Raumfahrt | 26. Oktober 2018 | von Jörn Helbert

MERTIS - ein völlig neuer Blick auf den Merkur

Quelle: DLR.
MERTIS Flugmodell im Planetenspektroskopischen Labor "sieht" den simulierten Merkur unter dem kritischen Blick des Co-Projektleiters Dr. Jörn Helbert

Am 20. Oktober 2018 war es endlich soweit. Nach 15 Jahren Entwicklungsarbeit brach das MERTIS-Instrument auf der ESA/JAXA-Mission BepiColombo als Nutzlast in der Spitze einer Ariane 5-Trägerrakete von Kourou in Richtung Merkur auf. MERTIS steht für Mercury Radiometer and Thermal infrared Imaging Spectrometer. MERTIS wird das erste Mal den Merkur im sogenannten thermischen Infrarot aufnehmen. In diesen Wellenlängen wird nicht das reflektierte Sonnenlicht gemessen, sondern direkt die Wärme, die von der Oberfläche abgestrahlt wird. Mit einer Spitzentemperatur von fast 430 Grad Celsius ist die Merkuroberfläche ideal geeignet für dieses Messverfahren. In thermischen Infrarot können die gesteinsbildenden Silikatminerale besonders gut identifiziert werden. Damit wird uns MERTIS die erste mineralogische Karte der gesamten Merkuroberfläche liefern. MERTIS wird uns dabei helfen zu verstehen, wie sich der Merkur gebildet und wie er sich im Lauf seiner Geschichte verändert hat. Welche Formen von Vulkanismus gab es? Was hat den explosiven Vulkanismus auf dem Merkur angetrieben? In welcher Form liegt der Schwefel vor, den die NASA MESSENGER Mission entdeckt hat (und mit dem eigentlich niemand gerechnet hatte)?##markend##

Der zweite Kanal im MERTIS-Instrument misst die Oberflächentemperatur direkt. Auch das wird ein Novum sein: Bisher gibt es nur Modelle zur Temperatur der Oberfläche. Mit MERTIS können wir zum Beispiel die Temperatur in den Kratern an den Polen des Merkurs messen, deren schüsselförmige innere Vertiefungen immer im Schatten liegen. Ist es dort wirklich kalt genug für Wassereis? Da wir die Temperatur zu vielen verschiedenen Tageszeiten messen, kann MERTIS auch etwas darüber sagen wie fein das Material an der Oberfläche ist. Feines Material kühlt in der Nacht schneller aus, Felsen halten die Wärme länger. Selbst ohne einen Lander bekommen wir so ein sehr detailliertes Bild der Oberfläche.

MERTIS ist eine Kooperation zwischen den DLR-Instituten für Planetenforschung und Optische Sensorsysteme in Berlin-Adlershof und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Die Komponenten für MERTIS wurden bei einer Reihe von Partnern hergestellt - unter anderem dem Space Research Center in Warschau (Polen), dem Leibniz-Institut für Photonische Technologien und dem Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik, beide in Jena, Astro Feinwerktechnik in Berlin und und der OHB Systems AG in München. MERTIS enthält eine Reihe von neuen Technologien. So ist der Hauptdetektor von MERTIS ein ungekühltes Mikrobolometer - der erste Chip dieser Art, der in Europa für Weltraumanwendungen qualifiziert wurde. Der große Vorteil dieses Detektors ist, dass er eine hohe Empfindlichkeit bietet, ohne dass er auf tiefe Temperaturen gekühlt werden muss. Das ist in der heißen Umgebung des Merkur natürlich ein großer Vorteil. MERTIS konnte damit kleiner und leichter gebaut werden als vorherige Spektrometer für das thermische Infrarot und bringt gerade mal 3 kg auf die Waage.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Das MERTIS Flugmodell kurz vor der Auslieferung an die ESA im Sommer 2013

Der zweite Detektor für die Messung der Temperatur ist auch eine Besonderheit. Direkt aus einem Stück Silizium geätzt, ist der gesamte Sensor nur 3,6 mm mal 1 mm groß und bildet den Spalt für das Spektrometer. Dieses hoch integrierte Konzept ist ein weiteres Novum des MERTIS-Instruments. Insgesamt hat das Instrument dadurch nicht nur weniger Masse, sondern MERTIS braucht auch nur 10 Watt für seinen Betrieb. Um die Temperaturen im Instrument niedrig zu halten, wurde vor die Optik ein sogenanntes Baffle gesetzt, eine Art Streulichtblende, die alle Strahlung reflektiert, die nicht direkt in die Optik fällt. Im Betrieb um den Merkur wird das Baffle an seiner Spitze Temperaturen von deutlich über 100°C aushalten müssen, während es am anderen Ende nie wärmer als 30°C wird.

