Raumfahrt | 03. Februar 2016 | von Jean-Pierre Paul de Vera

Flechten, Bakterien und eine Herausforderung für die Mars-Kamera - Teil 8

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Aufbau der Panoramakamera

Nachdem wir den letzten Schneesturm in unseren Zelten heil überstanden hatten, war erst einmal Geduld bei allen Beteiligten angesagt. Unser Camp besteht aus 21 Personen, die alle unterschiedliche wissenschaftliche Interessen und weit verteilte Arbeitsgebiete hier in North Victoria Land haben. Um die verschiedenen Orte zu erreichen, stehen uns zwar drei Helikopter zur Verfügung, aber trotzdem stellt die Einsatzplanung eine Herausforderung dar.

Unser Expeditionsleiter Andreas Läufer musste jedem in den wenigen Tagen, die als Zeitfenster durch das Wetter zur Verfügung standen, gerecht werden. Glücklicherweise arbeiteten wir an Standorten in "unmittelbarer" Nähe zu unserem Camp, was bedeutet, dass wir mit dem Helikopter nur zwischen 10 bis 20 Minuten unterwegs waren, um über schwierige Gletscherpassagen hinweg zu kommen. Zu Fuß hätte uns der Weg viel Zeit und Kraft gekostet, da wir viele Instrumente transportieren müssen.##markend##

Nischen-Besiedlung Mars-analoger Standorte

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Boggs Valley - hier haben wir eine gutes Marsanalog gefunden (insbesondere die Hangrutschungen, Wasserrinnen sowie das Gestein)

Wir hatten zweimal das Glück, weitere Arbeiten in unserem als Alternative zu den Dry Valleys auserkorenen Tal Boggs Valley durchführen zu können. Am ersten Tag konnten wir aufgrund starker Nebelbildung zunächst leider nicht direkt ins Boggs Valley hineingeflogen werden. Da uns das Tal und seine Umgebung aber inzwischen hinreichend bekannt waren, hatten wir sehr schnell eine Alternative gefunden, nämlich das Hochplateau unmittelbar neben der Talschulter. Dort gab es anstehende Sandsteinbänke sowie Dolerit-Felsblöcke und Granitfindlinge. Zudem grenzten an diesen Standort einige schneefreie Polygonfelder, sodass wir ideale Bedingungen für unsere Mars-analogen Studien vorfanden. Erstens konnte man das Gestein - abgesehen vom Granit - als Mars-analog bezeichnen, und zweitens ähnelten auch die geomorphologischen Phänomene, wie die Polygonböden und Moränen, bestimmten Oberflächenstrukturen auf dem Mars. Wir waren also mit dem alternativen Standort mehr als zufrieden.

Als erstes schauten wir, dass Nicole einen sicheren Standort mit einem guten Sichtfeld für die Panoramakamera bekam, damit wir den Gesamtkontext für die teilweise durch Mikroorganismen besiedelten Gesteine aufnehmen konnten. Genauso würde dies bei einem Rover, der mit dem Kamerasystem ausgestattet ist, auf dem Mars ablaufen. Erst wird mit der Kamera das Umfeld erkundet, bevor man sich bestimmte Gesteine zur näheren Untersuchung aussucht. Gleichzeitig prüfte ich, wo und an welcher Stelle die Sandsteine besiedelt wurden. Es stellte sich heraus, dass wir mit der Kamera zwar auf die fein geschichteten Sandsteine schauen konnten. Wenn aber ein Rover diese interessanten Schichten erkundet hätte, hätte dieser erst einmal um die Gesteinsformation herumfahren müssen, um auch mit der hochauflösenden Kamera Details von biologischer Besiedlung erfassen zu können. Es ist im Hinblick auf künftige Missionen wichtig, diese möglichen Schwierigkeiten zu dokumentieren, da daraus wichtige strategische Operationsszenarien abgeleitet werden können.

Ich schaute weiter, welches Gestein ebenfalls neben den Sandsteinen besiedelt wurde. Es stellte sich heraus, dass ein Granit mit wenig Mars-Relevanz und ein in der Nähe befindlicher Mars-relevanter Dolerit-Gesteinsblock besiedelt war – und das jeweils in den erodierten Oberflächenplättchen oder Fissuren, in kleinen Spalten und Rissen. Ich erkannte dort semi-endolithische Flechten, eine Gelbflechte mikroskopischen Ausmaßes mit dem Namen Pleopsidium chlorophanum, einen Mikropilz mit Namen Cryomyces antarcticus und auch eine Biokrusten-Besiedlung, die überwiegend aus Cyanobakterien bestand. Es war auffällig, dass die Himmelsrichtung für die Besiedlung des Gesteins an jedem Standort, den wir aufgesucht hatten, immer die gleiche war, nämlich die nordöstlich exponierte Seite. Eine mögliche Erklärung sind die katabatischen Winde. Sie kommen meist aus südlicher Richtung und erodieren das Gestein, weshalb die Mikroorganismen an den südlich ausgerichteten Gesteinsseiten wegen der Angriffsfläche für den Wind keine dauerhafte Möglichkeit zur Besiedlung vorfinden konnten. Auch fiel auf, dass sich die Organismen in die Gesteinsrisse zurückgezogen hatten. Der Vorteil für diese Besiedlungsform ist der Schutz vor Austrocknung. Das bestätigten die Messungen an der Gesteinsoberfläche mit sehr niedrigen Feuchtewerten gegenüber höheren stabileren Feuchtebedingungen in den Gesteinshöhlungen. Hinzu kommt der effiziente Schutz vor zu intensiver Sonneneinstrahlung.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Unterschiede zwischen der Besiedling des Gesteins durch zwei verschiedene Flechtenarten. Auf der linken Seite sieht man wie die Flechte Xanthoria elegans (rot) in eine Spalte im Sandstein und die Flechte Pleopsidium chlorophanum (gelb) in einer Ritze des Granits wachsen (diese Wachstumsform findet man im antarktischen Inland). Auf der rechten Seite sieht man das Wachstum derselben Flechte überwiegend auf der Oberfläche des Gesteins.

