Raumfahrt | 21. Dezember 2021 | von GSOC-Team

Doppelt geplant hält besser

Quelle: NASA
Alles streng nach Prozedur - Matthias Maurer beim Lesen der Prozedur auf dem Tablett während er die beiden Kubiks aufstellt und anschließt. Kubik 5 ist die graue Box im Vordergrund. Unter den Beinen von Matthias ist Kubik 6 zu erkennen.

Von außen betrachtet wirkt es wohl fast schon übertrieben aufwändig, dass wir am Columbus-Kontrollzentrum (Col-CC) eine ganze Planungsgruppe für ein Experiment beschäftigen, von der ein Planer, Rufname EPIC, dann auch an der Konsole im Kontrollraum präsent ist. Aber das Experiment Micro Age, das in den kommenden Tage im Columbuslabor der Internationalen Raumstation ISS laufen wird und das wir im Col-CC betreuen, zeigt exemplarisch, dass hinter einem Experiment ein durchaus komplexes "Planungsproblem" stehen kann, das sich nicht nur in unsere eigenen anderen Experimente und Systemaktivitäten, sondern auch noch in die Aktivitäten der anderen eingliedern muss.##markend##

Das Experiment kommt in den nächsten Tagen mit der nächsten Dragon-Kapsel auf der Station an. Da tickt dann bereits eine Uhr, die mit dem Einladen der Experimentcontainer in die Kapsel in Cape Canaveral angelaufen ist: Wenn wir das Experiment innerhalb einer bestimmten Zeit in unseren vorgeheizten KUBIK-Inkubator an Bord bekommen, dann hat das Experiment schon einmal die erste Phase "überlebt". Dann folgt der eigentliche Versuchslauf weitgehend autonom in den Experimentcontainern im KUBIK (KUBIK ist ein Miniaturlabor für lebenswissenschaftliche Experiment im Columbuslabor). Danach müssen die Experimentcontainer an Bord sofort eingefroren werden. Sie müssen dann so lange gekühlt werden, dass sie letztlich ohne aktive Kühlung den Rückflug zur Erde überstehen und nach einem "early retrieval" (ein spezielles Vorgehen, bei dem unmittelbar nach der Landung vorher definierte Gegenstände sofort aus der Kapsel entnommen und an die entsprechenden Wissenschaftler übergeben werden) nicht über minus 18 Grad Celsius warm (oder besser "kalt") werden. In den Experimentcontainern befinden sich Muskelzellen - und untersucht werden soll der Einfluss der fehlenden Schwerkraft.

Wenn die Planung, die wir zusammen mit den Experten von BIOTESC, den eigentlichen Fachleuten für dieses Experiment, durchführen, nicht gut ist, dann ist das Experiment schnell verloren. Und nachdem immer etwas schief gehen kann, haben wir Matthias Maurer gestern gebeten, nicht nur eine KUBIK-Box in Columbus aufzubauen und anzuschließen, sondern gleich noch eine zweite herzurichten: Sollten wir später auf irgendwelche Probleme stoßen, so haben wir noch die Alternative in petto, die Experimentcontainer schnell "umzuziehen". Übrigens: Das ist unsere Philosophie im Raumflugbetrieb: Immer einen Schritt weiterdenken, immer die Frage "Was wäre, wenn?" stellen, immer möglichst einen "Plan B" in der Hinterhand haben. Das verursacht natürlich einen immensen zusätzlichen Aufwand - aber verglichen zu den Folgen, die sich aus einer "wird schon werden"-Philosophie ergeben würden - seien sie monetär, wissenschaftlich oder sogar lebensgefährlich - erscheint das sehr gut vertretbar.

Mit den zwei KUBIKs in Columbus sind wir nun gut gerüstet für die letzte Space-X-Mission für dieses Jahr, die in Kürze an die ISS andocken wird.

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