Die im Einlasskanal erzeugte Strömung ist verantwortlich für die Ladungsbewegung im Zylinder und beeinflusst somit wesentlich den Verbrennungsablauf.
Mit den bisher verfügbaren integralen Messdaten Tumble und Swirl zur Charakterisierung der Zylinderströmung stoßen die Motorenentwickler heute an Erkenntnisgrenzen, so dass sie nach detaillierten Strömungsdaten zur Analyse der komplexen Zylinderströmung Ausschau halten. Solche Daten liefern eine ebenso wertvolle Unterstützung für den Versuchsingenieur am Prüfstand bei Entwicklungsarbeiten zur Verbrennungsoptimierung wie für den Berechnungsingenieur bei der Validierung seiner CFD-Modelle und somit die notwendigen Erkenntnisse für neue Impulse zur Weiterentwicklung der Motoren.
Stand der TechnikFür Strömungsuntersuchungen stehen heute Lasermessverfahren zur Verfügung. Das LDA (Laser Doppler Anemometry)-Verfahren kommt als punktuelles Verfahren für die volumetrische Analyse der Zylinderströmung nur bedingt in Frage, da es wegen der erforderlichen Traversierung (insbesondere bei hoher Ortsauflösung) sehr Messzeitaufwendig und damit für Entwicklungsversuche zu teuer ist. Das alternative flächige Messverfahren PIV (Particle Image Velocimetry) arbeitet sehr viel effizienter, da es im Laserlichtschnitt eine Messfläche mit einer Ortsauflösung von einige tausend Messpunkten in einem Messvorgang gleichzeitig erfasst, erfordert aber direkten, qualitativ hochwertigen optischen Zugang, der nur bei speziellen, für die Anwendung von Lasermesstechnik konzipierten Glasmotoren realisiert werden kann. Außerdem ist auch bei dieser Messtechnik die Messzeit noch erheblich, da eine Vielzahl (ca. 1000) Einzelaufnahmen je Messfläche aufgenommen und ausgewertet werden müssen, um repräsentative Strömungsmittelwerte zu bestimmen. Obwohl beide Messtechniken prinzipiell alle drei Strömungskomponenten erfassen können, liefern sie bei der motorischen Anwendung nur zwei Strömungskomponenten, weil der für die Dreikomponentenmessung erforderliche optische Aufbau für den Anwendungsfall zu komplex wird.
Lösungsweg und VorteileIm DLR wurde in den letzten Jahren das DGV (Doppler Global Velocimetry)-Verfahren, ein ebenfalls flächiges Lasermessverfahren zur Strömungsgeschwindigkeitsmessung entwickelt. Dieses Verfahren registriert die Mittelwerte aller drei Strömungskomponenten in einem Messvorgang und ist dadurch sehr schnell. Für die Messung und Auswertung wird weniger als eine Minute an Zeit benötigt, wobei die Ortsauflösung in der Messfläche der Pixelzahl des CCD-Chips (typisch 1 Mio) entspricht. Einen volumetrischen Datensatz erhält man durch das Zusammenfügen mehrerer Messflächen.
Beim DGV-Verfahren erzeugt ein Laser über ein optisches System ein Lichtband (Laserlichtschnitt), das die partikelbehaftete Strömung beleuchtet (siehe Bild 1). Durch den Dopplereffekt weist das von den Partikeln gestreute Licht eine Frequenzverschiebung gegenüber der Laserfrequenz auf, die zur Bestimmung der Geschwindigkeit einer durch die Anordnung von Lichtschnitt und Beobachtung vorgegebenen Strömungskomponente herangezogen wird.