Diese Rückzugsgebiete waren für Nicoles Kamera eine Herausforderung. Es stellte sich bei einem weiteren Versuch auch in den Helliwell Hills heraus, dass von vier Flechtenarten besiedelte Risse eines Dolerits mit der hochauflösenden Kamera nur optimal wahrgenommen werden konnten, wenn der Mindestabstand vom Objekt zur Kamera drei Meter betrug und die Belichtung durch das Tageslicht bei einem bestimmten Sonnenstand optimal war. Das sind weitere Herausforderungen an planetare Oberflächenaufnahmen durch Rover, die nicht nur für die Suche nach Leben auf dem Mars, sondern auch bei der korrekten Interpretation bestimmter Minerale in dem Gestein gemeistert werden müssen.

Ernst hatte unterdessen wieder versucht, Eiskeile in den Polygonböden auszugraben. Auf dem Plateau von Boggs Valley war bereits bei zehn Zentimeter Tiefe Schluss. Das blanke Eis kam zu Tage und erstreckte sich wieder weit über die Dimension eines normalen Eiskeils hinaus. Ich stellte dabei fest, dass die Polygonböden sehr gering besiedelt waren, aber es schien sich ein Muster zu ergeben: Generell fiel auf, dass Bodenbewegung bedingt durch Gefrier- und Tauprozesse oder direkten Kontakt zu fließendem Wasser, wie es in den Schwemmfächern und Rinnen (Gullies) am Standort De Goes-Cliff beobachtet wurde, schlecht für die Ansiedlung verschiedener Organismen sind. Das Leben konnte eher auf Findlingen oder Felsblöcken in unmittelbarer Nähe zu diesen auffällig durch Wasser veränderten geomorphologischen Strukturen Fuß fassen. Die Nähe zu Wasser war zwar entscheidend, aber nicht der direkte Kontakt zu flüssigem, relativ schnell fließendem Oberflächenwasser. Ein Vergleich der Besiedlung in der Nähe von Schwemmfächern zeigte, dass Moränen, die weiter entfernt zu diesen feuchteren Standorten lagen, keine Oberflächenbesiedlung aufzeigten, während Findlinge und Blöcke auf den Schwemmfächern besiedelt waren. Offensichtlich reichten die Luftfeuchtigkeit und der ab und zu durch Wind eingetragene Schnee für die notwendigen Lebensprozesse beziehungsweise Lebenserhaltungsfunktionen der Organismen an diesen Orten aus.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Gullies (Rinnen) und Schwemmfächer

Ob ein fast ausgetrockneter See im Boggs Valley, der an seinen Rändern sogar Salzkrusten ausgebildet hat, Leben beherbergt, werden Probenanalysen nach unserer Rückkehr in unsere Labore in Deutschland klären. Wir hatten diesen See am zweiten Untersuchungstag im Boggs Valley im Talgrund beprobt und zudem aus der Luft mit Hilfe des Piloten sehr schöne Übersichtsaufnahmen des Sees, der Rinnensysteme und Polygonböden für das Tal aufnehmen können.

Mittlerweile haben wir von unserem Camp mit einer Abschlussparty Abschied genommen. Wir haben unsere Zelte abgebrochen und sind mit Hilfe von Twin Otter-, Basler (DC3)-Maschinen und Helikoptern wieder in die italienische Station Mario Zucchelli zurückgekehrt. Leider wird das Wetter wieder schlechter und wir müssen uns auf die Rückreise vorbereiten. Vielleicht gibt es noch den einen oder anderen Flug ins Gelände, aber spätestens am 12. Februar werden wir dann mit dem Schiff „Italica“ wieder die Rückreise antreten müssen.

Weitere Bilder der Expedition in unserem Flickr-Album

Expedition Antarktis (GANOVEX 11)

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Über den Autor

Jean-Pierre Paul de Vera ist seit 2009 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Planetenforschung tätig. Sein Hauptaufgabengebiet besteht in der Gruppenleitung der Astrobiologischen Labore "Planeten- und Marssimulation" sowie "Raman-Biosignaturen-Forschung“. Zudem gehören zu seinen Arbeitsfeldern auch die Planeten-analogen Feldstudien in Polarregionen und Wüstengebieten sowie die Leitung von ESA-Weltraumexperimenten wie zum Beispiel BIOMEX auf der ISS. zur Autorenseite