Raumfahrt | 19. November 2019 | von Ulrich Köhler

Vor 50 Jahren: 2. Mondlandung mit der Apollo 12-Mission

Quelle: NASA
Apollo 12-Astronaut Alan L. Bean beim Verschließen eines mit Mondstaub gefüllten Vakuum-Probenbehälters, fotografiert von Kommandant Charles "Pete" Conrad.

"Flight, try SCE to Aux". Im Kontrollraum in Houston wusste keiner, was der junge Elektronik-Ingenieur John Aaron damit meinte - "Versucht den SCE-Schalter auf die Aux-Position zu stellen". Trotzdem gab Flugdirektor Gerry Griffin die Anweisung an den CapCom, (Capsule Communicator), der den Dialog mit der gerade gestarteten Apollo-12-Crew per Funk aufrechterhielt, weiter. Denn die Situation war ernst. Apollo 12 schien eine halbe Minute nach dem Start in großen Schwierigkeiten. In der Kommandokapsel fiel der Strom auf extrem niedrige Spannung und setzte stellenweise sogar ganz aus. Kontrolllichter blinkten überall auf dem unübersichtlichen Instrumentenpanel auf. Der Funkverkehr mit der Bodenstation war verstümmelt. Ein Blitzschlag, wie sich später herausstellte, hatte die Elektronik lahmgelegt. Die Mission stand kurz vor dem Abbruch - mit einem Absprengen der Kommandokapsel hätte versucht werden müssen, die Astronauten zu retten. Das wurde zuvor noch nie durchgeführt. Das Leben der Astronauten stand auf dem Spiel! An die zweite Mondlandung dachte in diesen Sekunden niemand.##markend##

Try SCE to Aux. "Was zum Teufel ist das?", rief CapCom Gerald P. Carr durch den Kontrollraum. Griffin und Carr, die beiden wichtigsten Personen in diesen kritischen Sekunden nach dem Start, baten Aaron, zu wiederholen, was er meinte. Aaron gab seine Empfehlung erneut, gleicher Wortlaut. Ohne wirklich zu wissen, was für ein Kommando der Ingenieur da empfahl, gab Carr (1973 Kommandant der Mission Skylab 4) das Kommando an die Crew weiter. Alan Bean, der in der rechten Sitzschale im Yankee Clipper, der Kommandokapsel von Apollo 12, lag, wusste als einziger der drei Astronauten zum Glück sofort, was mit SCE gemeint war: Der Schalter für Signal Conditioning Electronics, die Elektronik, die für die Signalaufbereitung verantwortlich war. Der Schalter befand sich direkt vor Bean, und er stellte den SCE-Schalter auf 'Aux'. Und sofort war der Funkverkehr mit der Bodenstation wieder ok, die Werte für Strom und Spannung normalisierten sich - die Mission konnte fortgesetzt werden.

John Aaron machte nie großes Aufhebens um diese Aktion. Unter den Apollo-Leuten genoss er seither jedoch größten Respekt und wurde mit dem aufregend klingenden Titel des "steely-eyed missile man", des "Raketenmanns mit den stählernen Augen", geadelt. Aaron war damals 26 Jahre alt. Bei seiner ersten Mission, an der er mitwirkte (Gemini 5), war er sogar erst 22 Jahre alt.

Quelle: NASA
Start von Apollo 12 während des Gewitters am 14. November 1969, im rechten Bild ist der Blitz zu sehen.

Die Beinahe-Katastrophe

Das Wetter war nicht gut am späten Vormittag des 14. November 1969, ein Gewitter braute sich über dem Cape an der Ostküste Floridas zusammen. Eigentlich kein Startwetter, doch die NASA beschloss, den Raketenstart der Mission Apollo 12 für die zweite Mondlandung durchzuführen. Die drei Astronauten waren am frühen Morgen in die kleine Apollo-Kommandokapsel geklettert: Kommandant war Pete Conrad, als Pilot des Kommando- und Servicemoduls war Rick Gordon eingeteilt, und 'Rooky' Alan Bean, der Novize im Team, fungierte als Pilot der Mondfähre. Der Start verlief zunächst 'nominal', planmäßig, und mit dem lautesten Getöse, das eine menschengemachte Maschine nur machen konnte, erhob sich die 111 Meter hohe Saturn V unter den Augen des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon (der dem Start von Apollo 11 nicht beiwohnte) über den Startturm. Die Rakete beschleunigte und verschwand rasch über den dicken Wolken.

