Raumfahrt | 22. August 2018 | von Philip Kausche

Die Odyssee des Aeolus

Quelle: ESA–M. Pedoussaut
Vega ist fertig montiert und wartet in ihrem Startturm auf ihren großen Auftritt.

+++ Update: Der Start der Vega gestern Abend war erfolgreich. Der Satellit wurde abgesetzt, hat seine Solarpanele entfaltet und verhält sich nominal. Wer den Start verpasst hat, kann ihn sich hier noch einmal ansehen. Dies war der zwölfte Start einer Vega. Der nächste Start aus Kourou wird mit Ariane 5 erfolgen. Dies wird zudem der 100. Start einer Ariane 5 sein. +++

Nach 24-stündiger Verschiebung ist es heute Abend soweit. Um exakt 23:20 Uhr und neun Sekunden soll die europäische Trägerrakete Vega den ESA-Forschungssatelliten Aeolus ins All bringen. Aeolus war in der griechischen Mythologie der Gott der Winde. Und genau darum geht es bei der Aeolus-Mission. Mit Aeolus wird es erstmals möglich sein, global die Windgeschwindigkeiten in der Erdatmosphäre in einer Höhe von null bis 30 Kilometer zu messen. Der Start kann im Livestream verfolgt werden.##markend##

In dem griechischen Epos "Odyssee" füllte der griechische Gott Aeolus alle ungünstigen Winde in einen Lederschlauch, um Odysseus die Rückkehr nach Ithaka zu erleichtern und gab Odysseus den Schlauch mit. Kurz vor Ithaka wurde seine Mannschaft allerdings von ihrer Neugier übermannt und wollte wissen, warum Odysseus so sehr auf den Sack achtgab und öffneten ihn. Die freigelassenen ungünstigen Winde sorgten dafür, dass Odysseus und seine Mannschaft kurz vor ihrem Ziel wieder weit zurückgeworfen wurden.

Ursprünglich war der Start von Aeolus bereits für 2007 geplant. Jedoch gab es immer wieder technische Schwierigkeiten im Projektverlauf. Ironischerweise musste der Vega-Start auch noch kurzfristig wegen zu starker Höhenwinde um 24 Stunden verschoben werden - man munkelt, dass ein neugieriger Mensch in Kourou den Schlauch mit den ungünstigen Winden geöffnet hat... Die Mission hat also wahrlich eine Odyssee hinter sich. Doch die eigentliche Reise beginnt jetzt erst.

Vega ist startbereit

Denn nun steht die 30 Meter hohe Vega startbereit auf dem Launchpad in Kourou, und auch die ungünstigen Winde sind inzwischen wieder von Aeolus persönlich in den Lederschlauch gesperrt worden. Die Startzeit ist exakt für 23:20 und neun Sekunden berechnet, damit der Satellit nach genau 54 Minuten und 57 Sekunden im korrekten Orbit abgesetzt werden kann. Aeolus hat eine Masse von 1.357 Kilogramm, womit Vega die perfekte Rakete für diese Mission ist. Der Satellit wurde im Auftrag der ESA von Airbus Defence and Space gebaut. An der Entwicklung des Messinstruments waren neben dem DLR auch deutsche Firmen beteiligt. Mehr Informationen zum deutschen Beitrag zu der Mission stehen in der Pressemeldung des DLR. Zielorbit ist ein sonnensynchroner Orbit in 320 Kilometer Höhe mit einer Wiederholrate von sieben Tagen. Das bedeutet, alle sieben Tage wird Aeolus die Windprofile der Atmosphäre des gesamten Planeten vermessen haben und beginnt dann von neuem. Zudem ist der Orbit ungewöhnlich niedrig. In 320 Kilometern Höhe gibt es noch so viel Restatmosphäre und damit Reibung, dass der Satellit alle sieben Tage angehoben werden muss, um nicht in die Atmosphäre zu stürzen. Daher wird sein Treibstoff auch schon nach drei Jahren aufgebraucht sein, und die Mission endet in einem Feuerball.

