Raumfahrt | 30. März 2023 | von Dirk Heinen

TRIPLE-IceCraft-Expedition in die Antarktis: Bohrung durch das Schelfeis – Teil 5

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
TRIPLE-IceCraft schmilzt sich in das Eis.

Auf diesen Moment haben wir alle im Team die letzten Jahre hingearbeitet: Endlich werden wir nun unsere Sonde TRIPLE-IceCraft auf dem Schelfeis einsetzen können und dort eine tiefe Bohrung durchführen! Die Sonde wird sich nun also bewähren müssen, und wir alle sind sehr angespannt. Nach der erfolgreichen vier Meter tiefen Testbohrung an der Neumayer-Station III vor ein paar Tagen sind wir optimistisch und hochmotiviert. Der Transport der Schmelzsonde an die Bohrstelle mit 80 Meter mächtigem Schelfeis kann also starten: Gegen sieben Uhr bereitet ein Kollege aus dem Technikteam die Schneeraupe vor. Der Container, in dem sich das TRIPLE-IceCraft befindet, wird von der Schneedrift befreit und vorgefahren. Währenddessen packen wir noch die letzten Sachen zusammen. Zusätzlich zu unserem Arbeitscontainer haben wir noch einen Wohncontainer und einen Transportschlitten, die zur Bohrstelle transportiert werden müssen.##markend##

Die Schneeraupe benötigt für die Fahrt bis zur circa 18 Kilometer entfernten Bohrstelle fast zwei Stunden. Unser Operatoren-Team fährt etwas später mit Schneemobilen und einem Arctic Truck los, um nahezu gleichzeitig mit der Schneeraupe an der Bohrstelle anzukommen. Gegen zehn Uhr sind wir vor Ort. Die Container werden abgekoppelt, und an die Seiten werden mithilfe der Schneeraupe noch Rampen geschoben. Der Wohncontainer wird etwas entfernt von der Bohrstelle abgestellt, damit wir ihn inmitten der scheinbar endlosen Weite des Schelfeises als zusätzlichen, großen, komfortablen Aufenthaltsbereich ohne Generatorlärm nutzen können.

Quelle: Simon Zierke
Der Transport geht los: In einer Traverse werden der TRIPLE-IceCraft-Container, ein Wohncontainer und ein Transportschlitten für weiteres Equipment von einer Schneeraupe an die Bohrstelle gezogen.

Wir bereiten alles vor und räumen wieder alles Notwendige zum Betrieb der Sonde aus. Der Generator wird gestartet und TRIPLE-IceCraft am Kran hochgezogen. Nur noch ein Systemcheck und dann kann die Bohrung endlich starten. Inzwischen ist es früher Nachmittag.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Unser Bohrcamp aus der Vogelperspektive.
Quelle: Jan Audehm
Das Bohrcamp.

Wie erhofft, sind die nächsten Stunden endlich ein wenig ruhiger. Wir überwachen den Bohrvorgang der Sonde, die sich mit etwa drei Meter pro Stunde einschmilzt, über unsere Kontroll-Software. Diese zeigt uns Statusinformationen und Messwerte aller Systeme an. Auch Fotos der drei Kameras und Messungen vom System zur Vorfelderkundung FRS werden live angezeigt. Besonders die Bilder der Kameras sind spannend, immer wieder sehen wir verschiedene Schichtungen und Strukturen im Eiskanal.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Endlich kann die Bohrung starten.
Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Quelle: Jan Audehm
Auf Monitore mit Statusinformationen und Messwerte schauen, Kaffee trinken und abwarten.

Bei einer Tiefe von etwas über elf Meter sendet plötzlich ein Subsystem keine Statusinformationen mehr. Es ist das Spannungsversorgungsmodul für die Systeme, die für die Kommunikation zwischen der Oberfläche und der Schmelzsonde zuständig sind. Auch auf manuell gesendete Befehle reagiert das System nicht. Die Kommunikation zwischen Oberflächen und Schmelzsonde funktioniert, daher wissen wir, dass die Versorgungsspannungen weiterhin geliefert werden. Dennoch ist nicht unmittelbar ersichtlich, was die Ursache für den Fehler ist.

Wir bereiten einen kompletten Neustart der Sonde vor, schalten die Heizsysteme aus und lassen die Schmelzsonde sich abkühlen. Auch nach dem Neustart reagiert das Modul nicht. Das müssen wir an der Oberfläche untersuchen und reparieren. Daher starten wir die Rückfahrt von TRIPLE-IceCraft. Nach „nur“ elf Metern ist die Enttäuschung groß, wird aber schnell vom Forscherdrang und dem Wunsch überwogen, der Ursache auf den Grund zu gehen und den Fehler zu beheben.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Blick in den Schmelzkanal.

Nach knapp zwei Stunden ist TRIPLE-IceCraft wieder auf die Startvorrichtung zurückgefahren. Es ist inzwischen nach Mitternacht, daher verstauen wir das Nötigste und fahren mit den Schneemobilen zurück zur Neumayer-Station III.

Den nächsten Tag nutzen wir, um den Fehler zu beheben und das System zu testen. Zu unserer Verwunderung startet das Modul wieder und kommuniziert wie gewohnt. Auch in den nächsten Stunden und durch einige Neustarts können wir das Fehlerbild nicht reproduzieren. Wir nutzen die Zeit, um das System weiter zu beobachten und unsere Fehlererkennung und -behebung (engl. Fault Detection, Isolation, and Recovery, FDIR) noch zu verbessern. Auch bis in den Abend hinein tritt kein Fehler auf. Wir beschließen die Bohrung am nächsten Tag fortzusetzen. Leider wird uns aber die Zeit fehlen, das Schelfeis zu durchbrechen, wie wir es eigentlich geplant hatten. Denn unser Rückflug soll bereits in einigen Tagen starten, da sich eine Schlechtwetterfront angekündigt hat. Vor dem Flug muss auch noch alles abgebaut, sicher verstaut und zurück in die Nähe der Station transportiert werden. Dafür benötigen wir zwei Tage. Uns bleibt daher nur noch ein Tag für die Bohrung, und den wollen wir nutzen, um möglichst tief zu bohren, damit wir weitere Erfahrung im Betrieb des TRIPLE-IceCraft gewinnen und weitere Messdaten aufzeichnen können.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
TRIPLE-IceCraft wird wieder in das bestehende Loch eingesetzt.

Wir starten wieder früh morgens, fahren zur Bohrstelle und nutzen für die Bohrung das bereits bestehende Loch. TRIPLE-IceCraft wird angesetzt und fährt mit einer Geschwindigkeit von sieben Metern pro Stunde in den Schmelzkanal. Unten angekommen, sitzt die Sonde auf und das Windensystem bremst selbständig ab. Nun starten wir den Schmelzvorgang erneut. Es ist wieder Abwarten und Überwachen angesagt. TRIPLE-IceCraft schmilzt sich kontinuierlich tiefer ins Eis, dieses Mal ohne irgendwelche unerwarteten Vorkommnisse. Auf den Kamerabildern können wir verschiedene Schichtungen im Eis erkennen. Ab und zu werden auch Löcher sichtbar, wo vermutlich das Schmelzwasser abgelaufen ist. Wir wechseln uns mit der Überwachung ab, da wir heute noch bis tief in die Nacht bohren wollen.

Quelle: Jan Audehm
Im Scheinwerferlicht vom Arctic Truck überwachen wir die Rückfahrt von TRIPLE-IceCraft in den Schmelzkanal.

Es wird immer dunkler und auch spürbar kälter. Gegen 22 Uhr müssen wir den Bohrvorgang beenden und beginnen mit der Rückholung der Sonde. Wir sind inzwischen über 25 Meter tief in das Schelfeis eingeschmolzen. Dies entspricht circa einem Drittel der Schelfeisdicke an der Bohrstelle. Auch die Rückfahrt mit dem Aufspulen des Kabels ins Innere der Sonde dauert einige Stunden. Um kurz vor zwei Uhr ist TRIPLE-IceCraft wieder vollständig zurück an der Oberfläche. Wir verstauen das Nötigste und kommen um kurz vor vier Uhr wieder an der Neumayer-Station III an.