Sechsunddreißig Sekunden nach dem Start wurde das Raumschiff von einem Blitz getroffen, und gleich danach noch mal. Dies verursachte die Krise im Stromkreislauf des Raumschiffs. Flugdirektor Gerry Griffin stand vor der kritischen Entscheidung, die Mission abzubrechen, um das Leben der Astronauten nicht zu riskieren.

Quelle: NASA
Ingenieur John Aaron im Kontrollraum. In jenen Zeiten durfte die Nervosität noch mit Nikotin unmittelbar am Arbeitsplatz bekämpft werden.

John Aaron war mit der Beobachtung der Elektronik betraut. Er erinnerte sich, dieses seltsame Muster der Telemetriedaten auf seinem Monitor schon einmal beobachtet zu haben. Und zwar bei einem Test ein Jahr zuvor. Danach hatte er dieses merkwürdige Muster etwas genauer untersucht und deshalb jetzt beim Start noch genau im Kopf. Das SCE-System der Signalaufbereitung war etwas undurchsichtig. Aaron fand heraus, dass durch eine Betätigung des Schalter auf die Auxiliary-Position, (auf 'Hilfestellung'), das System auch bei niedriger Stromspannung wieder zu normaler Funktion zurückkehren würde. Für Apollo 12 die entscheidende Aktion in diesem kritischen Moment.

Vier Monate war es her, dass die Amerikaner am 20. Juli 1969 mit Apollo 11 auf dem Mond landeten, als mit Apollo 12 die nächste Mission zum Erdtrabanten startete. Neil Armstrong, Kommandant von Apollo 11, betrat als erster Mensch einen anderen Himmelskörper. Gefolgt von Edwin 'Buzz' Aldrin, im Astronautencorps bekannt als "Dr. Rendezvous" wegen seiner Kenntnisse um Ankoppelmanöver im Weltall. Die erste Mondlandung, was für eine technische und mentale Höchstleistung; vierhunderttausend Menschen arbeiteten auf dieses Ziel hin! Für alle Ewigkeit und for all mankind (wie auf der Plakette an der auf dem Mond zurückgelassenen Landeplattform festgehalten) werden die beiden Namen in den Geschichtsbüchern stehen, zusammen mit Mike Collins, der das Kommando- und Servicemodul von Apollo 11 steuerte und in der Mondumlaufbahn auf die Rückkehr von Armstrong und Aldrin wartete.

Das Ziel: eine präzise Landung auf dem Mond

Sie sollte wiederholt werden, die Mondlandung, und nicht nur einmal. Das nächste Mal mit der Mission Apollo 12. Auch das gelang. Genau heute vor 50 Jahren, am 19. November 1969, landete die Mondfähre Intrepid auf dem Mond. Nach Apollo 12 sollten noch vier weitere Missionen mit acht Astronauten auf dem Mond landen. Bei Apollo 12 waren es Pete Conrad und Alan Bean, sie verbrachten 31 Stunden und 31 Minuten auf dem Mond und befanden sich siebeneinhalb Stunden außerhalb der Mondfähre.

Quelle: NASA/GSFC/Arizona State University
Klar und deutlich erkennt man auf dieser Aufnahme des Lunar Reconnaissance Orbiters noch Jahrzehnte später die Spuren der Apollo-12-Astronauten an der Landestelle im Oceanus Procellarum.
Quelle: NASA
Das Landemodul mit Conrad und Bean nach der Abtrennung von der Kommandokapsel in Landekonfiguration über dem Mond.

Keine andere der neun Apollo-Missionen (sechs davon gelang die Landung) hatte eine vergleichbare Spannweite zwischen Momenten des Triumphes und dem Blick ins Ungewisse, ins Scheitern, in die Tragödie, in den möglichen Tod. Noch nicht einmal Apollo 13, dem Inbegriff des Scheiterns infolge eines technischen Versagens und der heroischen Rettung der drei Astronauten dieser Mission im April 1970 durch das ultracoole Zusammenspiel zwischen Crew und Mission Control um den legendären Flugdirektor Gene Kranz und seinem Credo: "Failure is not an Option!"

