Das Projekt IGREEN war in 5 fachliche Hauptarbeitspakete unterteilt.
Ziele des Hauptarbeitspakets Simulation des Systems Triebwerk – Pylon - Primärstruktur (SISTIPP) waren
Die aeroelastische Modellierung der Triebwerke und der Triebwerksanbindungen an die Flugzeugstruktur wurden erweitert. Dies umfasste neben der Struktur des Triebwerks (Massenverteilung, Steifigkeiten)
Insbesondere die Aerodynamik des umströmten Triebwerks. Hierbei wurde die Wirkung der Kräfte und Momente des zeitlich veränderlichen TW-Strahls auf die Gondelschwingungen als zeitlich versetzter Kraftvektor modelliert. Neben der Formulierung eines summarischen Schubvektors ist versucht worden, die Aerodynamik einzelner TW-Komponenten (die Luftkraftderivativa des Fans oder des Gondelgehäuses) zu erfassen und in Kenntnis ihrer Frequenzabhängigkeit diese linear zu überlagern. Die beschriebenen physikalischen TW-Phänomene stellen im Verhältnis zu den dynamischen Primäreigenschaften des elastischen Flugzeugs (wie Strukturmassen, Steifigkeiten, Luftkräfte) zwar Effekte geringerer Größenordnung dar, dennoch können sie bei Vorhandensein bestimmter Parameterkonstellationen das Schwingungsverhalten in Frequenz und Eigenformen erheblich beeinflussen. Zur Abschätzung der Gefährlichkeit der Wirkung auf das Stabilitätsverhalten sind die am Triebwerk formulierten Sekundäreffekte in das aeroelastische Gesamtmodell des elastischen Flugzeugs eingeführt und in Flatterrechnungen berücksichtigt worden.
Die in der Aeroelastik übliche aerodynamische Modellierung der Triebwerke als Durchflussgondeln stellt einen Ringflügel mit den daraus resultierenden instationären Luftkräften dar. Der Triebwerksschub als nichtkonservative (d.h. nicht richtungstreue) Kraft wird dabei nicht modelliert. Eine Erweiterung dieser Modellierung führt die Schubkräfte als nichtkonservative Kräfte in Form einer schiefsymmetrischen Korrekturmatrix der generalisierten Steifigkeitsmatrix ein. Grundlegende Annahme ist hierbei, dass die Schubkraft der Bewegung unmittelbar und im vollen Umfang folgt. Das tatsächliche Verhalten des Schubs wurde in einem Experiment im DNW-HDG (Hochdruckwindkanal Göttingen) an einem (geführt) schwingenden Modelltriebwerk mit elektrisch angetriebenem Impeller untersucht (Bild 12). Es wurden Messungen ohne Impeller (Durchflussgondel) und Messungen mit schuberzeugendem Impeller durchgeführt. Unter der Annahme der Superponierbarkeit der Anteile Gondelluftkräfte und Triebwerksschub kann aus der Differenz der beiden Messungen der instationäre Schub ermittelt werden. Während die reinen Gondelluftkräfte in Abhängigkeit nur von der reduzierten Frequenz dargestellt werden können, ist dies beim Schub nicht mehr möglich. Es liegt ein ganzes Kennfeld vor, mit Abhängigkeit von Impellerdrehzahl und Zuströmgeschwindigkeit. Die Ableitung eines (komplexen) Korrekturfaktors für ein reales Triebwerk aus den Versuchsergebnissen ist zwar nicht möglich, weil eine Zuordnung zum Betriebszustand eines realen Triebwerkes nicht möglich war, aber es konnten Hinweise zu einer genaueren Modellierung in aeroelastischen Untersuchungen abgeleitet werden.
