Raumfahrt | 09. Juni 2021 | von Manfred Gaida

Eine Sonnenfinsternis ohne Korona

Quelle: ESO/Smrgeog
Eine ringförmige Sonnenfinsternis tritt auf, wenn sich der Mond vor die Sonne schiebt, aber die Sonnenscheibe nicht vollständig bedeckt, sodass ein Ring aus Licht entsteht.

Am 10. Juni 2021 ereignet sich von Kanada über Grönland und den Nordpol bis nach Sibirien hinwegziehend eine ringförmige Sonnenfinsternis. Der Mond befindet sich hierbei im erdfernen Abschnitt seiner Bahn und kann die Sonnenscheibe nicht vollständig bedecken. In weiten Teilen Nordamerikas, Europas und Asiens ist die Finsternis partiell sichtbar. Dabei gilt, je nördlicher der Beobachtungsstandort ist, desto größer und länger ist die partielle Phase. In Deutschland beginnt die partielle Finsternis um zirka 11:20 Uhr MESZ und endet gegen 13:50 Uhr MESZ. Die genauen Zeiten können hiervon für den jeweiligen Standort abweichen. Die nächste Sonnenfinsternis, die man von Europa (Ostgrönland, Westisland und Nordspanien) aus total sehen kann, findet am 12. August 2026 statt.

Eine ringförmige Sonnenfinsternis hat für jeden Beobachter einen besonderen Reiz. Anders als bei einer totalen Sonnenfinsternis leuchtet kein strahlender Kranz, keine Korona um die vom Mond bedeckte Sonnenscheibe auf, sondern der Sonnenrand selber wird zu einem auffallend hellen Feuerring um die dunkle Neumondscheibe herum. Das ganze Schauspiel wird überall, wo man sich in der maximal 527 Kilometer breiten Ringschattenzone, der Antumbra des Mondes, befindet, bis zu knapp vier Minuten dauern. Und freilich wird auch dort der Taghimmel dann ein wenig dunkler werden, wenngleich nicht so sehr wie im Kernschatten einer totalen Sonnenfinsternis. ##markend##

Die kleinere Mondscheibe schiebt sich vor die größere Sonnenscheibe, bis ein grell leuchtender Ring den Mond symmetrisch umsäumt. Kurz bevor sich der Mondrand vom Innenrand der sichelförmig gewordenen Sonne ablöst, beziehungsweise ihn vor dem Austritt wieder berührt, bricht sich noch das Sonnenlicht durch die Mondtäler, und für einen kurzen Moment können die sogenannten Bailyschen Perlen aufleuchten - ein Perlschnurphänomen, das der Astronom Francis Baily (1774-1844) im Jahr 1836 erstmals beschrieb.

Zentral und partiell - die "Zoologie" der Finsternisse

Sonnenfinsternisse treten grundsätzlich in zwei Arten auf: als zentrale und rein partielle Finsternisse, wobei sich die zentralen weiter in ringförmige und totale Sonnenfinsternisse unterteilen lassen. Im seltenen Fall kommt es auch zu einer "hybriden", ringförmig-totalen Finsternis, verursacht durch die Erdkrümmung. Dabei ist die jeweilige Konstellation von Erde, Mond und Sonne entscheidend. Je weiter der Mond von der Erde entfernt ist und je näher die Sonne zur Erde steht, desto eher kommt es zu einer ringförmigen Sonnenfinsternis. Steht der Mond jedoch im Perigäum, das heißt in Erdnähe, kommt es stets zu einer totalen Sonnenfinsternis, wenn alle anderen himmelsmechanischen Randbedingungen dafür erfüllt sind.

Quelle: timeanddate.de
Verschiedene Arten von Sonnenfinsternissen: Totale, partielle und ringförmige (v.l.)
Quelle: timeanddate.de

