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Aktuelles - Archiv 2021
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Die Luftfahrt wird zunehmend digitaler. Wie werden Simulation und Experiment in Zukunft zusammenspielen?



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  • Virtueller Flugversuch

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    Vir­tu­el­ler Flug­ver­such zur Iden­ti­fi­zie­rung der flug­dy­na­mi­schen Cha­rak­te­ris­ti­ken des A320-ATRA. Aus den iden­ti­fi­zier­ten Ei­gen­schaf­ten wird ein ver­ein­fach­tes, aber echt­zeit­fä­hi­ges Er­satz­mo­dell auf­ge­baut, mit dem un­ter an­de­rem neu­ar­ti­ge Flug­regel­sys­te­me zur Böen­lastab­min­de­rung ge­tes­tet wer­den kön­nen.

    Quelle: Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0).

  • Deutliche Flügelverformung

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    In die­sem Bei­spiel­ma­nö­ver aus der Vic­To­ria Flug­ver­suchs­kam­pa­gne mit dem Air­bus A320 ATRA wur­de über wech­seln­de Hö­hen­ru­der­ein­ga­ben ei­ne Nick­be­we­gung an­ge­regt. Die­se spie­gelt sich auch im Last­viel­fa­chen und da­mit in der ge­mes­se­nen Flü­gel­de­for­ma­ti­on wi­der.

    Quelle: © DLR. Alle Rechte vorbehalten.

  • Flugversuche mit dem ATRA

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    Für die Ent­wick­lung hoch­ge­nau­er nu­me­ri­scher Ver­fah­ren und ih­re Kopp­lung in Si­mu­la­tio­nen, sind hoch­wer­ti­ge Va­li­die­rungs­da­ten not­wen­dig. In der Vic­To­ria Flug­ver­such­kam­pa­gne mit dem Air­bus A320 ATRA wur­de auch die Flü­gel­de­for­ma­ti­on er­fasst. Das Flug­pro­gramm ent­hielt ei­ne Viel­zahl an Ma­nö­vern mit teil­wei­se sehr ho­hen Last­viel­fa­chen.

    Quelle: © DLR. Alle Rechte vorbehalten.

Die Luftfahrt verändert sich. Die Corona-Pandemie könnte diesen Prozess noch beschleunigen. Dabei spielen nicht nur alternative Antriebe eine Rolle und die Frage, wie künftige Flugzeuge aussehen, sondern auch der Weg dorthin: Wie werden neue Flugzeuge und Technologien entwickelt und bewertet? Was werden wir schneller und wirtschaftlicher am Computer machen? Wo brauchen wir noch das Experiment? Wird die Luftfahrtforschung tatsächlich bald vollständig digitalisiert? Und – haben wir das nicht schon einmal gedacht? Prof. Dr. Stefan Görtz leitete das DLR-Projekt VicToria (Virtual Aircraft Technology Integration Platform) – das größte seiner Art im Bereich Digitalisierung in der europäischen Luftfahrtforschung. Es wurde Ende 2020 abgeschlossen. 160 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 13 DLR-Instituten und -Einrichtungen haben Methoden entwickelt, um neue Technologien für wirtschaftlicheres und umweltfreundlicheres Fliegen in Zukunft schneller bewerten und neue Fluggeräte (fast) ausschließlich am Rechner entwerfen zu können.

Prof. Dr. Stefan Görtz, Bild: Privat

Herr Görtz, erste wichtige Schritte in Richtung virtuelle Flugzeugentwicklung und Flugerprobung auf Grundlage hochgenauer Simulationsmethoden wurden bereits in früheren Projekten gemacht. Geben Sie uns ein Update: Wo genau stehen wir jetzt?

Wir schreiten konsequent und zielstrebig voran in Richtung Digitalisierung der Luftfahrt – auch wenn es gelegentlich unterschiedliche Erwartungen, Rückschläge, sich verändernde Randbedingungen und Visionen gab und gibt. Schritt für Schritt nähern wir uns der Idee des virtuellen Produkts. Dies ist eine hochgenaue mathematisch-numerische Darstellung des Fluggeräts mit all seinen Eigenschaften. Wir können heute Flugzeug-Geometrien viel detailreicher abbilden. Vor allem aber betrachten wir Technologien und Disziplinen nicht mehr einzeln und losgelöst voneinander, sondern gekoppelt. Wir konnten schon vor 30 Jahren ganze Flugzeuge berechnen und haben viele aerodynamische Simulationen gemacht. Aber das allein reicht natürlich nicht. So ein Flugzeug ist ja auch elastisch. Die Flügel biegen sich, der Tankinhalt schwappt bei Manövern hin und her, es gibt so vieles, das berücksichtigt werden muss, und genau darauf kommt es an. Indem wir unsere neuen, hochwertigen Simulationsverfahren miteinander koppeln, schaffen wir eine interdisziplinäre Simulations- und Entwurfsumgebung, mit der wir die physikalischen Eigenschaften eines Flugzeugs und die Interaktion der Disziplinen genauer simulieren können als je zuvor.

2013 sagten Sie: „Erst wenn sich ein Flugzeug im Rechner verhält wie in Wirklichkeit, kann das digitale Flugzeug das Versuchsflugzeug ebenbürtig ergänzen.“ Wie nah sind wir bereits an dieses Ziel herangekommen?

 Vor fünf bis zehn Jahren war man noch nicht so weit zu sagen, dass Simulationen an echte Flugversuche herankommen und dass ein digitales Flugzeug ein echtes ersetzen kann. Im Projekt VicToria haben wir beispielsweise virtuelle mit realen, hochinstrumentierten Flug- und Windkanalversuchen abgeglichen – übrigens in dieser Detailtreue eine weltweit einzigartige Fähigkeit. Im Frühjahr und Herbst 2019 haben wir Flugversuche mit dem DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA real in der Luft und am Computer durchgeführt. Dabei haben wir festgestellt, dass wir mit unseren heutigen hochgenauen Methoden die Flugeigenschaften sehr genau simulieren und mithilfe von gezielten virtuellen Flugversuchen ein Modell des ATRA im Computer aufbauen können. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum digitalen Entwurf und zur simulationsbasierten Zulassung. Aber wir müssen noch genauer werden und noch mehr Details in unsere Berechnungen aufnehmen, um zu einer hundertprozentigen Übereinstimmung von virtuellen und realen Flugversuchen zu kommen. Vermeintliche Kleinigkeiten, etwa wie die Massenverteilung im Flugzeug genau ausfällt, spielen eine wichtige Rolle. Plakativ gesprochen: Ob der Pilot oder die Pilotin auf dem gemessenen Flug ein Portemonnaie dabeihatte, ist am Ende eine Information, die ebenfalls ins „Gewicht“ fällt. Die Frage wird sein: Wann sind wir nahe genug an der Realität? Wann sind unsere Simulationen gut genug, um vollständig auf sie vertrauen zu können? Hier ist zum einen der Dialog mit den Zulassungsbehörden wichtig, zum anderen können zukünftig Testpilotinnen und -piloten das virtuelle Modell des Flugzeugs oder Hubschraubers im Flugsimulator mit den Flugeigenschaften des realen Fluggeräts vergleichen und bewerten.

Eine erste Digitalisierungs-Euphorie ging bereits in den 1970er Jahren durch die Forschungslandschaft – die herkömmlichen Experimente, so schien es, waren aus der Mode gekommen. Man prognostizierte, dass computergestützte Simulationsverfahren die Windkanal- und Flugversuche ablösen werden.

Das war tatsächlich so. Als Verfahren für die numerische Strömungssimulation erstmals entwickelt und für heute eher rudimentär erscheinende Probleme angewendet wurden, war man überzeugt, man könne das Experiment schon bald ersetzen. Das war aber viel zu optimistisch. Die Forscherinnen und Forscher erkannten schnell, dass es vor allem in der Modellierungstiefe und bei der Zusammenführung der beteiligten Disziplinen Defizite gab. Auch waren die Rechenkapazitäten begrenzt – die Supercomputer der Firma Cray hatten in den 1980er Jahren gerade mal die Leistung eines iPhone 4. Während man damals Modelle für den vergleichsweise einfachen Reiseflug erstellte, können wir heute komplexe Strömungsphänomene modellieren und dynamische Flugmanöver simulieren. Damals wurden Windkanal- beziehungsweise Flugversuche sehr schnell wieder als unverzichtbar aufgewertet, was uns heute zugutekommt, insbesondere um unsere Simulationsmethoden zu verbessern.

Nach der Umkehr und Rückbesinnung auf die experimentelle Forschung spielten numerische Simulation, Windkanal- und Flugversuche – gleichberechtigt – ineinander. Aktuell scheint der Fokus doch wieder auf der Digitalisierung zu liegen. Haben wir es mit einem Forschungsdreigestirn zu tun oder gibt es doch einen Siegeszug der numerischen Simulation?