Zur Einbringung dieser sekundären Luftkräfte und der gyroskopischen Masseneffekte in das aeroelastische Gesamtmodell des freifliegenden elastischen Flugzeugs wurde ein Verfahren zur Kommunikation mit den industriellen Analyse-Werkzeugen NASTRAN und ZAERO aufgebaut. Das Verfahrens wurde zunächst am Modell des ATTAS Forschungsflugzeugs demonstriert. Durch die zusätzlichen Effekte verliert die Flugzeugstruktur ihre Symmetrieeigenschaften. Die beiden asymmetrischen Flatterformen sind in Bild 13 dargestellt. Der Einfluss der Zusatzeffekte auf die kritischen Flattergrößen Frequenz und Fluggeschwindigkeit ist merklich.
Mit dem CFD Code TRACE des DLR wurden numerische Simulationen der schwingenden TW-Gondel und insbesondere der Umströmung des Triebwerks-Fans durchgeführt. Ziel der Arbeiten war es, schwingungsanregende Einflussmöglichkeiten der Fan-Aerodynamik auf das System Triebwerk-Pylon-Primärstruktur anhand numerischer Experimente zu untersuchen und zu bewerten. Es wurden die Luftkraftbeiwerte an einer harmonisch schwingenden Gondel ermittelt, deren Geometrie aus den Projekten HighPerFlex (WIONA) und SILENCER zu einem Gesamtsystem Gondel-Fan-Düse zusammengefügt wurde. Eine instationäre Simulation der schwingenden Gondel mit gleichzeitiger Erfassung der Strömungseffekte im Fan war nicht sinnvoll, weil die Drehfrequenz des Fanläufers um mehrere Größenordnungen über der Frequenz der Gondelschwingungen liegt, und so bei einer instationären Betrachtung des Gesamtsystems zu einem unrealistisch hohen Rechenaufwand führte. Daher wurden repräsentative Zustände der Gondelströmung innerhalb ihrer harmonischen Schwingungsbewegung identifiziert und durch geeignete Randbedingungen an eine instationäre Simulation des Fans übergeben. Schwingung bzw. Flugzustand werden durch unterschiedliche Zuströmwinkel zur Gondel abgebildet. Die Winkelvariation erfolgte im Bereich zwischen 0° und 15°. Untersuchter Betriebspunkt ist der Reiseflug. Bild 14 zeigt Machzahlkonturen im Gondellängsschnitt bei einer um 4° ausgelenkten Zuströmung. An der unteren Gondellippe ist ein Verdichtungsstoß zu erkennen, der sich als Totaldruckstörung zur Fan-Eintrittsebene fortsetzt.
Die gewonnenen Erkenntnisse zum Triebwerkseinfluss wurden in die aeroelastische Untersuchung und den Nachweis der Flatterstabilität des IGreen Referenzflugzeugs integriert. Die Flattermodelle enthielten neben den markanten Anteilen der Triebwerksgyroskopie – wichtige Informationen zu dem TW-Modell CFM56-5B1 wurden von der Fa. Airbus beigesteuert – auch den Schubvektor. Die Ergebnisse der Flatterrechnungen sind als Flatterformen in Bild 15 dargestellt. Dabei wurden sowohl Variationen der Pylon-Steifigkeit als auch der Schwerpunktlage des Triebwerkes in Längsrichtung untersucht. Dabei erwies sich der iGREEN Flugzeugentwurf als sehr flatterstabil. Er ist wegen der TW-Position am Heck und der relativ hohen Biegesteifigkeit des Rumpfes – im Vergleich zum ATTAS - außerordentlich insensitiv gegenüber Veränderungen am Triebwerk. Parameterstudien der TW-Modellierung zeigten, dass erst sehr starke Änderungen einen merklichen Einfluss von Gyroskopie und Schubvektor auf die Flattereigenformen und Eigenfrequenzen bewirken. In den Fällen z.B. der abgeschwächten Pylonsteifigkeit treten dann auch TW-dominierte Flatterformen auf, die als ausgeprägtes Gondelflattern (whirl flutter) unter Beteiligung des Nachbartriebwerkes und der elastischen Flugzeugstruktur deutlich zu erkennen sind.