Raumfahrt | 21. Januar 2022 | von Tom Uhlig

Saubere Luft im All: Neues Gerät zur Luftreinigung auf der ISS getestet

Quelle: NASA
Matthias Maurer (rechts) bei der Arbeit an ANITA-2 im amerikanischen Modul der ISS.

Dass eine „gute Atmosphäre“ auf einer bewohnten Raumstation auch im nicht übertragenen Sinn ein überlebenswichtiger Faktor ist, braucht wohl keine weiteren Erklärungen. „Einfach mal ein Fenster aufreißen“ geht aber im Weltraum leider nicht – und wenn man seine Wohnung nach einem Kurzurlaub erstmals wieder betritt, dann bekommt man einen „olfaktorischen“ Eindruck davon, wie wichtig das Lüften für die Luftqualität ist. Auf der Internationalen Raumstation ISS ist tatsächlich seit Jahrzehnten nicht mehr gelüftet worden – eigentlich möchte ich mir das geruchsmäßig jetzt gar nicht vorstellen!##markend##

Jedes neue Modul der Station wurde zu einem gewissen Zeitpunkt in seinem Herstellungsprozess mit Frischluft befüllt und dann luftdicht verschlossen. Dann hat es unter Umständen noch monatelang in irgendeiner Integrationshalle auf seinen Flug zur Raumstation und auf das „hatch opening“, das Öffnen der Luke an Bord, gewartet. In dieser Zeit passiert tatsächlich gar keiner Luftaustausch, sondern „nur“ das Ausgasen der verbauten Materialien. Das ist dann auch einer der Gründe, dass man, bevor man Astronautinnen oder Astronauten in ein neues Modul schickt, tunlichst zunächst die Luftaufbereitungsanlagen des Moduls zum Laufen gebracht und die Luft mindestens einmal komplett durch die Aktivkohlefilter gesogen hat, damit mögliche Giftstoffe herausgefiltert werden.

Für den laufenden Betrieb der ISS werden auch solche Filterungen durchgeführt, außerdem wurde in den Anfangsjahren die Luft kontinuierlich geprüft: Zwei Major Constituent Analyzer (MCA) haben „Schnüffelleitungen“ in alle Module der Raumstation, zogen sich automatische Proben und analysierten diese: Über eine physikalische Methode namens Massenspektroskopie können Gase anhand ihres Molekulargewichts getrennt und dann ihre Konzentration gemessen werden. Sechs Gase konnten so unterschieden werden – aber: Der Preis war sehr hoch: Der MCA benötigte ständigen Austausch von Komponenten, was im Weltall freilich sehr teuer ist. Daher wurde nach einigen Jahren des Erfahrungssammelns entschieden: Dieses kontinuierliche Messen ist eigentlich nicht nötig. Heute werden die MCAs nur noch genutzt, wenn es Zweifel an der Luftqualität gibt oder wenn spezielle Betriebslagen bestehen, zum Beispiel beim „Camp-Out“ vor einem Weltraumausstieg, wenn die Luftzusammensetzung in der Luftschleuse bewusst verändert wird. Zusätzlich messen die Astronautinnen und Astronauten einmal wöchentlich die Sauerstoff- und CO2-Konzentration.

Diese Woche testen wir zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen vom Europäischen Astronautenzentrum (EAC) in Köln nun ein neues Gerät, was zukünftig hier unterstützen kann: Schon in der vorletzten Woche hat Matthias Maurer ANITA-2 (Analysing Interferometer for Ambient Air) im Express Rack 11B im amerikanischen Teil der Raumstation eingebaut (wir betreiben Experimente nicht nur in Columbus – so wie auch die NASA Experimente nicht nur im amerikanischen Teil betreibt, sondern auch bei uns). Anfängliche Probleme mit der Netzwerkverbindung konnten wir lösen. Jetzt läuft gerade das „Commissioning“, das Einrichten und Testen des Experiments auf Herz und Nieren.

ANITA-2 ist ein sogenannter „Technologiedemonstrator“: Wir forschen damit nicht im eigentlichen Sinn, sondern wir prüfen das Gerät auf seine Einsetzbarkeit im Weltraum hin, was freilich auch eine Art Forschung ist. Die Analyse der Atemluft ist ein wichtiger Baustein für zukünftige Missionen, auch Richtung Mond und Mars: ANITA-2 ist weniger komplex als die MCAs – wir messen keine Atommassen, sondern messen die Absorption des Gases im Infraroten, vielleicht vergleichbar mit den Fingerclips im Krankenhaus, mit denen der Sauerstoffgehalt des Blutes bestimmt werden kann.

Weniger komplex heißt immer auch robuster und wartungsärmer – sehr gut! Und: Es sind nicht sechs Gase, sondern über 30, die mit dem neuen Gerät gemessen werden können! Darunter Zungenbrecher wie „Decamethylcyclopentasiloxan“…Schon das Vorgängermodell hatte das Kühlmittel Freon in der ISS-Atmosphäre aufgespürt, das da natürlich nicht hingehört… Hoffen wir, dass die ersten Läufe diese Woche nicht weitere Überraschungen bringen. Derzeit müssen wir die in eine Datei geschriebenen Ergebnisse der Messungen noch etwas sperrig von der ISS herunterladen und dann den Experten zur Verfügung stellen, die diese dann analysieren.

Bewährt sich das Verfahren im All, sendet ein zukünftiges Raumfahrtzeug wohl eine präzise Luftzusammensetzung als Telemetrie kontinuierlich zu uns herunter – ich freue mich schon darauf, wenn wir über den Wert von Decamethylcyclopentasiloxan bei uns im Kontrollraum diskutieren müssen…

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite