Vor ihrem Markteintritt müssen alle Arten von industriellen Produkten einen Prozess der Qualifikation oder Zulassung durch staatliche Stellen durchlaufen, um nachzuweisen, dass die geltenden Sicherheits- und Umweltvorschriften erfüllt werden. Dieser Nachweis ist für die Hersteller sehr zeit- und kostenintensiv. Man ist daher bestrebt, den Zulassungsprozess teilweise - oder sehr langfristig sogar fast gänzlich - im Rechner als „Simulation Based Certification“ durchzuführen. Die dazu notwendige Virtualisierung möglichst vieler Prozesse der Produktentwicklung und des Betriebs im Rechner ist derzeit zentraler Forschungsgegenstand in allen Bereichen des DLR.
Um diese Aktivitäten zu bündeln, hat das DLR das Querschnittsprojekt „Simulation Based Certification“ (SimBaCon) gestartet. Das Querschnittsprojekt läuft über vier Jahre und hat ein Gesamtvolumen von 27 Millionen Euro, das aus der Grundfinanzierung des DLR stammt. Unter Federführung des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig arbeiten 15 Institute und Einrichtungen des DLR interdisziplinär daran, numerische Simulationsverfahren aus den Schwerpunkten Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr derart weiterzuentwickeln, dass sie langfristig gesehen als zulässiges Werkzeug der Nachweisführung von den jeweiligen Behörden akzeptiert werden. Damit ließen sich sowohl die Zeit („Time-to-Market“) als auch die Kosten bis zur Markteinführung eines neuen Produktes reduzieren.
Das DLR ist durch seine Forschungsfelder in der einzigartigen Position, die Herausforderungen einer „Simulation Based Certification“ zu meistern und damit entscheidend zur wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft beizutragen: Es entwickelt seit über 30 Jahren High Performance Computing (HPC)-effiziente Software, beispielsweise zur hochgenauen Strömungssimulation und verfügt ebenso über die erforderlichen Großanlagen zur Validierung, wie Prüfstände und Windkanäle mit fortschrittlichster Messtechnik. Im bodengebundenen Verkehr wird seit 15 Jahren zur rechnerbasierten Zulassung geforscht.
Neben der Reduktion von Risiken und Kosten wird es durch die „Simulation Based Certification“ möglich, Anforderungen aus Zulassung, Produktion und Betrieb früh in den Entwurf zurückzuführen. Damit ließe sich ein Produkt sehr viel gezielter für Produktions-, Betriebs- und Markterfordernisse entwerfen. Ebenso kann die Verwendung hochgenauer numerischer Verfahren im Zulassungsprozess dazu führen, dass die bisherigen Sicherheitsfaktoren genauer ermittelt und überlegenere Produkte entworfen werden können.
Um die Akzeptanz einer derartigen „Simulation Based Certification“ sicherzustellen, müssen in einem ersten Schritt die Qualifizierungs- bzw. Zulassungsanforderungen für ausgewählte Pilotanwendungen aus den Bereichen Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr analysiert werden. Diese Analyse und Evaluierung bildet daher einen Schwerpunkt in SimBaCon. Anschließend besteht die Herausforderung darin, die numerischen Simulationsverfahren derart weiterzuentwickeln, zu verifizieren und zu validieren, dass sie für dedizierte Anwendungen als Werkzeug zur Nachweisführung akzeptiert werden. Hierzu werden in SimBaCon geeignete Verifikations- und Validierungskonzepte erarbeitet und angewendet. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Phase wir der Mehrwert einer „Simulation Based Certification“ an ausgewählten Pilotanwendungen demonstriert und Potentiale für die Zeit- und Kosteneinsparung analysiert.
Durch Verankerung der „Simulation Based Certification“ als Querschnittsprojekt im gesamten DLR kann ein enormes Innovationspotenzial gehoben werden, da damit die DLR-Forschungsaktivitäten zur numerischen Simulation in den Bereichen Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet werden.