Raumfahrt | 09. September 2020 | von Mattia Marconcini

Unser globaler Fußabdruck – wo leben die Menschen weltweit?

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
WSF2015 – Teilgebiet einschließlich Indien und großer Teile Ost- und Südostasiens.

Nach drei Jahren akribischer Datenverarbeitung und umfassender Qualitätskontrolle ist es soweit – der World Settlement Footprint 2015 ist jetzt verfügbar. Die neue Weltkarte zeigt mit einer Auflösung von 10 Metern unsere Siedlungsstrukturen auf der Erde im Jahr 2015.##markend##

Auf den ersten Blick scheint es heute selbstverständlich zu sein, zu wissen, wo die Menschen leben. Für viele Menschen ist die Nutzung frei zugänglicher Webdienste, die Karteninformationen wie detaillierte Gebäudeumrisse anbieten (wie zum Beispiel Google Maps, Bing Maps oder OpenStreetMap), selbstverständlich. Konzentriert man sich jedoch auf Länder mit niedrigem/mittleren Einkommen - vor allem auf deren ländliche und vorstädtische Gebiete - wird schlagartig klar, dass selbst Informationen zur allgemeinen Ausdehnung von Siedlungen für den Großteil der Welt nicht verfügbar sind. Diese Lücke zu schließen, ist zu einem unserer Hauptziele geworden. Seit 2012 nutzt das Team "Smart Cities und Raumentwicklung" des DLR Erdbeobachtungszentrums (EOC) gezielt Satellitendaten, um menschliche Siedlungen auf globaler Ebene mit hoher Genauigkeit zu kartieren. Der neue World Settlement Footprint (WSF) gibt einen Überblick und Einblick in urbane Strukturen im Jahr 2015: Der "WSF2015" ist ab sofort hier öffentlich und frei verfügbar.

In diesem Rahmen wurden in den letzten Jahren verschiedene räumlich hochauflösende Datensätze veröffentlicht, die die globale Siedlungsausdehnung skizzieren. Darunter haben wir 2016 den Global Urban Footprint (GUF) veröffentlicht, der mit einer Auflösung von 12 Metern alle anderen ähnlichen Produkte übertrifft und mithilfe von Radarbildern der Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X aus den Jahren 2011 bis 2013 erstellt wurde. Der GUF selbst wies jedoch noch zwei große Nachteile auf. Zum einen wurden die Siedlungsdaten (wie die anderen bisher existierenden Datensätze) aus einzelnen Momentaufnahmen generiert, die teilweise stark von den spezifischen Aufnahmebedingungen beeinflusst wurden, was zu Fehlklassifizierungen führte. Zum anderen wurde kommerzielles Bildmaterial verwendet, das aufgrund seiner hohen Kosten eine systematische Aktualisierung verhindert.

Um diese Probleme zu überwinden, haben wir dann mit der Entwicklung eines neuen 10-Meter-Auflösungsprodukts begonnen, das zum ersten Mal gemeinsam offene und freie multi-temporale Daten nutzt, dem World Settlement Footprint (WSF) 2015. Insbesondere kombiniert der WSF2015 erstmalig die von den Satelliten Landsat-8 und Sentinel-1 erfassten optischen und Radar-Satellitenbilder der Jahre 2014 und 2015. Diese Datensätze erwiesen sich als komplementär, da sie empfindlich auf unterschiedliche Strukturen am Boden reagieren (d.h. auf künstliche Oberflächen wie zum Beispiel bebaute Gebiete).

Die Umsetzung des WSF2015 war ein langer Weg, der 2016 begann und insgesamt mehr als drei Jahre andauerte. Konkret haben wir alle unsere Anstrengungen darauf verwendet, einen offenen und frei verfügbaren Datensatz zu erstellen, der hochgenau sowie zuverlässig ist und in der Lage ist, alle Anwendungen zu unterstützen, die detaillierte und genaue Informationen über menschliche Präsenz benötigen (zum Beispiel um die Vertreibung von Menschen nachzuvollziehen, zu beurteilen, wie viele in Risikogebieten leben, den Nahrungsmittel- und Energieverbrauch einzuschätzen oder detaillierte epidemiologische Analysen durchzuführen, um nur einige zu nennen). Einerseits mussten wir, als die Aktivitäten 2016 begannen, noch einige technologische Herausforderungen bewältigen (insbesondere im Zusammenhang mit der rechenintensiven Datenvorverarbeitung), die durch die ständige Weiterentwicklung des Cloud Computing heute einfacher geworden sind. Andererseits haben wir immer wieder die Zwischenergebnisse mit Google Earth-Bildern verglichen, um die endgültige Methodik kontinuierlich zu verfeinern und zu verbessern. Hier zeigen Siedlungen auf der ganzen Welt völlig unterschiedliche Merkmale, die hauptsächlich von der entsprechenden Klimaregion abhängen. Daher wurden die, bei dieser Qualitätsprüfung gesammelten, empirischen Beweise in spezifische Implementierungsbeschränkungen übersetzt. Dies ermöglichte es uns schließlich nicht nur große städtische Gebiete, sondern auch kleinere Siedlungen in vorstädtischen und ländlichen Regionen, in denen noch immer etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt, richtig abzugrenzen.

Die Qualität des WSF2015 wurde quantitativ mit Hilfe einer umfassenden Validierung bewertet, die in Zusammenarbeit mit Google auf der Grundlage einer riesigen Menge von Geländedaten-Proben (ca. 900.000) durchgeführt wurde, die durch Crowd-Sourcing-Fotointerpretation gekennzeichnet wurden. Insbesondere wurde ein statistisch robustes und transparentes Protokoll definiert, das dem Stand der Technik entspricht und den derzeit in der Literatur empfohlenen Verfahren entspricht. Dank der gewonnenen Erfahrung und der verbesserten Verarbeitungsmöglichkeiten können wir dieselbe "Übung" nun in kürzerer Zeit wiederholen, was uns voranbringen wird, den neuen WSF2019 Anfang 2021 zu veröffentlichen.

Die beiden Abbildungen zeigen den WSF2015 für ein Teilgebiet von Indien bis China, das auch einen Teil Südostasiens umfasst (Bild oben), sowie für einen Teil Westafrikas von Ghana bis Nigeria. Bei diesem Maßstab ist jedoch sofort ersichtlich, wie der Datensatz neben den großen Städten auch die Tausende von mittleren und kleinen Siedlungen umreißt, die in den entsprechenden ländlichen Regionen verstreut sind.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
WSF2015 - Teilgebiet, das einen großen Teil Westafrikas von Ghana bis Nigeria umfasst.

Der WSF2015 ist öffentlich und frei verfügbar über ein dediziertes Figshare-Repository. Zusätzlich zum ursprünglichen Datensatz mit einer Auflösung von 10 Metern werden fünf neu abgetastete Versionen mit einer Auflösung von 100, 250, 500, 1000 Meter sowie 10 Kilometer zur Verfügung gestellt, die für jedes Pixel die entsprechende, von Siedlungen bedeckte Bodenfläche in Prozent angeben.

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Über den Autor

Mattia Marconcini ist seit März 2012 Ingenieur und Projektleiter im Team "Smart Cities und Raumentwicklung" des DLR Earth Observation Center (EOC). Die Forschungsgruppe befasst sich mit dem Einsatz von Erdbeobachtungstechniken zur Unterstützung einer nachhaltigen Stadtentwicklung. zur Autorenseite