Vor der Auslieferung an die ESA ist das MERTIS-Instrument umfangreichend getestet und kalibriert, also geeicht worden. Dabei wurde sichergestellt dass es die extremen Bedingungen und die lange Reise überstehen wird, und dass es Daten in der geplanten Qualität liefert. Während der Kalibration war MERTIS auch im "Planetenspektroskopischen Labor" des DLR. In diesem Labor gibt es einen weltweit einmaligen Aufbau, in dem die Spektren von Mineralen und Gesteinen unter simulierten Merkur-Bedingungen vermessen werden. Durch die hohen Temperaturen auf der Merkuroberfläche können sich die charakteristischen Eigenschaften der Minerale verändern, und das hat natürlich Einfluss auf die Auswertung der MERTIS-Daten. Um dies besser zu verstehen wird am DLR seit einigen Jahren eine Datenbank für Hochtemperaturspektren von Merkur Analogproben aufgenommen. Um dies direkt mit MERTIS vergleichen zu können haben wir das Fluginstrument auf unsere Kammer im Labor gebaut. MERTIS konnte dort quasi zum ersten Mal einen Blick auf die heiße Oberfläche des Merkur werfen - oder zumindest auf eine Probe mit Material von der wir denken, dass sie Merkur-typisch ist.

Die letzten Monate vor dem Start waren der Vorbereitung des Instrumentenbetriebs gewidmet. MERTIS ist eines von elf Instrumenten auf dem europäischen Teil der Mission BepiColombo, dem Mercury Planetary Orbiter. Alle Instrumente zusammen werden die Geheimnisse des Merkur lüften und müssen dazu wie ein gut eingespieltes Team zusammenarbeiten. Das geht nicht ohne viel Training und Vorbereitung. Betrieben wird die Mission selber von Europäischen Kontrollzentrum (ESOC) der ESA in Darmstadt. Von dort werden auch die Daten an die Instrumententeams verteilt. Das heißt, im Flug "reden" wir nicht direkt mit MERTIS, sondern unsere gesamte Kommunikation läuft über das ESOC, und auch MERTIS schickt seine Daten über das ESOC zu uns. Anfang September 2018 war der letzte große Testlauf dafür in Darmstadt. Das MERTIS Team war mit anderen Teams vor Ort um das erste Anschalten der Instrumente zu proben.

Quelle: DLR.
Test am Europäischen Kontrollzentrum der ESA für den MERTIS Betrieb

Es war ein langer Tag, aber am Ende hat alles funktioniert und das MERTIS Operations Team ist glücklich aber erschöpft nach Berlin zurück geflogen. MERTIS war nun also so bereit wie es nur sein kann und ist am 20. Oktober an Bord von BepiColombo erfolgreich gestartet. Nun werden im Flug zuerst die beiden Orbiter und die Transferstufe mit dem Antriebssystem, und dann die Instrumente eingeschaltet und getestet. Für MERTIS heißt es Mitte November "Showtime" - aber das ist das Thema für den nächsten Blog-Eintrag.

Quelle: DLR.
Das MERTIS Operations Team ist nach der erfolgreichen Generalprobe für den MERTIS Betrib glücklich aber erschöpft nach Berlin zurück geflogen

 

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Über den Autor

Jörn Helbert hat an der Technischen Universität in Braunschweig Physik studiert. Den größten Teil seiner Diplomarbeit fertigte er am Imperial College in London an, wo er auch an der ursprünglichen ESA-Cluster-Mission gearbeitet hat. Mit dem Verlust der Mission beim Start lernte er direkt die Risiken von Weltraummissionen kennen. Das hielt ihn aber nicht davon ab, weiterhin auf diesem Gebiet zu bleiben. Er ging zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und wurde über die Chemie in der Koma des Kometen Hale-Bopp an der Freien Universität Berlin promoviert. zur Autorenseite

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