Raumfahrt | 12. Januar 2022 | von Tom Uhlig

Roboterarm in Aktion - neue Experimente vor der Haustür

Quelle: NASA
Das Instrument ASIM kurz bevor es an seinem neuen Zuhause - dem Columbus-Modul - wieder "angedockt" wird.

Und? Was hat bei Ihnen unterm Weihnachtsbaum gelegen? Bei uns kümmert sich das Christkind dankenswerterweise immer auch um Geschenke, die unsere Familie über die Weihnachtsferien beschäftigt halten. Dieses Jahr war es ein Roboterbaukasten für unsere 10-Jährige, weil das Christkind immer auch die MINT-Erziehung unserer Kinder etwas im Auge hat. Entsprechend haben wir die Ferien mit "Raupenrobo" und Frankie, der elektronischen Katze, verbracht.

Erste Arbeitstage - und schon kann ich gegenüber den Kindern den didaktischen Wert dieses Geschenks anpreisen: "Schauts, auf der Raumstation arbeiten sie gerade auch mit einem Roboter!" Und zwar mit dem riesigen Canadarm, dem von Kanada bereitgestellten Roboter, der auf geniale Weise überall an der Außenseite der Internationalen Raumstation ISS tätig werden kann: Mit seiner einen Seite kann er sich an einem der speziellen Andockpunkte, der sogenannten "Power Data Grapple Fixtures (PDGFs)" festhalten, die überall an der Außenhaut der ISS montiert sind. Über diese bezieht er Strom, sie erlauben den Datenaustausch mit dem Roboter und - sie geben Halt. Mit seiner anderen Seite kann er Lasten oder auch Astronauten durch das Weltall schwenken - oder eben den nächsten PDGF "suchen" und sich so über die gesamte Raumstation zu einem neuen Einsatzort "hangeln". Sogar ein kleines Wägelchen gibt es für ihn, mit dem er sich entlang der gewaltigen Truss-Struktur (Gitterstruktur), die die Solarsegel der Station hält, bewegen kann. Ohne diesen Roboterarm wäre der Bau der ISS undenkbar gewesen - der SSRMS (Space Station Remote Manipulator System) hat die amerikanischen und japanischen Module und auch unser Columbus-Labor aus der Ladebucht des Space Shuttles gehoben und an der ISS angebracht.##markend##

Was er gestern zu erledigen hatte, war dagegen - zumindest von der Masse her - eher ein Kinderspiel: Vorgestern hat er bereits die Payload ASIM (Atmosphere-Space Interactions Monitor) von ihrer bisherigen Position "seitlich" an einer unserer External Payload Facility (EPF) an deren "untere" Position umgezogen. Und gestern kam an die hierdurch freigewordene Seitenposition dann mit STP-H7 ein neues Experimentpaket, das im "Kofferraum" der Dragonkapsel kurz vor Weihnachten geliefert wurde, und von Canadarm entladen und vorsichtig Richtung Columbus geschwenkt wurde.

Quellle: NASA
Das neue Experimentpaket STP-H7 im "robotischen" Anflug auf das Columbus-Modul der Raumstation. STP-H7 ist auf der linken Bildhälfte zu sehen.

Seit einigen Jahren kann der Roboterarm vom Boden aus gesteuert werden, weshalb die Astronautinnen und Astronauten in der Raumstation von diesen Umbaumaßnahmen kaum etwas mitbekamen. Wir hatten ihnen nur vor ein paar Tagen eine Aktivität auf die Timeline gesetzt, bei der sie die Stromschalter für die Außenplattform, die sich innerhalb von Columbus befinden, ausschalten sollten. Stromabschalten können wir freilich auch per Kommando vom Kontrollraum aus, aber nur für alle Außenplattformen gleichzeitig. Columbus hat allerdings vier solcher Plattformen und zusätzlich wurde letztes Jahr Bartolomeo als weitere Außenplattform an Columbus angebaut. Um jetzt nicht alle Plattformen ausschalten zu müssen, brauchen wir Crew, um gezielt einzelne Plattformen aus und wieder einzuschalten. Nach der Installation haben die Astronauten den Strom dann auch wieder eingeschaltet. Jetzt können die beiden Payloads zumindest wieder geheizt werden - überlebenswichtig im kalten Weltraum!

Quelle: NASA
STP-H7 und ASIM angedockt an Columbus (rechts unten im Bild), während der Canadarm langsam wegfährt.

Wirklich kommunizieren und damit wieder beziehungsweise erstmals Wissenschaft machen können wir allerdings erst dann mit ASIM, wenn wir kommende Woche eine neue Software auf Columbus aufgespielt haben. Erst mit dieser kann das komplizierte Datenmanagementsystem die Datenströme wieder richtig zuordnen. Dann gibt's neues Futter für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für Leuchterscheinungen in der Atmosphäre, Weltraumgyroskope im Langzeittest, Windmessungen an den Ozeanen, Quantenverschränkung und Plasmaentladungen interessieren - hoch leben die MINT-Fächer!!

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite