Raumfahrt | 02. Dezember 2021 | von GSOC-Team

Erfolgreicher Außenbordeinsatz: Antennensystem ausgetauscht

Quelle: DLR
Der Blick von der Columbus-Flight-Director-Konsole während des EVAs.

Ein Weltraumausstieg ist für eine ISS-Mission immer ein besonderes Highlight. Zum einen natürlich wegen des einmaligen Erlebnisses für diejenigen Astronauten, die die "extravehicular activity" (EVA) durchführen und trotz der durchgetakteten Schwerstarbeit immer ein paar Momente haben, wo sie einen Blick ins All, von außen auf „ihre Station“ oder auf die unter ihnen liegende Erde werfen können. Zum anderen wegen des immensen Aufwands in Vorbereitung und Durchführung der EVA.##markend##

An diesem 2. Dezember waren es Tom Marshburn und Kayla Barron, die als EV1 und EV2 "aussteigen“ durften. Mark Vande Hei und Raja Chari mussten beim An- und Ablegen des Raumanzugs unterstützen, Matthias Maurer war für die Bedienung des Roboterarms zuständig. Und bei uns in den Kontrollzentren hatten wir freilich jede Menge Experten an den Konsolen, die für unterschiedliche Aspekte des EVA die entsprechenden Ansprechpartner waren.

Der EVA war ursprünglich bereits für Dienstag angesetzt gewesen, wurde aber dann sehr kurzfristig verschoben, nachdem für den in Frage kommenden Zeitraum das Risiko leicht erhöht war, dass „space debris“ zum Problem für die Astronauten werden könnte. Für uns in den Kontrollzentren ein Riesenaufwand, mehrere komplette Crewtage praktisch über Nacht umzuplanen, insbesondere für den OPS PLAN (Operations Planner) in Houston, der noch wesentlich mehr Aspekte zu berücksichtigen hat als wir in Oberpfaffenhofen. Aber die Sicherheit der Astronauten steht immer an erster Stelle!

Quelle: DLR
Der Blick von der STRATOS-Position während der EVA-Vorbereitung. Während die EVA-Crew sich auf ihren Einsatz vorbereitet (mittleres Bild, obere Bildreihe im Hintergrund), hatten wir noch unsere wöchentliche Crew-Konferenz mit Matthias (unten links).

Der sperrige Name des heutigen Weltraumausstiegs, "US EVA P1 SASA R&R", beinhaltet für diejenigen, die den Abkürzungsdschungel des Raumstationsbetriebs noch halbwegs durchschauen eine kurze Inhaltsangabe: In diesem US-amerikanischen EVA wird am P1-Abschnitt des riesigen "Querträgers" der ISS die SASA (S-Band Antenna Support Assembly) "ar-and-ar-ed" (R&R - Repair and Replaced)... Alles klar?

Nochmal zum Mitschreiben: Mitte September wurde ein Fehler in der Ersatzantenne festgestellt, die für die Kommunikation mit uns in den Kontrollzentren im S-Band-Frequenzbereich vorgesehen ist. Ein Problem mit einer Ersatzantenne und dann gleich ein Weltraumausstieg hierfür im November - wohl leicht übertrieben?

Naja, die S-Band-Funkverbindung ist das robusteste, was wir für die ISS haben. Zwar mit einer geringen Bandbreite, weswegen Videos oder Wissenschaftsdaten üblicherweise über andere Funkverbindungen laufen. Aber je größer die Bandbreite, desto "gerichteter" müssen die Antennen sein. Wenn die ISS jetzt ihre Lageregelung verlieren und buchstäblich „ins Taumeln“ kommen würde, dann fiele alles Hochratige aus – und uns bliebe nur das S-Band. Über das S-Band könnten wir immer noch mit den Astronauten sprechen, Kommandos an die Station schicken, die wichtigsten Telemetriedaten empfangen. Ein längerfristiges vollkommenes Abbrechen der Funkverbindung wäre eine sehr kritische Situation für die Astronautinnen und Astronauten und die ISS. Und wie für alles, was "kritisch" ist, wird dafür eine zumindest einfache Redundanz verlangt. Diese war seit dem Fehler im September nicht mehr gegeben für unsere "S-Band-Link" - und damit war schnellstens eine Reparatur in die Wege zu leiten.

Matthias kam dabei die Aufgabe zu, Tom Marshburn, den mit roten Streifen auf seinem Raumanzug gekennzeichneten "EV1", mit dem SSRMS (Space Station Remote Manipulator System - dem Roboterarm der ISS) vom defekten SASA zum ELC-3 (Express Logistics Carrier) ganz außen auf dem Querträger (P3) und zurück zu schwenken, wo bereits seit 2011 ein Ersatz-SASA als ORU (Orbital Replacement Unit - austauschbares Ersatzgerät) vorgehalten wird.

Quelle: NASA
Thomas Marshburn (oben rechts) fährt mit dem Canadarm2-Roboterarm, der von Matthias Maurer geschwenkt wurde, zu seinem Einsatzort.

Auf dem "Flug" am Ende des SSRMS konnte EV1 dann auch als erster das nun komplettierte russische Segment der Raumstation bewundern: Seitdem das Prichal-Modul ein paar Tage zuvor automatisch angedockt war, gilt das ROS (Russian Orbial Segment) als vollständig aufgebaut - nach 23 Jahren "Bauzeit"...

Einige Stunden und unzählige Abkürzungen über Funk zwischen Erde, ISS und "Spaziergängern im Weltall" später war das anstrengende Unterfangen dann beendet und die Redundanz des S-Band-Links wiederhergestellt. Ein Test des redundanten Systems ergab: „Mission successfully accomplished“ – das Reserve-S-Band-System funktioniert wieder!

Zu Belohnung winkt den Astronautinnen und Astronauten jetzt wenigstens ein "halber crew off day" am Mittwoch. HAGT – have a good time!

TrackbackURL

Über den Autor

Hier bloggt das GSOC-Team des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums – mit vielen spannenden Neuigkeiten aus der Einrichtung Raumflugbetrieb und Astronautentraining. Wir geben einen Einblick in aktuelle Projekte und einen Ausblick in zukünftige Vorhaben. zur Autorenseite