Raumfahrt | 07. Januar 2016 | von Jean-Pierre Paul de Vera

Expedition GANOVEX 11: Astrobiologie und Mars-analoge Studien in der Antarktis - Teil 1

Mitternachtssonne über dem Packeis
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Mitternachtssonne über dem Packeis am 28. Dezember 2015

Obwohl das Eis in der Antarktis nahezu den gesamten Kontinent bedeckt, gibt es im ewigen Eis trotzdem Gebiete, die für die Planetenforschung von höchstem Interesse sind. Diese Regionen werden oft wegen geologischer bzw. geomorphologischer Ähnlichkeiten, wegen der tiefen Temperaturen, der höheren UV-Einstrahlung sowie extremen Trockenheit als analoge Gebiete zu Mars oder gar Eismonden von Jupiter und Saturn bezeichnet. Bisher sind insbesondere aufgrund intensiver jahrzehntelanger Forschungskampagnen durch die NASA die Trockentäler der Dry Valleys in der Antarktis bekannt. Für die Expedition GANOVEX 11 unter der Leitung des BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) sind im Dezember 2015 drei Forscher des DLR-Instituts für Planetenforschung in Berlin in Richtung Südpol aufgebrochen, um für die internationale Planetenforschung noch unbekannte antarktische Gebiete zu erkunden und gemäß ihrer geologisch-geomorphologischen Besonderheiten mit Strukturen auf dem Mars zu vergleichen. Sobald eindeutige Mars-analoge Gebiete vom Geologen Ernst Hauber klassifiziert wurden, werden die Ingenieurin Nicole Schmitz und der Astrobiologe Jean-Pierre de Vera in diese Regionen vordringen, um dort Proben für das nächste Weltraumexperiment BIOSIGN (Biosignatures and habitable Niches) sowie für Experimente im Mars-Simulationslabor am Berliner Standort Adlershof zu sammeln und mit Spezialkameras und Spektrometer diese Instrumente testen. Damit wollen sie herausfinden, ob neben der Mineralogie vorhandenes Leben in diesen extremen Gebieten detektiert werden kann. Wenn die Instrumente den Test bestehen, könnten sie bei zukünftigen Missionen für die Suche nach Leben auf dem Mars oder gar der Eismonde von Jupiter und Saturn eingesetzt werden.##markend##

Annäherung an die Antarktis: 10. bis 21. Dezember 2015

Wer glaubt, dass es in unserer globalisierten Welt keine Abenteuer für Forscher mehr gibt, der kann sich eines Besseren belehren lassen und sich an einer Expedition in die Antarktis beteiligen, die wir drei vom DLR (Ernst Hauber, Nicole Schmitz und ich, Jean-Pierre de Vera) unter der Leitung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nun begonnen haben.

Nach der fast zweitägigen Fluganreise mit Linienmaschinen mit mehr oder weniger Komfort von Berlin nach Frankfurt, von Frankfurt nach Singapur und von Singapur nach Christchurch auf der Südinsel von Neuseeland konnten wir nach mehrtägigem Aufenthalt in Christchurch am 16. Dezember  auf unser Expeditionsschiff, die "M/V Italica" einschiffen. Für Nicole gab es  einen Umweg über Tokio, wo sie noch kurz vor der Expedition an einem zweitägigen Meeting im Rahmen der Mission Hayabusa-2 teilnahm. An Bord der M/V Italica gingen von unserer Deutschen Delegation zwei Gruppen: Das sogenannte wissenschaftliche Team GANOVEX 11 (German North Victoria Land Expedition), bestehend aus Geologen, Biologen und Medizinern, und das MOGS-Team (Modernisation of Gondwana Station), bestehend aus einem Team, das die in die Jahre gekommene BGR-Gondwana-Station modernisieren wird. Das Bindeglied zwischen den beiden Gruppen stellen der Expeditionsleiter Dr. Andreas Läufer (wissenschaftlich) und Christoph Kasch, der Cheflogistiker, dar.

Quelle: The World Factbook 2013-14 / DLR
Weltkarte mit eingezeichneter Reiseroute der Expeditionsteilnehmer. Für eine hochaufgelöste Ansicht bitte hier klicken.

Nach Aufladen der Expeditions-Container und unserer drei Helikopter auf das Schiff und nach den Zollformalitäten an Bord, die nicht unähnlich einem Tribunal der Zollbeamten gegenüber uns den Passagieren erfolgten, stach das Schiff nach einer Übernachtung im Hafen von Lyttelton/Christchurch endlich am Morgen des 17. Dezember in See. Trotz relativ ruhiger See und gutem Wetter sorgten die Schwankungen des Schiffs in den Wellen für einsetzende Seekrankheit unter vielen Expeditionsteilnehmern. Als bald fast alle mit Medikamenten oder Seekrankheitspflastern von unserer Medizinerin Ulrike versorgt wurden, verging das flaue Gefühl bald.

Ernst, der weniger Schwierigkeiten mit Seekrankheit hatte, konnte bereits die in Christchurch erhaltenen Satellitenbilder für unser Einsatzgebiet in der Antarktis auf Marsanalogie studieren. Wir besprachen dies zusammen mit Dr. Andreas Läufer sowie mit den anderen Geoforschern, um einen vorläufigen Einsatzplan inklusive notwendiger Helikopterflüge aufzustellen. Nicole, die auch keine Probleme mit der Seekrankheit hatte, konnte sogar kurz die Einsatzfähigkeit ihrer Geräte checken und diese kalibrieren. Ich diskutierte in der Zeit mit Ernst und schaute mir seine Literatur zur Geomorphologie der Antarktis an, und überlegte, welche astrobiologische Beprobung ich für meine Projekte HOME (Habitability of Martian Environments) und das zukünftige ESA-Weltraumexperiment BIOSIGN (Biosignatures and habitable Niches) vornehmen könnte.

Quelle: Landsat Image Mosaic Of Antarctica (LIMA) / DLR
Antarktis-Karte mit den in Rot markierten Antarktis-Stationen. Für eine hochaufgelöste Ansicht bitte hier klicken.

Dazwischen gab es auch genügend Raum für Gemeinschaftserlebnisse, die bei einer so langen Schiffsreise (etwa zehn Tage, je nach Eiskonditionen) äußerst wichtig für das Zusammenfinden der Gruppe sind. So feierten wir Nicoles runden Geburtstag mit einer sehr schönen Party, zu der alle etwas beisteuerten. Die italienische Schiffscrew hatte durch Organisation unserer Expeditionsleitung eine fantastische Sahnetorte für Nicole als Geschenk organisiert und schmetterte bei der Übergabe der Torte ein italienisches Geburtstagsständchen. Später am Abend waren wir alle musikalisch mit Gitarren, Klavier und eigener Stimme im Passagierraum aktiv - eine unvergessliche Geburtstagsparty auf dem Weg in die Antarktis.

Andere "soziale Nachmittage" standen auch zur Verfügung, um sich auf Weihnachten vorzubereiten. Filme der früheren GANOVEX-Expeditionen inspirierten uns für unsere aktuelle Expedition. Die gemeinsamen Nachmittage und Abende waren dabei äußerst wichtig, da sie das Zusammengehörigkeitsgefühl der beiden Gruppen GANOVEX und MOGS stärkten und auch die Verbindung zu den italienischen Forschern und der Schiffscrew unterstützten. Am vierten Advent (20. Dezember 2015) passierten wir den 60. Breitengrat und konnten auch den ersten Eisberg, einen tafelförmigen Koloss, im Ozean treiben sehen. Wir begannen also, auf Tuchfühlung mit dem Polarkreis zu gehen.

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Über den Autor

Jean-Pierre Paul de Vera ist seit 2009 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Planetenforschung tätig. Sein Hauptaufgabengebiet besteht in der Gruppenleitung der Astrobiologischen Labore "Planeten- und Marssimulation" sowie "Raman-Biosignaturen-Forschung“. Zudem gehören zu seinen Arbeitsfeldern auch die Planeten-analogen Feldstudien in Polarregionen und Wüstengebieten sowie die Leitung von ESA-Weltraumexperimenten wie zum Beispiel BIOMEX auf der ISS. zur Autorenseite