigt werden, dass die Stromgestehungskosten eines großen Solarkraftwerks mit Wasser/Wasserdampf in Rezirkulation circa zehn Prozent niedriger liegen als bei einem Solarkraftwerk, das mit Thermoöl arbeitet. Die aktuell noch hohen Speicherkosten eines Direktverdampfungs-Kraftwerks machten den Vorsprung jedoch zunichte. Im Rahmen des Projekts DUKE wurden die Dampfgestehungskosten bei Rezirkulation nun mit denen beim Durchlaufkonzept verglichen. Das Ergebnis: Durch die kompakte Anordnung des Durchlaufkonzepts können sowohl Energieverluste verringert als auch Investitionskosten deutlich gesenkt werden. Daraus resultierte ein Einsparpotenzial der Dampfgestehungskosten von 15 bis zu 25 Prozent. Je nach Standort kann dieses Potenzial ausgeschöpft werden oder kleiner ausfallen. Bevorzugte Standorte mit sicherem Vorteil sind vor allem Orte mit wenigen Wolkenschwankungen, zum Beispiel Chile, Teile Nordafrikas und des mittleren Ostens.
Mit den Ergebnissen konnten die Wissenschaftler die bis dato vorhandenen Zweifel am Konzept ausräumen und die Erkenntnisse auf eine gesicherte Basis stellen. Langzeiterfahrungen sind jedoch erforderlich, um alle Zweifler zu überzeugen – vor allem zur Reduktion der Risikoaufschläge bei der Finanzierung solcher Kraftwerke. Daher ist ein Folgeprojekt geplant, um die Technik zur Marktreife bringen zu können.