Raumfahrt | 15. Juli 2016 | von Christian Grimm

Halbzeit für MASCOT - die Hälfte der Strecke ist geschafft

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die MASCOT-Flugersatzeinheit (FS) während weiterer Tests in Bremen.

Am 3. Dezember 2014 startete der deutsch-französische Asteroidenlander MASCOT mit seiner Trägersonde Hayabusa-2 von Tanegashima, einer Insel rund 40 Kilometer südlich vom japanischen Festland. Seitdem ist viel passiert: Eine kurze Zusammenfassung nach fast der Hälfte der Flugzeit.

Anfang 2015 wurde die Flugersatzeinheit von MASCOT, das sogenannte Flight Spare (FS), überarbeitet und fertig gestellt. Dieser baugleiche "Zwilling" des Asteroidenlanders dient auf der Erde als Referenzsystem zur fliegenden Einheit, dem Flight Model (FM). Die Ersatzeinheit unterlief dabei die gleichen Qualifikationstests wie das Flugmodell und konnte zudem auch für weiterführende Komponententests verwendet werden, welche für das FM auf Grund des engen Zeitplans zuvor nicht mehr möglich gewesen waren. Diese zusätzlichen Tests fokussierten sich hauptsächlich darauf, die bestmögliche Performance aus dem Gesamtsystem zu bekommen und die notwendigen Parameter für die Landung im Oktober 2018 auf den Punkt genau zu kalibrieren. Hierunter fallen zum einen Messkampagnen für die wissenschaftlichen Instrumente.##markend##

So wurden für das französische Infrarot-Spektralmikroskop mehrere Messungen mit organischen Substratgemischen und realen Meteoritenproben durchgeführt. Diese Tests mit der Ersatzeinheit bestätigten damit gleichzeitig die Fähigkeit des MASCOT-Systems, diese Aufgabe später mit den eingestellten Parametern selbstständig auf dem Asteroiden durchzuführen, die Daten zu verarbeiten und für die Übermittlung vorzubereiten. Das deutsche Magnetometer wurde zudem erneut in magnetisch-neutraler Umgebung getestet, bei der alle Instrumente von einer "realen" MASCOT-Flugbatterie (baugleich mit der an Bord des Asteroidenlanders) betrieben wurden. Mit dieser Kalibration war es möglich, die charakteristischen Kennlinien der größtmöglichen Störquellen darzustellen, die nun später von den Messungen auf der Asteroidenoberfläche herausgefiltert werden können.

Zum anderen wurden für die Datenübermittlung Testkampagnen beispielsweise für die Kommunikationselemente durchgeführt, um die realitätsgetreuen Kennwerte für die Antennenverbindungen, deren Wechselalgorithmus sowie für die hohen Übertragungsraten in unterschiedlichen Entfernungen und entsprechenden Energiemodi zu bestimmen. Außerdem werden aktuell sehr umfangreiche Untersuchungen mit Testbatterien der MASCOT-Primärbatterie durchgeführt: Speziell das Zusammenspiel zwischen der reinen Stromversorgung, der Verteilungseinheit und den vier wissenschaftlichen Nutzlasten, die die Hauptverbraucher des Systems sind. Nur mit den richtigen Einstellungen, einer angepassten Messsequenz sowie den richtigen thermischen Anfangsbedingungen kann sichergestellt werden, dass MASCOT auch die letzten Reserven aus seiner kompakten Energieversorgung herausholt.

Quelle: DLR
MASCOT-Bodenreferenzmodel (GRM) im Kontrollzentrum in Köln.

Die Flugersatzeinheit ist das Arbeitspferd für das Entwicklungsteam in Bremen. Ebenso braucht das Bodenpersonal im Kontrollzentrum in Köln ein weiteres und unabhängiges Modell von MASCOT. Das sogenannte Bodenreferenzmodell (Ground-Reference-Modell, GRM) dient zur Erprobung und Validierung der Kommunikations- und Operationssequenzen bevor diese auf das Flugmodell im Orbit überspielt werden können. Für diesen Zweck wurden die Ersatzteile von MASCOT und frühere Test- und Qualifikationsmodelle aufbereitet und wiederverwendet, um einen kosteneffizienten Nachbau des MASCOT-Systems in einer anwenderfreundlichen Tischkonfiguration zu erstellen. Nach Fertigstellung wurde das Bodenreferenzmodell von den Bremer Ingenieuren nach Köln geliefert. Hierbei erfolgte eine Einweisung in die Handhabung der Hardware und ein intensives Training zur Programmierung der Onboard-Computer-Software. Dieser Schritt ist vergleichbar mit der Auslieferung eines Smartphones mitsamt Entwicklersoftware zur Erzeugung eigener Programmroutinen und Apps. Durch die umfangreiche Entwicklung, die Tests und den Bau in Bremen wurde gezeigt, dass das MASCOT-System funktioniert. Mit diesem unabhängigen Gesamtpaket können nun die Kölner Experten ihre Arbeit aufnehmen und die notwendige Intelligenz mit beispielsweise speziellen Steuersequenzen für die Landung entwickeln und vorbereiten. Dass die bisherige Kommunikation mit dem Flugmodell im Orbit sowie die Kommandierung der internen Mechanismen soweit aber ohne Probleme verläuft, haben die zweimal pro Jahr durchgeführten Kontaktaufnahmen mit MASCOT schon gezeigt.

Auch wenn zur Halbzeit bisher alle Anzeichen für eine erfolgreiche Mission sprechen, dürfen wir nicht vergessen, dass speziell auf interplanetaren Missionen in der erbarmungslosen Umgebung des freien Raums zu jeder Zeit unvorhergesehene Probleme auftreten können. Das gesamte MASCOT-Team arbeitet akribisch daran, alle Möglichkeiten zu untersuchen und mit in die weitere Planung einzubeziehen. Es bleibt aber nach wie vor ein Schuss ins Unbekannte. Oder, um es mit bekannten, leicht veränderten Worten zu sagen:

"Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2016. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Haysbusa-2, das mit seiner MASCOT-starken Besatzung 4,5 Jahre unterwegs ist, um eine neue Welt zu erforschen, Anzeichen für Leben und neue Antworten für die Menschheit zu finden. Viele Lichtsekunden von der Erde entfernt dringt Hayabusa-2 dabei in Orte vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat."

Drücken Sie uns daher als interessierter Beobachter weiter alle Daumen!

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Über den Autor

Christian Grimm arbeitet seit 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im DLR am Institut für Raumfahrtsysteme in der Abteilung Explorationssysteme. Seit Ende 2011 ist er Teil des MASCOT-Teams, welches die Flugmission des Asteroidenlanders auf der japanischen Muttersonde Hayabusa-2 vorbereitet und koordiniert. zur Autorenseite