Raumfahrt | 13. Juli 2018 | von Christian Karrasch

CIMON #traumjob - Wenn aus "Science Fiction" Realität wird

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Bilderbuchstart der SpaceX Falcon-9 mit CIMON an Bord der Dragon Kapsel am Morgen des 29. Juni 2018 von Cape Caneveral in Florida, USA.

Cape Canaveral, Florida - ganz schön aufregend - go CIMON, go! Die Falcon-9-Rakete von SpaceX erhebt sich langsam mit einem grollenden Donner auf einem grellen Feuerstrahl gen Himmel. Dabei stemmt sie sich mit 7.600 Kilonewton Schub gegen die Schwerkraft und zeichnet ein spektakuläres Gemälde an den morgendlichen Himmel von Florida. Sogar von der Internationalen Raumstation ISS selbst ist diese "Spur des Drachen" zu sehen. Die Dragon-Kapsel der Mission SpaceX CRS-15 (Commercial Resupply Service) ist drei Tage unterwegs zur ISS und trägt "im Leib des Drachen" Nutzlast von exakt 2.676 Kilogramm (Versorgungsgüter, Ausrüstung und wissenschaftliche Experimente). Der Versorgungsflug zur Raumstation war deshalb so besonders, weil eine ganze Reihe deutscher Experimente für die aktuelle horizons-Mission von Alexander Gerst an Bord war. Darunter befand sich auch CIMON (Crew Interactive Mobile Companion). ##markend##

Wir schreiben Geschichte als Pioniere im Einsatz künstlicher Intelligenz - CIMON ist ein Puzzle-Stück in der Zukunft der Raumfahrt

CIMON ist ein vom DLR Raumfahrtmanagement in Bonn gemeinsam mit Airbus entwickelter Astronauten-Assistent, der mit künstlicher Intelligenz (KI) von IBM ausgestattet ist. Mit seinen 32 Zentimetern Durchmesser und fünf Kilogramm Gewicht ist CIMON weltweit einzigartig und bewegt sich an der Schwelle des technologisch Machbaren. Dieser intelligente Astronauten-Assistent ist mehr als nur ein fliegendes Smartphone mit Sprachassistent. CIMON kann nämlich sehen, hören, verstehen, sprechen - und fliegen. Er ist ein erster Technologie-Demonstrator, mit dem Alexander Gerst während seiner horizons Mission testweise arbeiten soll. Mittelfristig soll CIMON auch andere Astronauten auf der ISS bei ihrer Arbeit in Schwerelosigkeit unterstützen. Ein großer Vorteil von CIMON ist, dass der Astronaut Dank dem sprachgesteuerten Zugriff auf Dokumente beide Hände frei zum Arbeiten hat. Als verantwortlicher DLR-Projektleiter für CIMON erlebte ich den SpaceX-Start live vor Ort am Kennedy Space Center. Ein Moment auch tiefer Demut. Die Realisierung von CIMON war ein Kraftakt für alle Beteiligten, zwei Jahre harter Arbeit, die nun in einen Moment unbändiger Freude gipfeln. Der Start selbst wirkte fast surreal, alle Anspannung fiel von mir ab: Go CIMON, go!

Quelle: © DLR
Vor dem Vehicle Assembly Building auf dem Gelände des NASA Kennedy Space Centers

Einen Tag zuvor berichtete ich über CIMON bei einer offiziellen Pressekonferenz der NASA zum Start von SpaceX CRS-15. Das war eine sehr große Ehre, und ich war ganz schön aufgeregt. Wenn CIMON auf der ISS so funktioniert wie geplant, werden wir ein Stück Geschichte schreiben. Wir wären Pioniere im Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Raumfahrt. Die weltweite mediale Aufmerksamkeit für CIMON als erste fliegende KI im Weltraum hat all unsere Erwartungen übertroffen. Meine Kollegen von AIRBUS, IBM und ich wurden regelrecht überschwemmt mit Interviewanfragen.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die startende Sojus-Rakete am 6. Juni 2018 mit Alexander Gerst an Bord.

