Die im Experiment und während der Auslegungsphase gewonnenen Erkenntnisse des DLR-UHBR Fans bildeten die Grundlage für einen konzeptionellen Vergleich eines für Hochbypasstriebwerke typischen Single-Rotating Fans (SRF) mit einem gegenläufigen ummantelten Fan (CRTF). Dazu wurden umfangreiche Auslegungs- bzw. Optimierungsstudien durchgeführt. Begonnen wurde mit einem Vorentwurfsmodell durch Kopplung des in der Abteilung entwickelten Throughflow-Verfahrens ACDC (siehe Forschungsschwerpunkt Design und Optimierung) mit dem 2D Euler-Grenzschicht-Verfahren Mises, um das Endergebnis und die gefundenen Trends mit 3D-CFD zu überprüfen und zu bestätigen. Es wurde dazu eine neuartige Optimierungsstrategie entwickelt, die es erlaubt für verschiedene im Entwurfsraum gleichverteilte Designparameter wie Druckverhältnis, Axialmachzahl, Nabenverhältnis, Drehzahlverhältnis etc. das jeweilige (Wirkungsgrad-)Optimum zu ermitteln. Die teilweise durch die MTU Aeroengines im Rahmen ihrer Claire-Strategie finanzierten Studien wurden in enger Zusammenarbeit mit den Abteilungen Triebwerk und Triebwerksakustik bearbeitet und erlaubten den direkten Vergleich eines Single-Rotating Fans mit einem gegenläufigen Fan im Hinblick auf Effizienz, Arbeitsbereich, Geräuschemission und Einfluss auf das Triebwerkskonzept über einen großen Parameterbereich (Abbildung 1).
Abbildung 1: Maximaler Wirkungsgrad (Konturen) in Abhängigkeit von Axialmachzahl und Fandruckverhältnis für die beiden untersuchten Konzepte SRF und CRTF
Die oben genannten vergleichenden Auslegungsstudien zeigten, dass das gegenläufige Fankonzept eine Treibstoffverbrauchsreduktion gegenüber dem konventionellen Fan ermöglicht. Der Einsatz gegenläufiger Fans erscheint allerdings wegen höherer Tonallärmemissionen und der notwendigen Verwendung eines Planetengetriebes, das zusätzliches Gewicht verursacht, fragwürdig. Um diese Nachteile durch die Gegenläufigkeit zu untersuchen, wurden Optimierungsstudien in dem DLR internen Projekt CRISPmulti durchgeführt. Die multidisziplinäre Auslegungsmethode wurde hier um neue Disziplinen erweitert. Ein neues Verfahren wurde entwickelt um das Gewicht des Fans in Abhängigkeit von den Schaufelparametern abzuschätzen. Dieses wurde für die vergleichenden Konzeptstudien (konventionell vs. gegenläufig) verwendet. Eine weitere Verbesserung der Prognosen wird durch die stetige Hinzunahme installationsrelevanter Größen wie z.B. Gondelgewicht und –widerstand erwartet.
In dem Projekt CRISPmulti wurden zwei Hauptschwerpunkte angestrebt. In den theoretischen Studien wurden die detaillierten Entwurfs- und Konzeptstudien konsequent fortgeführt, um unterschiedliche Fankonzepte (gegenläufiger vs. konventioneller Fan) bis hin zum Missionsverbrauch und unter Berücksichtigung aller relevanten Einflussparameter wie Gewicht und Gondelwiderstand zu beurteilen. Die Abbildung 2 stellt das Ergebnis der Studie für die beide Fankonzepte dar. Aus der Darstellung geht hervor, dass bei beiden Fankonzepten ein optimales Fandruckverhältnis und Axialmachzahl existiert, bei dem der Missionsverbrauch minimiert werden kann. Weiterhin wird es zwar ein geringerer Missionsverbrauch mit dem gegenläufigen Fan ersichtlich, der Vorteil erwies sich sehr gering.