Es gab Zeiten, in denen dachte man, die Simulation könne alle herkömmlichen Methoden sehr schnell ersetzen. Und es gab Zeiten, in denen dachte man, der Windkanal sei die absolute Wahrheit. Natürlich sind alle Methoden nur Annäherungen an die Realität. Aber ja, es gibt eine Verlagerung. Heute sind wir überzeugt: Es wird weiterhin Experimente geben, zwar weniger, dafür aber gezieltere und hochwertigere. Und zu einem anderen Zeitpunkt. Die Simulation ist nämlich im frühen Entwurfsstadium wichtiger geworden, um ausreichend breite Parameterräume schnell zu erkunden und den Entwurf in die richtige Richtung zu lenken. Es wird künftig weniger darum gehen, den Windkanal oder Flugversuch zu nutzen, um ein ganzes Flugzeug zu entwerfen. Stattdessen wird man umgekehrt vorgehen: Erst kommt die Simulation, der numerische Entwurf, dann das Experiment zur Überprüfung und Bestätigung. Und indem wir nicht nur leistungsstärkere Computer, sondern auch bessere Messtechnik nutzen, können wir mit dedizierten Experimenten unsere Computermodelle weiter optimieren. Damit verfolgen wir konsequent den Weg vom digitalen Entwurf zur virtuellen Zertifizierung.

Gerade wenn es um den virtuellen Erstflug geht – also die Zulassung eines Flugzeugs –, wird Computerdaten nach wie vor deutlich mehr misstraut als realen Tests. Wie stehen Sie dazu?

Wir haben im Projekt VicToria die Grundlagen für eine digitale Entwicklung und Beschreibung von Flugzeugen und Hubschraubern geschaffen. Das Projekt ist einmalig, da hier alle relevanten Disziplinen, wie Aerodynamik, Aeroelastik, Lastanalyse, Flugdynamik und Struktur, eingebunden und zusammengeführt wurden – für virtuelle Flugversuche und den multidisziplinären Entwurf. So etwas kann nur das DLR, keine Uni und in dieser Konsequenz bisher auch kein Industrieunternehmen. Wir haben erstmals Experimente zur reinen Überprüfung unserer Modelle und Simulationen durchgeführt: mehrere Windkanaltests und zwei Flugversuchskampagnen mit dem ATRA. Die ausgewerteten Messdaten wurden wiederum genutzt, um die numerischen Verfahren zu verbessern und bezüglich ihrer Vorhersagegenauigkeit zu überprüfen.

Wir sind jetzt in der Lage, virtuelle Flugversuche durchzuführen, die sich im Detail mit echten Flugversuchen abgleichen lassen. Das bedeutet, wir können ein virtuelles Modell eines Flugzeugs oder Hubschraubers mit all seinen Eigenschaften aufbauen. Das könnte zum Beispiel für die Auslegung eines Systems genutzt werden, das die Last bei Böen oder während Manövern abmindert und so den Passagierkomfort steigert. Und nicht nur das: Wir können jetzt auch Methoden für neue Flugzeuge wie den iSTAR (Artikel im DLRmagazin 164) liefern oder sogar Flugzeuge, die es noch gar nicht gibt, virtuell entwerfen, testen und fliegen. Zukünftig wird es möglich sein, den „digitalen Zwilling“ eines Flugzeugs oder Hubschraubers bereitzustellen, der dazu genutzt wird, das Potenzial neuer Technologien in einer virtuellen Entwurfsumgebung zu bewerten und Folgen, wie den Einfluss der neuen Technologien auf die Umwelt, abzuschätzen.

Das DLR-Projekt VicToria kurzgefasst

Victoria ist ein Vorzeigeprojekt weil...

„wir im DLR die einzigartige Möglichkeit hatten, in diesem Projekt alle relevanten Disziplinen der Luftfahrtforschung einzubinden und zusammenzuführen.“

Das Thema ist sehr aktuell, denn …

„die Entwicklung, Erprobung und Fertigung neuer Fluggeräte sind mit hohen zeitlichen und finanziellen Risiken verbunden. Durch die Corona-Pandemie wird es umso wichtiger, die Einführung innovativer Technologien für wirtschaftlicheres und umweltfreundlicheres Fliegen zu beschleunigen und technologische Unwägbarkeiten besser zu beherrschen.“

Völlig neuartig war...

„im Vergleich zu den Vorläuferprojekten von VicToria die Kombination von Windkanalexperimenten und realen wie auch virtuellen Flugversuchen auf Basis validierter und weiterentwickelter Simulationsmethoden. Außerdem haben wir alle flugphysikalischen Disziplinen berücksichtigt.“

Ein paar Zahlen zum Projekt wären...

„knapp 4 Jahre Laufzeit (2016–2020),
36 Millionen Euro Projektvolumen,
13 DLR-Institute und -Einrichtungen waren beteiligt,
160 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mitgewirkt.“ 

 


Kontakt
Prof. Dr. Stefan Görtz
Abteilungsleitung

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik
, C²A²S²E Center for Computer Applications in AeroSpace Science and Engineering
Braunschweig

Tel.: +49 531 295-3357

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