Quelle: ESA/ATG medialab
Das Aladin-Instrument vermisst alle sieben Tage sämtliche Windprofile der Erde zwischen 0 und 30 Kilometern Höhe.

Besser als jede Radarpistole

Herzstück des Satelliten ist das Aladin (Atmospheric Laser Doppler Lidar Instrument) genannte Messinstrument, welches auf dem LIDAR-Messverfahren beruht. Das Instrument besteht im Wesentlichen aus einem Lasersystem und einem Spiegelteleskop. Der Satellit schickt für die Messung unsichtbare Lichtimpulse in die Atmosphäre. Dieses Licht wird von den verschiedenen Partikeln in der Atmosphäre gestreut, zurückgeworfen und vom Spiegelteleskop des Satelliten erfasst. Anhand der Laufzeit der Lichtsignale lässt sich bestimmen, in welcher Höhe gemessen wurde. Aus der Frequenzverschiebung gegenüber dem ursprünglichen Lichtsignal lässt sich die zugehörige Geschwindigkeit der Partikel berechnen – Stichwort Dopplereffekt. Aus der Art der Streuung lassen sich zudem Rückschlüsse auf die Art der Partikel ziehen, zum Beispiel, ob es sich um Staub oder Wassertröpfchen handelt. Die Partikelgeschwindigkeit entspricht der Windgeschwindigkeit, da die Partikel im Wind quasi mitschwimmen. Klingt kompliziert, ist aber eigentlich ein bewährtes, simples und cleveres Messprinzip. Die Messgenauigkeit der Windgeschwindigkeit beträgt dabei bis zu einem Meter in der Sekunde. Für eine Geschwindigkeitsmessung, die 300 Kilometer entfernt stattfindet, ist das sehr beachtlich, finde ich. Wer sich zu dem Thema näher informieren möchte, der findet unter diesem Blog zahlreiche Links, die das Messverfahren und die Mission näher erklären. Dort erfahrt Ihr auch, warum der Satellit zwar die Strapazen eines Raketen-Starts übersteht, aber trotzdem zu empfindlich ist, um im Flugzeug nach Kourou gebracht zu werden.

Quelle: ESA
Kein sehr sehr teurer Schminkspiegel, sondern das Spiegelteleskop, welches das zurückgeworfene Licht der Messungen einfängt und bündelt.

Signifikante Verbesserung der Wettervorhersage erwartet

Und wozu das alles? Wind ist ein sehr wichtiger Eingangsparameter bei der Wettervorhersage. Bisher werden die Messungen fast ausschließlich von Wetterballons vorgenommen und das auch nur an wenigen Punkten auf dem Planeten. Über den Ozeanen und den Polkappen werden eher seltener Wetterballone gestartet. Die Verteilung der Messungen über den Planeten ist sehr ungleichmäßig und lückenhaft. Mit Aeolus wird es zum ersten Mal möglich sein, den gesamten Planeten in einer bisher nie dagewesenen Präzision und Dichte zu vermessen. Die Daten werden in Wettermodelle einfließen und die Wettervorhersage laut Experten "signifikant" verbessern. Zudem versprechen sich die beteiligten Wissenschaftler ein besseres Verständnis der komplexen Windsysteme in unserer Atmosphäre. Aeolus ist allerdings kein Wettersatellit, sondern zuerst einmal ein Forschungssatellit mit wissenschaftlicher Mission. Bis Aeolus die Messungen aufnimmt, dauert es auch noch ein bisschen. Mit einer Inbetriebnahme ist erst 2019 zu rechnen. Sollte sich das Messprinzip im All bewähren, könnten in Zukunft weitere Satelliten mit dieser Technik ausgestattet werden.

Weiterführende Informationen zum Vega-Start:

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Über den Autor

Philip Kausche hat an der TU Berlin Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Nach seiner Promotion wechselte er im Jahr 2015 innerhalb des DLR von Berlin-Charlottenburg nach Bonn-Oberkassel in die Abteilung Trägersysteme des Raumfahrtmanagements. Seitdem betreut er dort u.a. als Projektmanager das Programm zur Nutzungsphase des europäischen Schwerlastträgers Ariane 5. zur Autorenseite