Um die Ergebnisse dieser neuen Auslegungsmethoden zu validieren werden experimentelle Daten benötigt. Aus diesem Grund wurde als zweites Hauptziel des Projektes CRISPmulti die Beschaufelung des CRISP1m Testrigs (1980er Jahre) neu ausgelegt. Für das Design wurde, abgeleitet aus den Ergebnissen der Konzeptstudien zum maximal erreichbaren Wirkungsgrad (Abbildung 2), für den Auslegungspunkt ein Druckverhältnis von 1,3 mit einer Axialmachzahl von 0,68 gewählt. Das neue „CRISPmulti“ Rig verfügt über eine neue CFK-Beschaufelung (Abbildung 3), die im DLR-Stuttgart hergestellt wurde. In dem Institut für Bauweisen und Konstruktionsforschung wurde für die kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffschaufeln (CFK) eine neue für hoch belastete Turbokomponenten noch nie eingesetzte Fertigungsmethode basierend auf Organoblechen entwickelt. Diese beruht auf einer spanlosen Verformungsbearbeitung und einer fräsbasierten Endfertigung der Schaufelform. Auch hier wurde für die Auslegung die automatisierte Optimierung benutzt, wobei die umfangreichen und aus dem CFK-Material resultierenden, komplexen Anforderungen sukzessive mit in die Optimierung integriert wurden. Besonders die betriebsbedingte und anfangs extrem breite Streuung der Schaufeleigenfrequenzen und -verschiebungen konnte durch die Formulierung geeigneter Zielfunktionen gegenüber dem Basisentwurf deutlich reduziert und damit in für Rig-Tests realistische Bereiche gebracht werden; gleichzeitig konnte dabei die hohe aerodynamische Leistungsfähigkeit der Blätter beibehalten und die Flattergefährdung im Arbeitsbereich ausgeschlossen werden.
Große Fortschritte wurden in der Auslegung von Faserverbunden als Schaufelwerkstoffe erzielt. Dabei wurde die Orientierung der Kohlenfasern in den einzelnen Lagen während der Auslegung variiert um damit neue Dimensionen für die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften zu erschließen. Die experimentellen Untersuchungen der Neuauslegung sind im Jahr 2019 in dem Prüfstand M2VP geplant. Zurzeit laufen die Vorbereitungen der Rig-Versuche mit einer umfangreichen Instrumentierung, die die Laser- und Sondenmesstechnik, akustische Messung, Spalt- und Deformationsmessung der Schaufeln beinhaltet.
In dem Projekt AGATA werden zurzeit numerische Studien durchgeführt um das Verhalten eines Fans mit BLI zu untersuchen. Als Versuchsträger wurde dafür das CRISPmulti-Rig ausgewählt. Im Anschluss der CRISPmulti-Messkampagne wird das Rig mit Einlaufstörung experimentell untersucht.
Neben den konzeptionellen Arbeiten zu gegenläufigen ummantelten Fans wurde im Rahmen des EU-Projektes VITAL die Variante CRTF2b aerodynamisch und mechanisch ausgelegt und am CIAM in Moskau in 2011 erfolgreich vermessen. Die Koordination des Arbeitspaketes und die Spezifikation auf Systemebene erfolgten durch die Snecma. Für den am DLR erarbeiteten Entwurf beider Rotoren kam erstmalig für eine Rig-Auslegung die automatisierte Optimierung zum Einsatz, hier wurden die Ziele nach maximalem Wirkungsgrad bei hinreichend großem Arbeitsbereich unter Einhaltung mechanischer und fertigungsrelevanter Nebenbedingungen ausnahmslos erfüllt. Die endgültige mechanische Freigabe und Bewertung erfolgte dabei in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Bauweisen und Konstruktionsforschung. Nach erfolgreicher Inbetriebnahme des aus zwei gegenläufig rotierenden Blisks bestehenden Test-Rigs (siehe Abbildung 5) im Januar 2011 konnten nicht nur die Auslegungsergebnisse anhand der über den gesamten relevanten Drehzahlbereich gemessenen Kennfelddaten und zusätzlich von der Abteilung Triebwerksakustik aufgenommenen Hitzdrahtmessungen grundsätzlich bestätigt werden, sondern es wurde darüber hinaus eine deutliche Wirkungsgradverbesserung von bis zu 2% gegenüber der Referenzkonfiguration CRTF1 nachgewiesen.
Im Rahmen einer europäischen Kooperation wurde mit den Partnern Safran AE, Onera und Comoti im Projekt COBRA eine gegenläufige Triebwerks-Fanstufe entwickelt. Daraus entstand ein Machzahl-ähnliche Versuchsträger mit einem Durchmesser von 0.65m, der am russischen CIAM in Moskau erfolgreich in Betrieb genommen und experimentell untersucht wurde.