Der Saros - ein bewährtes Zeitmaß für Finsternisse

Doch was ist es, das die Menschen seit jeher an einem solchen kosmischen Schauspiel fasziniert? Im Altertum deutete man Finsternisse als Zeichen des Schicksals und als eine Botschaft der Götter für die Herrschenden, zumal die Sonne als Quell des Lebens und selber als Gottheit galt. Schon die Babylonier stellten mathematische Regeln auf, mit denen sich Sonnen- und Mondfinsternisse vorhersagen ließen. Sie fanden heraus, dass Mond- und Sonnenfinsternisse ähnlicher Art und Form im Abstand von 6.585 1/3 Tagen aufeinander folgen, und nannten diese spezielle Abfolge "Saros". Nach dem Ablauf einer Sarosperiode nehmen Mond, Erde und Sonne nahezu wieder die gleiche Stellung zueinander ein, sodass sich Sonnen- und Mondfinsternisse nach diesem Zeitraum unter fast denselben Bedingungen wie 18 Jahre zuvor wiederholen. Außer dem Saros lassen sich noch andere Finsternis-Zyklen aufstellen, doch keiner von ihnen hat sich so eingeprägt und praktisch bewährt wie der Saroszyklus.

Die jetzige ringförmige Sonnenfinsternis gehört zum solaren Saroszyklus Nr. 147. Dieser begann hoch im Norden am 12. Oktober 1624 und wird am 24. Februar 3049 tief im Süden nach insgesamt 80 Finsternissen enden. Davon erfolgen 21 partielle Finsternisse auf der Nordhalbkugel, 40 ringförmige sowohl in nördlichen und südlichen Breiten und schließlich weitere 19 partielle Finsternisse auf der Südhalbkugel. Der Wechsel von Nord- zur Südhemisphäre geschieht in rund zweihundert Jahren. Das Besondere an der Abfolge aller 80 Finsternisse ist, dass darin keine totale Sonnenfinsternis vorkommt, wie man es von vielen anderen Saroszyklen kennt.

Quelle: Fred Espenak

Tipps für die eigene Beobachtung

Von München bis Hamburg wird die partielle Verfinsterung der Sonnenscheibe zur Mittagszeit gut zwei Stunden lang zu sehen sein, wolkenfreier Himmel vorausgesetzt. Die Sonne steht um diese Zeit knapp 60 Grad hoch und strahlt entsprechend intensiv.

Wer das Ereignis mit dem bloßen Auge verfolgen möchte, muss unbedingt sein Augenlicht mit einer qualifizierten, geprüften Sonnenfinsternisbrille, auch bekannt als SoFi-Brille, schützen. Auch darf man auf keinen Fall mit einer derartigen Schutzbrille vor den Augen die Sonne durch ein Fernglas oder ein Teleskop beobachten. Hierfür gibt es entsprechende Schutzfolien und Filter, die vor dem Objektiv angebracht werden. Okularsonnenfilter sind zu vermeiden, da sie von der Sonnenstrahlung erhitzt platzen können. Mehr Informationen finden sich hier.

Alternativ kann man die Sonnenscheibe auf eine weiße Fläche projizieren und so ungefährdet den Verlauf der partiellen Phase betrachten. Aber auch dabei gilt es, nicht entlang des Strahlenweges zur Sonne zu blicken.

Die exakten Zeiten für den eigenen Beobachtungsstandort lassen sich mithilfe dieser "Finsternis-Karte" finden. Etliche Live-Streams werden angeboten, um das Schauspiel am Bildschirm zu verfolgen und erklärt zu bekommen. Wieviele solcher Übertragungen dann sogar direkt aus der relativ menschenleeren Ringschattenzone zu sehen sein werden, bleibt abzuwarten. Eine gute, ausgiebige Sicht auf die Finsternis dürfte auf jeden Fall die Crew des Forschungsschiffs "Polarstern" des Alfred-Wegener-Instituts haben, die sich augenblicklich auf einer fünfwöchigen Forschungsexpedition in der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen befindet. Eventuell werden von dort auch Bilder der Finsternis in diesen Live-Stream eingespielt.

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Über den Autor

Manfred Gaida ist seit seiner frühsten Jugend vom Weltall fasziniert und wurde schon als Schüler Mitglied der Kölner Sternfreunde. Von 1973 bis 1982 studierte er an den Universitäten Bonn und Köln Astronomie und Physik und war 33 Jahre lang als promovierter Astronom wissenschaftlicher Mitarbeiter im DLR-Raumfahrtmanagement. Zwischendurch widmete er sich auch einige Jahre intensiv dem Wissenschaftsjournalismus und war nebenbei als Fachübersetzer für bekannte populärwissenschaftlich orientierte Verlage tätig. zur Autorenseite