Die nächsten anderthalb Tage werden wir benötigen, um den Rücktransport der Sonde und des dazugehörigen Materials vorzubereiten. Der Rücktransport nach Deutschland kann erst mit Ankommen des nächsten Frachtschiffs im Dezember 2023 / Januar 2024 stattfinden. Daher wird unser Material den antarktischen Winter über in der Nähe der Neumayer-Station III bleiben. Wir demontieren den Kran und verstauen das TRIPLE-IceCraft und das restliche Equipment in dem Container. Während wir auf die Abholung warten, erreicht uns per Funk die Information, dass sich unser Rückflug um einige Tag nach hinten verschieben wird. Leider reichen die zusätzlichen Tage trotzdem nicht mehr aus, um alles wieder auszupacken, weiter Bohrungen durchzuführen und wieder einzupacken. Kurz darauf trifft die Schneeraupe auch ein, um die zwei Container und der Schlitten abzuholen. Der TRIPLE-IceCraft-Container wird direkt dort abgestellt, wo er auch die nächsten Monate im antarktischen Winter verweilen wird. Den Wohncontainer und den Schlitten entladen wir noch in der Nähe der Station.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
TRIPLE-IceCraft fährt rückwärts aus dem Loch. Das Kameramodul inklusive der Beleuchtung befindet sich noch circa einen halben Meter tief im Eis. Das erzeugte Licht ist zwar weiß, aber hauptsächlich durchdringt der Blauanteil das Eis.

Die nächsten Tage nutzen wir noch zur Dokumentation und für die Organisation der Rückfracht. In den letzten Nächten an der Neumayer-Station III haben wir noch das Glück, ein paar Südpolarlichter beobachten zu können, bevor es wieder Richtung Norden geht.
 

Quelle: Simon Zierke
Polarlichter über der Neumayer-Station III.

Zunächst fliegen wir mit der Polar 5 zur norwegischen Antarktisstation Troll. Nach einem kurzen Aufenthalt mit Übernachtung an der Troll-Station fliegen wir weiter nach Kapstadt. In Kapstadt haben wir einige Stunden Aufenthalt am Flughafen, bevor es per Linienflug nach Amsterdam geht. Noch ein paar Stunden Autofahrt, und wir haben die über 50 Stunden Rückreise geschafft.

Quelle: DLR/RWTH Aachen/Dirk Heinen
Abflug bei Troll.

Trotz der unerwarteten Herausforderungen haben wir es geschafft, unsere Schmelzsonde TRIPLE-IceCraft unter den harten Bedingungen der Antarktis erfolgreich einzusetzen! Wir haben zwei Bohrungen durchgeführt, eine davon 25 Meter tief. Der aufgetretene Fehler konnte zwar noch nicht klar identifiziert, jedoch stark eingegrenzt werden. Durch die Fehlersuche konnten auch bereits andere mögliche Fehlerfälle identifiziert werden. Wir haben dementsprechend unser FDIR angepasst, sodass es diese Fehlerfälle künftig abfangen wird. Wir haben durch den Test sehr viel über das System gelernt, viele Messdaten aufgezeichnet und sind nun gespannt auf die Analyse der Daten.

Zurück in Aachen werden wir weiter unser Ingenieurmodell der Sonde betreiben. So können wir die identifizierten Fehler weiter untersuchen, um ein Wiederauftreten in zukünftigen Missionen auszuschließen. Wir werden alles daransetzen, möglichst bald TRIPLE-IceCraft wieder im Eis zu testen und noch tiefer einzusetzen, um schließlich auch den Ozean unter dem Schelfeis zu erreichen.

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Über den Autor

Dr. Dirk Heinen erforscht Schmelzsonden und Navigationssysteme für diese Sonden. Schmelzsonden werden genutzt, um Gletscher und Eisschelfe zu durchdringen, zu explorieren und darunterliegende subglaziale Seen zu erreichen. Seit 2010 forscht er am III. Physikalischen Institut B der RWTH Aachen. In seiner Promotion arbeitete er an einem akustischen Lokalisierungssytem für die Schmelzsonde EnEx-IceMole, die im Rahmen der Enceladus-Explorer-Initiative "EnEx" der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Zusammenarbeit von sechs Hochschulen entwickelt wurde. zur Autorenseite