Bei der Auslegung stand dabei, neben der aerodynamischen Performance eine Lärmminderung um mindestens 3 dB gegenüber der gegenläufigen Triebwerks-Fanstufe aus dem VITAL-Projekt im Fokus. Das DLR war dabei für die aerodynamische Auslegung des Fans verantwortlich, die akustischen Aspekte wurden in enger Kooperation mit den anderen Partnern während der komplexen und disziplinübergreifenden Auslegung berücksichtigt. Über die akustischen Aspekte hinaus wurde am DLR eine neue Auslegungsmethodik erstmals für ein Rig-Design erfolgreich angewendet. Diese so genannte Multi-fidelity-Optimierung beruht auf zwei Vernetzungsauflösungen (Low and High Fidelity) und ermöglichte eine signifikante Beschleunigung des Auslegungsprozesses. Weitere herausfordernde Restriktionen, die sich besonders aus einem technisch realisierbaren Getriebekonzept ergaben, wurden für die Aerodynamik, die Akustik sowie für die Strukturmechanik vorgegeben. Während das DLR für die Auslegung und deren Koordination verantwortlich war, wurden die akustischen Eigenschaften der optimierten Geometrie mit hochwertigen CAA-Simulationen durch die Partner Onera und Safran bewertet.
Die Kennfeld- und Akustikmessungen der ausgelegten Triebwerksfanstufe COBRA wurden jüngst beim CIAM in Moskau erfolgreich durchgeführt (siehe Abbildung 6, links). Die ersten Auswertungen der Messdaten zur Aerodynamik und Akustik zeigen eine vielversprechende Übereinstimmung mit den Auslegungsdaten und bestätigen somit die Zielerreichung (siehe Abbildung 6 rechts). Die erfolgreiche Inbetriebnahme und Durchführung der Tests ist dabei ein weiterer, wichtiger Meilenstein, um die Kompetenz am DLR zur Fanforschung und dem Einsatz neuartiger Auslegungs- und Optimierungsverfahren weiter auszubauen und im europäischen Rahmen zu zeigen. Darüber hinaus kommt im diesem erfolgreichen Projektabschluss die erfolgreiche und effiziente Zusammenarbeit aller beteiligten, europäischen und russischen Partnern zum Ausdruck.
Ausgewählte Publikationen:
Aulich, A.-L., Görke, D., Blocher, M., Nicke, E. und Kocian, F.: Multidisciplinary Automated Optimization strategy on a Counter Rotating Fan, ASME Turbo Expo 2013, 3.-7. Juni 2013, San Antonio, Texas, USA
Blocher, M. und Aulich, A.-L.: Flutter susceptibility approximation via curve fitting and MAC-analysis in an automated optimization design process, ASME Turbo Expo 2013, 3.-7. June 2013, San Antonio, Texas, USA
Backhaus, J., Aulich, M., Frey, C., Lengyel, T. und Voß, C.: Gradient Enhanced Surrogate Models Based on Adjoint CFD Methods for the Design of a Counter Rotating Turbofan, ASME Turbo Expo 2012, 11.-15. June 2012, Copenhagen, Denmark
Görke, D., Le Denmat, A.-L., Schmidt, T., Kocian, F. und Nicke, E.: Aerodynamic and Mechanical Optimization of CF/PEEK Blades of a Counter Rotating Fan, ASME Turbo Expo 2012, 11.-15. Juni 2012, Copenhagen, Denmark
Lengyel, T., Nicke, E., Rüd, K.-P. und Schaber, R.: Optimization and Examination of a Counter-Rotating Fan Stage - The Possible Improvement of the Efficiency Compared with a Single Rotating Fan, ISABE Paper, 20th ISABE Conference Gothenburg/Sweden 2011, ISABE 2011-1232
Lengyel, T., Schmidt, T., Voß, C. und Nicke, E.: Design of a Counter Rotating Fan – An Aircraft Engine Technology to Reduce Noise and CO2-Emissions, ISABE Paper, 19th ISABE Conference Montreal/Canada 2009, ISABE 2009-1267
Meillard, L., Mihail Stanica, C., Ben Nasr, N., Riéra, W.: Design of a counter rotating fan using a multidisciplinary and multifidelity optimisation under high level of restriction, ISABE Paper, 23rd ISABE Conference Manchester/UK 2017, ISABE 2017-21387
Weitere Veröffentlichungen finden Sie in der Veröffentlichungsliste der Abteilung Fan und Verdichter.