Luftfahrt | 26. August 2019 | von Fiona Lenz

Ab in die Röhre: Druckkammer-Studie

druckkammer titan
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die Einstiegsluke in die Druckkammer TITAN

Um 8 Uhr morgens geht es los - meine Mitprobandin Katharina und ich werden heute gemeinsam mit Studienarzt Riccardo De Gioannis in der Druckkammer TITAN sitzen, Leistungstests absolvieren und aus Masken atmen. Dabei befinden wir uns - zumindest simuliert - auf einer Höhe von 2500 Metern.##markend##

Bevor es in die Kammer geht, startet unser Versuchstag bei der Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR zunächst mit einer Blutabnahme. Zum einen Kapillarblut aus dem Ohrläppchen - darin sind wichtige Informationen über den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt sowie den pH-Wert des Blutes enthalten. Zum anderen wird venöses Blut aus dem Arm abgenommen. Aus dem venösen Blut werden Zellen gewonnen und darin das Molekül  "Hypoxia Induced Factor " (HIF-α) gemessen. Dieses Molekül wird als Schutzmaßnahme bei Hypoxie vom Körper produziert und spielt eine Rolle in Entzündungsprozessen und im Krebswachstum. Am Ende der Kammerfahrt, noch  "auf Höhe ", wird erneut Blut abgenommen und mit dem Blut vom Morgen verglichen.

Blutabnahme
Quelle: DLR
Studienarzt Riccardo nimmt Probandin Katharina Blut ab

Nach dem pieksigen Beginn des Tages wartet Helene mit einem deftigen Frühstück auf uns - ein riesiger Berg belegter Brötchen. Danach heißt es für Katharina und mich, ein letztes Mal eine normale Toilette benutzen und dann: Abflug! Die Bodencrew wünscht uns einen erfolgreichen Flug und dann geht es ab in die Druckkammer TITAN. Die Druckkammeranlage ist eine liegende Röhre mit einem Durchmesser von ca. 2,30 m. Sie kann bis zu sechs Probanden beherbergen und der Luftdruck innerhalb der Kammer kann bis auf zehn mbar abgesenkt werden, was einer Höhe von mehr als 30 Kilometern entspricht.

Atemmaske
Quelle: DLR

Welche Höhe heute simuliert wird, erfahren wir Probanden nicht im Vorfeld - ob dabei der Kohlendioxyd - Gehalt (CO2) erhöht wird, erfahren wir auch erst nach unserem  "Flug ". Bevor wir abheben, durchlaufen Katharina und ich die ersten Leistungstests - Reaktionstests, Merkfähigkeit sowie Auffassungsgabe - und es wird gemessen, mit wie viel Sauerstoff unser Hämoglobin angereichert ist. Das passiert mit Hilfe von Sensoren an Stirn und Oberschenkel, während eine Gesichtsmaske unsere Atemfrequenz, die Atemtiefe sowie die Atemgaskomposition analysiert. Außerdem füllen wir einen Fragebogen aus, ob wir müde sind, Schwindel empfinden und wie es uns im Allgemeinen geht.

Ziel der Studie ist es, die Kabinenatmosphäre in Passagierflugzeugen zu optimieren und Flugzeuge komfortabler und effizienter zu gestalten: Die Idee ist, die Luft in der Kabine seltener auszutauschen und diese stattdessen innerhalb des Flugzeugs wieder aufzubereiten, hierdurch könnten Flugzeuge einiges an Treibstoff sparen. Einhergehen würde damit aber eine höhere CO2-Konzentration in der Kabinenluft und es ist nicht bekannt, wie sich diese - in Wechselwirkung mit dem höhenbedingten Sauerstoffmangel beim Fliegen - auf den Menschen auswirkt. Martin Wittkowsky, Projektleiter des Teilprojekts AtLAS-Studie erklärt: "Die Studie ist sehr zeitintensiv, allein dadurch, dass jeweils nur zwei Probandinnen oder Probanden inklusive eines Arztes in die Kammer können - für einen gesamten Tag! ". Der aufwändige Weg soll sich aber lohnen:  "Die Ergebnisse der Studie werden sehr spannend sein, nicht nur für uns".

Leistungstest
Quelle: DLR
Katharina während eines Leistungstests: Ziel ist es, den kleinen Punkt mit dem Joystick "einzufangen"

Pünktlich um 10 Uhr geht es los: Unsere Kammerfahrt beginnt. An Bord befinden sich meine Mitprobandin Katharina, unser Studienarzt Riccardo und ich. Außer einem leichten Druck auf den Ohren merken wir von dem 20-minütigen  "Anstieg " nichts. Auf Reisehöhe angekommen, wird sich unser Programm jede Stunde wiederholen: Leistungstests, 15 Minuten Atemmaske, Brotzeit, Fragebogen zum Befinden und Pipi-Pause. Letzteres wird nicht einfach in der Toilette heruntergespült sondern in Flaschen gesammelt, um es im Nachgang auf das Molekül 3-Methylhistidin zu untersuchen. Dadurch können Informationen über den Muskelkatabolismus gewonnen werden. Sechs Mal durchlaufen Katharina und ich dieses Programm, immer unter den wachsamen Augen von Riccardo und unserer Bodencrew, bestehend aus Daniel, Titiaan und Projektleiter Martin.

Bodencrew
Quelle: DLR
Die Bodencrew von TITAN

Außerhalb der Druckkammer wird vor allem auf Strömungsgeräusche gehört, zudem werden die Werte von Katharina und mir permanent überprüft. Während  "Start " und  "Landung" heißt es dann volle Konzentration für die Bodencrew - TITAN wird nämlich manuell hoch- und heruntergefahren.

Nach über sechs Stunden, 13 liebevoll geschmierten Broten von Helene, vielen Zahlenreihen-Tests und einer erneuten Blutabnahme heißt es dann  "Ready for Landing? " und Martin holt uns wieder zurück auf den Boden.

Von voll motiviert bis ordentlich müde, von topfit zu leichtem Schwindel war an diesem Tag fast alles dabei. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse und hoffe, das eifrige Klicken bei den Reaktionstests von Katharina und mir bringt brauchbare Erkenntnisse - und dass Flugreisende dank uns schon bald ein komfortableres On-board-Erlebnis haben werden.

 

TrackbackURL

Über den Autor

Fiona Lenz war bis 2019 Mitglied im Cross-Media-Team und seit 2016 für das DLR auf twitter, facebook und Co. unterwegs. Davor studierte sie Online-Journalismus, als Generation „Digital Native“ naheliegend. Dass sich ihr Weg dann in Richtung Forschung und Wissenschaft entwickelt, hätte Fiona zu Beginn ihres Studiums selbst nicht gedacht. Nach einem Praktikum beim DLR wollte sie aber einfach nicht mehr gehen. zur Autorenseite