Ein paar Wochen zuvor reiste ich nach Baikonur in Kasachstan zum Start von Alexander Gerst, der mit einer Sojus-Rakete zur ISS flog. Diese beiden Raketenstarts (Sojus und Falcon-9) innerhalb eines Monats erlebte ich als einen harten Kontrast. Zwei Orte, wie sie verschiedener nicht sein könnten, sind Tore in den Weltraum. Dabei verbindet sie die gemeinsame Arbeit am größten Vorhaben der Menschheit - der Raumstation ISS. Die ISS ist dabei mehr als ein fliegender Ort 400 Kilometer über unseren Köpfen, der sich mit 28.000 Stundenkilometern bewegt. Diese "internationale Wohngemeinschaft" ist für mich gelebte Völkerverständigung. Mehr als hunderttausend Menschen haben weltweit daran mitgearbeitet. Das Erstaunlichste: die ISS wurde in verschiedenen Ländern gefertigt, aber erst im Weltraum zusammengebaut. Für mich ist diese internationale Zusammenarbeit wie ein Wissenschafts-Picknick im All. Jeder bringt das mit, was er am besten kann, und erst dadurch wird es zu einer grandiosen Veranstaltung für alle. Was alleine so niemand hätte bewerkstelligen können, schaffen alle gemeinsam. Das Privileg, daran mitzuarbeiten, erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit und Ehrfurcht vor der menschlichen Leistung, in Frieden zusammenzuarbeiten. Dabei agieren alle beteiligten Länder als "Raumfahrt-Familie" durch Kooperation und gegenseitige Unterstützung.

In meinem Traum-Job als Manager in der astronautischen Raumfahrt treibt mich die Begeisterung und Faszination für Raumfahrt jeden Tag aufs Neue an. Täglich werde ich konfrontiert mit unzähligen E-Mails, Anrufen, Meetings, vertraglichen Angelegenheiten, technischen Dokumenten, Presse-Anfragen und vielem mehr. Dabei habe ich mit den verschiedensten Menschen zu tun: Ingenieuren, Softwareentwicklern, Wissenschaftlern, Pressevertretern, Juristen, Betriebswirten und auch Astronauten. Das Projekt CIMON wurde als sogenanntes "Fast-Track"-Projekt realisiert. Normalerweise braucht man in der Raumfahrt-Branche für ein ähnlich komplex gelagertes Vorhaben etwa fünf bis zehn Jahre. Wir haben dies zusammen mit AIRBUS, IBM, LMU München, BioTESC und ESA in unter zwei Jahren geschafft. Darauf sind wir sehr stolz. Es war ein harter und steiniger Weg, oftmals standen wir vor großen Herausforderungen. Doch wir haben nicht aufgegeben und weiter gemacht. In der Raumfahrt sagt man: "Failure is not an option!"

Quelle: © DLR
Schwerelos: CIMON und ich bei der 31. Parabelflugkampagne des DLR in Bordeaux, Frankreich.

Ich durfte innerhalb eines Monats also zwei Raketenstarts erleben, Sojus mit Alexander Gerst und SpaceX CRS-15 mit CIMON. Doch ich kann noch einen draufsetzen (#traumjob), denn im März diesen Jahres war ich gemeinsam mit CIMON während eines Parabelflugs 31 Mal für jeweils 21 Sekunden schwerelos. Ein unglaubliches Erlebnis, über das ich eigentlich einen eigenen BLOG schreiben müsste. An dieser Stelle sei verraten: Beim Parabelflug testeten wir insbesondere die Orientierung, Navigation und Lenkung von CIMON, um für den Einsatz auf der ISS - in permanenter Schwerelosigkeit - optimal vorbereitet zu sein.

Und ja, ich gehe jeden Morgen gerne zur Arbeit, auch montags.

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Über den Autor

Dr. Christian Karrasch hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn Physik studiert und an der Ruhr-Universität Bochum promoviert. Als Doktorand bereitete er Materialproben und Experimente für den Elektromagnetischen Levitator (EML) vor, die momentan an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) laufen. zur Autorenseite