Apollo 12 war eine ziemlich nüchterne Bestätigung der ersten Mondlandung. Die Vorgabe war, im Gegensatz zu der am Ende etwas herumeiernden Apollo 11 nun wirklich präzise dort auf dem Mond zu landen, wo es auch vorgesehen war: in unmittelbarer Nähe der robotischen Sonde Surveyor 3. Diese war am 20. April 1967 im Oceanus Procellarum (dem "Ozean der Stürme") gelandet. Wie die fünf Lunar Orbiter-Sonden 1966 und 1967 zur Suche nach geeigneten Landeplätzen aus der Umlaufbahn waren auch die Surveyor-Raumsonden extrem wichtig für das Apollo-Programm. Denn sie zeigten, dass die Mondoberfläche fest war, stabil und die Landefähren nicht im Mondstaub versinken würden würden. Hierüber waren sich die Wissenschaftler gar nicht so einig. Chemie-Nobelpreisträger Harold Urey (1893 bis 1981) prophezeite, dass aufgrund der elektrostatischen Abstoßungseffekte die staubige Mondoberfläche keinen festen Halt böte. Die Surveyor-Sonden zeigten, dass diese Befürchtung unberechtigt war.

Quelle: NASA
Mit nur 175 Metern Distanz zu Surveyor 3 gelang den Apollo 12-Astronauten eine Punktlandung. Die Astronauten nutzten die Möglichkeit, die zweieinhalb Jahre zuvor gelandete Sonde Surveyor 3 zu inspizieren.

Die Landung gelang der Apollo-12-Crew am 19. November 1969 nahezu perfekt, und beim Ausflug auf den Mond waren nur wenige Schritte erforderlich, um die Surveyor 3-Landesonde zu erreichen. Die beiden Astronauten auf dem Mond brachen dort ein paar Bleche ab, die dem Sonnenwind und der kosmischen Strahlung zwei Jahre lang ausgesetzt gewesen waren und nahmen vor allem die Kamera mit, die ein für die damalige Zeit sensationelles Panorama der Landestelle zur Erde gefunkt hatte.

Pete Conrad: Fast der "andere" erste Mensch auf dem Mond

Noch ein paar Worte zur Crew von Apollo 12: Die NASA setzte sich in den Jahren 1967 bis 1969 unter extremen Zeitdruck. Zum einen, um die Vorgabe des im November 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy vom 25. Mai 1961, bis zum Ende des Jahrzehnts Menschen zum Mond und sicher wieder zurück zu Erde zu bringen, zu erfüllen. Zum anderen, um den Wettlauf mit der UdSSR zu gewinnen, die ebenfalls alle Anstrengungen unternahm, vor den USA mit ihren Kosmonauten auf dem Mond zu landen. Wie dieses Wettrennen ausging, ist bekannt.

Bekannt ist auch, dass bis Anfang 1969 nicht so klar war, wer der erste Mensch auf dem Mond sein würde. Neil Armstrong? Als NASA-Astronautenchef Deke Slayton dem immer überlegt und besonnen agierenden Armstrong am 9. Januar 1969 nach der erfolgreichen und das Wettrennen zum Mond vorentscheidenden Mission Apollo 8 unter vier Augen beiläufig mitteilte You’re it!, war das durchaus gewagt – und noch nicht hundertprozentig sicher. Denn zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Test mit der Mondfähre (der gelang mit Apollo 9 in der Erdumlaufbahn und mit Apollo 10 am Mond), und unter den Verantwortlichen der NASA war nicht ausgemacht, ob der erste Landeversuch mit Apollo 11 oder Apollo 12 unternommen werden sollte. Eher mit Apollo 12, war damals die Tendenz. In letzterem Falle wäre Neil Armstrong nicht der erste Mensch auf dem Mond gewesen, sondern Pete Conrad, der Kommandant von Apollo 12.

Quelle: NASA
Ausstieg der Astronauten mit Unterstützung eines Tauchers nach der Wasserung im Pazifik am 24. November 1969.
Quelle: NASA
Die Crew von Apollo 12: Charles P. Conrad, Richard F. Gordon und Alan L. Bean (v.l.).
Quelle: Alan LaVern Bean
Apollo-12-Mondfährenpilot Alan Bean hielt als Künstler zahlreiche Momente seines Mondflugs in Ölgemälden fest. Dieses Bild von 1995, das Bean zusammen mit Kommandant Pete Conrad (l.) zeigt, trägt den Titel Please Take me Back Home, Guys. Al Bean starb am, 26. Mai 2018.
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Über den Autor

Ulrich Köhler ist Planetengeologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Dort gehört er - kaum, dass er über 30 Jahre beim DLR ist - mittlerweile auch schon zum "spätmittelalterlichen" Eisen und kann mit Begriffen wie Apollo, Viking oder Voyager im Gegensatz zu manchem Masterstudenten noch etwas anfangen. zur Autorenseite