Zwei Kameras sind so justiert, dass sie das Partikelstreulicht aus exakt demselben Bildausschnitt im Lichtschnitt erfassen, wobei die über einen Lichtleiter angekoppelte Referenzkamera die Intensitätsverteilung vor Eintritt in eine Jodzelle registriert und die Signalkamera die aus der Jodzelle austretende Intensitätsverteilung. Die Jodzelle – eine Glasküvette, in der sich molekulares Jod befindet – wird zur Messung der Frequenzverschiebung benötigt. Das Jod wirkt aufgrund seiner stark frequenzabhängigen Absorption als Frequenz-Intensität Konverter. Man ermittelt die Frequenzänderung in jedem Bildelement durch Vergleich der jeweiligen Intensitäten in den Signal- und Referenzkamerabildern. Aus dem Intensitätsverhältnis erhält man die örtliche Absorption und daraus bei bekannter Absorptionscharakteristik der Jodzelle die Frequenzverschiebung, aus der sich mit der Formel der Dopplerverschiebung die Geschwindigkeit berechnen lässt. Das Ergebnis ist eine Geschwindigkeitsverteilung in der Messfläche von einer Geschwindigkeitskomponente mit einer Ortsauflösung entsprechend der Auflösung des CCD-Chips der Kamera. Da die Bildaufnahme sich über einige Sekunden erstreckt integriert jedes Kamerapixel das Streulicht von sehr vielen Partikeln, die sich aufgrund der Strömungsturbulenz mit etwas unterschiedlichen Geschwindigkeiten durch den Bildpunkt bewegen, so dass das Ergebnisbild bereits den Geschwindigkeitsmittelwert wiedergibt. Die beiden anderen Strömungskomponenten, die man zur vollständigen Bestimmung des Strömungsvektors benötigt, erhält man durch zwei weitere Messungen mit veränderter Versuchsanordnung (z. B. unterschiedliche Lichtschnittrichtungen). Die Messunsicherheit beträgt 1 m/s.
Die Hauptvorteile des DGV-Verfahren:
Bild 2 zeigt das Ergebnis einer volumetrische DGV-Analyse der Strömung in einem Zylinder bei stationärer Absaugung.
Verwertungs- und Vermarktungsstrategie:Die Schnelligkeit der DGV-Messtechnik ist das herausragende Merkmal, weil dadurch erstmals mit vertretbarem Kostenaufwand komplexe Strömungen analysiert und veranschaulicht werden können. Auf besonders Interesse stieß das DGV-Verfahren bei den Motorenentwicklern. Ein erster Kontakt ergab sich schon 1999 zu Audi und KHD, später dann zu VW und Ford.
Bild 3 zeigt den Versuchsaufbau der für die Analyse der Zylinderströmung an einem KHD-Zylinderkopf eingesetzt wurde.
Aufgrund der sich belebenden Nachfrage nach DGV-Messungen im Motorenbereich, der das DLR aus Kapazitätsgründen nicht nachkommen konnte, wurde für diese Aufgaben ein Kooperationspartner gesucht. Mit großem Interesse übernahm diese Rolle die IAV (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr), deren Kunden alle namhaften Automobilhersteller sind. In einem ersten Schritt der Zusammenarbeit wurde die DGV-Messtechnik für die Analyse der Zylinderströmung qualifiziert und dann die IAV-Ingenieure in die Handhabung der DGV-Messtechnik eingewiesen. Zur Zeit führt die IAV mit einem eigenen, vom DLR gelieferten DGV-Messgerät Auftragsmessungen für die Automobilindustrie durch.
Bild 4 zeigt den DGV-Versuchsaufbau der bei der IAV zur Messung der Zylinderströmung verwendet wird.
Als Entgelt für das Zugeständnis der ausschließlichen Nutzungsrechte der DGV-Messtechnik im Motorenbereich erhält das DLR Nutzungsentgelte für jede Betriebstunde des DGV-Messgerätes und profitiert auf diese Weise von der erfreulich guten Auftragslage.
Aufgrund des bisher aufgebauten Kundenstamms erreicht die IAV den größten Teil der europäischen Automobilhersteller wie auch die in den USA, womit gute Vorraussetzungen für die bestmöglich Verbreitung der DGV-Messtechnik bei den Motorenbauern gegeben sind.
Von der im Kooperationsvertrag vereinbarten Weiterentwicklungen der DGV-Messtechnik zur Erschließung weiterer Anwendungsfelder in der Motorenentwicklung, die gemeinsames Ziel einer Kooperationsvorhabens mit der IAV ist, erhoffen sich beide Partner weitere Impulse für die Entwicklung verbrauchsoptimierter, schadstoffarmer Motoren.