Der Gestaltungsfreiraum mit dem ein Ingenieur bei der Auslegung von Turbomaschinen konfrontiert wird ist riesig und nur ausgewählte Auslegungen können mit Simulationswerkzeugen hoher Güte untersucht werden. Aus diesem Grund muss der Auslegungsprozess schon frühzeitig mit schnellen Auslegungsmethoden in eine erfolgversprechende Richtung geleitet werden, bevor Auslegungsiterationen mit 3D CFD durchgeführt werden.
Eine übliche Vereinfachung der komplexen, dreidimensionalen Verdichterströmung ist die Annahme einer stationären und rotationssymmetrischen Strömung. In dieser zweidimensionalen Meridianströmung werden die Schaufelkräfte durch im Raum stetige Feldkräfte ersetzt. Schaufelgrenzschichten, Nachlaufdellen, Sekundärströmung und Spaltströmung können nicht aufgelöst werden, statt dessen werden dreidimensionalen Strömungsphänomene durch Modelle ersetzt, die empirische Erkenntnisse in Form von Verlust, Umlenkung und Blockage in die Rechnung einfügen. Die am weitesten verbreitete Methode zur Berechnung der Meridianströmung ist das Stromlinienkrümmungsverfahren.
Ein solches Verfahren wird in der Abteilung Fan und Verdichter unter dem Namen ACDC („Advanced Compressor Design Code“) entwickelt. Zusätzlich wird eine vielseitige Systematik für Verdichterprofile entwickelt und ein Auslegungsprozess etabliert, der von der Vorauslegung bis zur 3D-Detailauslegung reicht, wie in Abbildung 1 dargestellt. Zur Erzeugung der Profilsystematik wurde eine Datenbank mit optimierten Profilformen gefüllt. Diese Datenbank ist in sieben Dimensionen strukturiert, die als Entwurfsanforderungen bezeichnet werden. Sie setzen sich aus den geometrischen Größen Staffelungswinkel, Teilungsverhältnis und Profilfläche und den Größen des Auslegungspunktes Eintritts-Machzahl, Stromröhrenkontraktion, Reynoldszahl und aerodynamische Belastung zusammen.
Auf der entstandenen Datenbasis wurden Methoden aus dem Bereich des Maschinellen Lernens eingesetzt, um die Profilgeometrie und das Betriebsverhalten für neue Entwurfsanforderungen abzuschätzen. Diese funktionalen Zusammenhänge sind innerhalb von ACDC implementiert und ermöglichen es, im Rahmen einer Designpunkt-Rechnung direkt aus einer Through-Flow-Lösung 3D Schaufelgeometrien abzuleiten. Damit ist schon in der Vorauslegung jederzeit ein 3D Modell des Verdichters verfügbar. Dies motiviert eine Auslegungsphilosophie, bei der Through-Flow und 3D CFD Modell parallel weiterentwickelt werden (multi-fidelity-Ansatz).
Basierend auf dieser Profilsystematik wurde ein existierender 15-stufiger Gasturbinenverdichter (siehe Abbildung 2) mit neuen Profilen ausgestattet. Dabei wurde für mehrere Schnitte pro Schaufelreihe automatisiert ein vergleichbares Profil aus der Systematik gesucht. Die Leistung der ursprünglichen und der neuen Auslegung wurde mit dem Through-Flow-Verfahren ACDC und 3D CFD bewertet.
Weiterführende Literatur:
Schnoes, Markus and Voß, Christian and Nicke, Eberhard (2018) Design Optimization of a Multi-Stage Axial Compressor Using Throughflow and a Database of Optimal Airfoils. Journal of the Global Power and Propulsion Society, 2, pp. 516-528. DOI: https://doi.org/10.22261/JGPPS.W5N91I Schnoes, Markus and Nicke, Eberhard (2017) A Database of Optimal Airfoils for Axial Compressor Throughflow Design. ASME Journal of Turbomachinery, 139 (5), 051008-051008. American Society of Mechanical Engineers (ASME). DOI: 10.1115/1.4035075