Raumfahrt | 13. Januar 2022 | von Tom Uhlig

Fünf Kontrollzentren für ein Experiment - Matthias Maurer schließt "Cytoskeleton" erfolgreich auf der ISS ab

Quelle: NASA
Matthias Maurer während des letzten Experimentlaufs von Cytoskeleton.

Was das Cytoskelett einer Zelle ist, habe ich zugegebenermaßen erst einmal in meinem dicken Biologiewälzer nachschlagen müssen - und das, obwohl ich meine Doktorarbeit am Elektronenmikroskop gemacht habe! Und wieder einmal staune ich über die enorme Bandbreite der Wissenschaft, die auf der Internationalen Raumstation ISS stattfindet - die letzten Wochen über eben ein Experiment namens Cytoskeleton, was das gleichnamige mechanische Stützskelett einer Zelle unter Schwerelosigkeit untersucht.##markend##

Glücklicherweise müssen weder Matthias Maurer auf der ISS noch wir an den Konsolen des Columbus Control Centers (Col-CC) alle biologischen Hintergründe hierzu wissen und verstehen, sondern wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen des MUSC (Microgravity User Support Center) wirkliche Experten verfügbar, die in Köln in einem Kontrollraum sitzen, uns angeschlossen sind und die Vorgänge auf der Raumstation unterstützen. Sie gehören ebenfalls zum Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum und zum DLR dazu - auch das DLR hat eine enorme Bandbreite!

Die Experimentcontainer für Cytoskeleton sind mit dem  "Weihnachtsraumschiff" SpX-24 auf die ISS gelangt und sollen in Kürze mit diesem Frachter auch wieder zurück auf die Erde gebracht werden. Für Cytoskeleton sind verschiedene Experimentläufe festgelegt, die jeweiligen Läufe selbst haben aber immer das gleiche Protokoll: Die benötigten Experimentcontainer aus dem ISS-Kühlschrank MELFI herausholen, in einer Glovebox auftauen und herrichten, dann in den Inkubator unseres BIOLAB-Experimentierschranks einbauen.

Der Ablauf des jeweiligen Experiments selbst erfolgt dann ferngesteuert und automatisiert, MUSC und ein weiteres Konsolenteam von BIOTESC in der Schweiz überwachen das Ganze - und steuern auch die Zentrifuge innerhalb des BIOLAB-Inkubators, mit dem man verschieden starke "Schwerkraft dazuschalten" kann - die Forschenden können hierdurch besser beurteilen, welche Veränderungen in den Zellkulturen auf die fehlende Schwerkraft zurückgeführt werden können.

Danach erfolgt, wieder automatisch, eine "Fixierung" der Zellen, was ich mir naiverweise als eine Art Konservierung des aktuellen Zustands vorstelle. Die Astronautinnen und Astronauten müssen dann nur noch die "fertigen" Experimentcontainer aus BIOLAB entnehmen und bis zum Rückflug zur Erde und Untersuchung durch wissenshungrige Forscherinnen und Forscher im Labor in MELFI lagern.

Quelle: DLR
Quelle: DLR
Das Experiment Cytoskeleton wir auch aus dem Kontrollzentrum des DLR in Köln überwacht.

Heute hat Matthias unter den aufmerksamen Blicken von den Kolleginnen und Kollegen bei MUSC und BIOTESC und unter unserer "Gesamtkoordination" die letzten Experimentcontainer von der Zentrifuge ins Eisfach transferiert und das Experiment im Wesentlichen abgeschlossen - zumindest den Teil, der auf der ISS passieren sollte. Gut ist es gelaufen, ein kleines Problem mit dem Datentransfer zwischen Experimentcontainer und Inkubator haben wir in "real-time" lösen können.

Jetzt können in Kürze die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler loslegen. Das Zusammenspiel von fünf(!) Kontrollzentren - neben MUSC, BIOTESC und uns waren auch die NASA-Kontrollzentren in Houston und Huntsville für verschiedene Aspekte involviert - hat gut geklappt.

Hoffen wir, dass die Resultate des Experiments dazu beitragen, das Verhalten von "Leben" unter Schwerelosigkeitsbedingungen besser zu verstehen und dass mit ihnen ein weiterer kleiner Beitrag entsteht auf "unserem" Weg zurück zum Mond und vorwärts zum Mars.

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite